ICP Deutschland vertreibt Green IT

»Aktiver Klimaschutz ist überlebensnotwendig«

5. September 2022, 15:30 Uhr | Tobias Schlichtmeier
Der Firmensitz von ICP Deutschland in Reutlingen ist energetisch optimiert und mit einer Photovoltaik-Anlage ausgestattet.
© ICP Deutschland

Unternehmen stehen derzeit vor großen Herausforderungen: Lieferengpässe, Logistikprobleme und nicht zuletzt der Klimawandel setzen ihnen zu. Ohne aktiven Klimaschutz ist es schwer, als Unternehmen in Zukunft zu überleben. Ein Vorreiter ist ICP Deutschland.

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Geschäftsführer Harald Behnstedt erklärt seine Strategie und stellt sich den kritischen Fragen der Redaktion.

Markt&Technik: Herr Behnstedt, in diesem Jahr haben Sie mit »Green IT« Ihr Unternehmen neu ausgerichtet. Was steckt hinter diesem Begriff?

Harald Behnstedt: Green IT erstreckt sich aus unserer Sicht auf zwei Ebenen: auf energiesparende Computersysteme sowie eine erweiterte Auffassung. Es geht um umweltbewusste Produkte sowie ein Bewusstsein für Mensch und Natur. Green IT bezieht sich nicht nur auf unsere Industriecomputer, sondern ebenfalls auf eine verantwortungsvolle Lieferkette, Umweltschutz und -politik. Außerdem nehmen wir alle Unternehmensprozesse genau unter die Lupe. Wir stellen alles auf den Prüfstand mit dem Ziel, zu neuen Erkenntnissen zu gelangen und aus diesen Schlüsse zu ziehen. Ebenso haben wir einen »Code of Conduct« erstellt. Neben verpflichtenden Gesetzen für Unternehmen enthält der Verhaltenskodex Richtlinien und Regeln, die unser Handeln im Alltag leiten.

Können Sie ein Beispiel für eine konkrete Maßnahme des Verhaltenskodex nennen?

Wir verzichten beispielsweise darauf, Kunden Präsente zu überreichen. Das hat zweierlei Gründe. Zum einen werden wir von Werbemitteln fragwürdiger Lebensdauer und Natur überschüttet. Das ist der Müll von morgen, den wir nicht brauchen. Zum anderen vermeiden wir es so, Kunden in Verlegenheit zu bringen. Für eine ehrliche Beziehung zwischen Lieferanten und Kunden bedarf es keiner Geschenke.

Was bedeutet die Neuausrichtung für ICP?

ICP ist seit über 25 Jahren Service- und Lösungsanbieter für Industriecomputer, Embedded-Systeme und IT-Applikationen. Wir sind regional und europaweit tätig. In derzeit sehr volatilen Zeiten ist es für uns wichtig, unsere Weichen für die Zukunft zu stellen. Es ist unser Wunsch, uns mit unseren IT-Leistungen und -Services sowie Unternehmensintern »grüner« aufzustellen. Zum Beispiel mit einem grüneren Gestalten unserer Industrie-PCs.

Mit der Botschaft »ICP – Industrial Computers for Life« möchten wir Schritt für Schritt neue Green-IT-Maßstäbe vorantreiben und entwickeln. Ich habe das unter die kurze Formel »V3K« gefasst, die für »Vermeiden, Verlängern, Verwerten und Kompensieren« steht. Hierbei geht es um das Vermeiden von Emissionen, Schaffen längerer Produktlebenszyklen, das Verwerten von Rohstoffen sowie weiterführend um die CO2-Kompensation.

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Behnstedt Harald
Harald Behnstedt, IPC Deutschland: »Reparaturen und Wartungen müssen wieder als normal angesehen werden.«
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Gibt es bereits konkrete Maßnahmen, die Sie bei der täglichen Arbeit umsetzen?

Beispielsweise haben wir inzwischen mobiles Arbeiten eingeführt. Das verringert den CO2-Ausstoß und wirkt sich positiv auf die Work–Life Balance aus. Protokolle und Mitschriebe erfassen wir digital im System, zudem nutzen wir digitale Signaturen für die Freigabe von Dokumenten. Kunden bieten wir den Versand von Belegen per E-Mail an oder laden sie auf eigene Webplattformen hoch. So reduzieren wir den Papierverbrauch. Intern verwenden wir eine eigene Chat- und Videokonferenzplattform für unsere Meetings. Zudem bieten wir mit »JobRad« Leasing-Diensträder für unser Team an.

Wie nehmen Ihre Mitarbeiter die Neuausrichtung des Unternehmens und Angebote wie JobRad an?

Bei vielen Dingen kann ich bereits sehen, dass Mitarbeiter umdenken. Zum Beispiel beim Beschaffen von Büromaterial oder bei der Wahl des Transportweges unserer Waren. Zudem nehmen bereits viele Mitarbeiter das JobRad-Angebot an. Andere sehen noch keinen Bedarf, das aktuelle Rad auszuwechseln. Wir denken über weitere Anreize nach, um den Wechsel vom Auto auf das Fahrrad attraktiv zu gestalten.

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Mit dem Anpassen der Leistungsaufnahme, dem Betriebssystem und BIOS erreichen Industrie-PCs von ICP einen sehr geringen Energiebedarf.
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Der Klimawandel wirkt sich auf die Weltwirtschaft, auf globale Lieferketten, die Ressourcenverfügbarkeit aus. Wie gehen Sie in Ihrem Unternehmen solche Themen an?

An erster Stelle stehen bei uns Einsparungen. So reduzieren beispielsweise LED-Lampen den Energiebedarf. Weiterhin stellen wir nach und nach auf umweltfreundliche ökologische Verpackungen um. Den Versand unserer Waren wickeln wir klimaneutral über Green DPD ab. Außerdem arbeiten wir aktuell daran, Kunststofffolien zu reduzieren, Verpackungen zu minimieren und den Lieferumfang zu optimieren. Alle noch so kleinen Schritte sind ein Hebel im Kampf gegen den Klimawandel.

Nun ist das Herstellen von Industrie-PCs nicht unbedingt dafür prädestiniert, grün zu sein; sie verbrauchen viele Ressourcen, hinzu kommen lange Logistikwege. Können Industrie-PCs in Zukunft CO2-neutral produziert werden?

Ja, ich bin davon überzeugt, dass sich unser Einfallsreichtum und Forschungsdrang auf die CO2-und schadstofffreie Herstellung von Industrie-PCs auswirkt. Wir gehen bereits erste Schritte in die richtige Richtung, selbst wenn das bedeutet, Dinge umzusetzen, die das Problem nicht zu 100 Prozent beheben. Elektronische Produkte benötigen sicher längere Zeit, bis sie grün produzierbar sind. Was wir jedoch bereits jetzt tun können, ist, unsere Prozesse zu optimieren und Energie und somit CO2 einzusparen. So optimieren wir unsere Produkte bereits jetzt beim Energiebedarf, der Effizienz, dem Gewicht, der Verpackung, machen sie erweiterbar, recyclen Bauteile und versuchen, sie so langlebig wie möglich zu designen.

Sie versprechen, den Transport Ihrer Güter zu kompensieren, zum Beispiel mit Green DPD. Wie funktioniert das und ist das nicht einfach schöngerechnet – Stichwort »Greenwashing«?

Unter Greenwashing verstehe ich zum Beispiel das Abholzen von Wäldern und das erneute Wiederaufforsten, verbunden mit dem Verkauf von CO2-Zertifikaten. Versuchen Firmen wie DPD, DHL, Schenker oder die Bahn, CO2 zu reduzieren, indem sie alternative Antriebe oder Treibstoffe einsetzen, ihre Transportwege optimieren oder auf Ökostrom umstellen, sehe ich das nicht als Greenwashing. DPD kompensiert zudem den verbleibenden CO2-Ausstoß mit Projekten im Bereich erneuerbarer Energien. Für mich ist das eine saubere Lösung, bis Transportmittel oder -wege parat stehen, die komplett emissionslos sind. Erste vielversprechende Ansätze sehe ich bereits.

Können Sie mir ein Beispiel nennen?

DPD liefert in Hamburg komplett emissionsfrei mit Lastenrädern und Elektrofahrzeugen aus. Lufthansa verwendet bereits Sustainable-Aviation-Fuel(SAF)-Treibstoffe. Für uns kommt Kompensation dann in Frage, wenn wir alles zum Vermeiden und Reduzieren getan haben. Vermeiden bedeutet bei uns in dem Fall: Wir kumulieren Bestellungen und vermeiden „Leerflüge“ sowie Mehrfahrten. Reduzieren bedeutet, wir setzen auf Transportmittel, die den niedrigsten CO2-Ausstoß für die jeweilige Strecke haben. Hier stehen uns derzeit Schiffe, Züge und Flugzeuge zur Wahl sowie Spediteure wie DPD, die von Haus aus klimaneutral ausliefern. Bei unseren Green-IT-Produkten reduzieren wir so den CO2-Ausstoß um 97 Prozent und kompensieren den entstandenen CO2-Ausstoß.

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Mit Schifffracht statt Luftfracht lassen sich bis zu 97 Prozent CO2 einsparen.
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Trotzdem werden fast alle Bauteile in Asien gefertigt, oft mit Energie aus Kohleverstromung und langen Transportwegen. Um diese kommen Unternehmen derzeit nicht herum. Haben Sie eine Idee, das in Zukunft zu ändern?

Dass wir in vielen Bereichen abhängig sind, steht außer Frage – das zeigt sich aktuell bei Gaslieferungen. Deutschland selbst steigt aus der Kohleverstromung bis 2038 aus. Somit ist uns das Thema wohlbekannt. Meiner Meinung nach können wir uns als Europäische Union lediglich für klimafreundliche Transportwege einsetzen und andere Länder, auch Asien, beim Ausstieg aus der Kohleverstromung unterstützen. Auf der anderen Seite müssen wir als EU mehr unternehmen, um den Standort Europa interessant zu gestalten. Sowohl für heimische Firmen, die ein Reshoring erwägen, zudem Produktionsstätten asiatischer Unternehmen in Europa fördern.

Sie sagten, Sie möchten Frachttransporte bündeln, das ändert jedoch nichts an den langen Wegen. Wie kann ein Betrieb die Logistik weiter optimieren?

Die Wegstrecke lässt sich kaum ändern. Ändern lässt sich jedoch, wie sie zurückgelegt wird. Ich bin mir sicher, dass der Klimaschutz in der Logistikbranche inzwischen eine große Rolle spielt. Alternative Kraftstoffe wie SAF oder der sich in Forschung befindliche Power-to-Liquid-Treibstoff sind gute Ansätze. Was mir am besten gefällt, ist das Verlagern der Ware von der Straße auf die Schiene. Meiner Meinung nach müssen wir noch mehr in die Schiene investieren und dieser Transportart Vorfahrt gewähren.

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Mit verschiedenen Maßnahmen senkt ICP die Leistungsaufnahme seiner Industriecomputer.
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Ihre Lieferanten befinden sich ausschließlich in Asien. Da sind lange Transportwege von vornherein garantiert. Möchten Sie in Zukunft auf Lieferanten aus Europa umsteigen?

Lieferanten aus Europa schließen wir nicht aus. Auch Produktionsstätten asiatischer Unternehmen in Europa wären ein Weg, wenn es rein darum geht, den Transportweg zu reduzieren oder Umwelteinflüsse in den Griff zu bekommen. Elektronikfertigung in Deutschland ist möglich. Firmen wie Gigaset machen das bereits vor.

Sie optimieren Ihre Produkte auf Energiesparen, zum Beispiel bei der CPU. Wie setzen Sie das um?

Bei unseren nachhaltigen IPC-Systemen stehen mehrere Komponenten im Fokus. Unsere Standardcomputer mit CPU-Sockel statten wir mit energiesparenderen 35-W-Prozessoren aus anstatt mit den meist günstigeren CPU-Modellen, die eine höhere Leistungsaufnahme aufweisen. Für unsere Computersysteme mit aufgelöteter CPU verwenden wir in der Regel Ultra-Low-TDP-CPU-Serien. Sie liegen nochmals deutlich unter den gesockelten Varianten, die Leistungsaufnahme betreffend. Auch bei der Spannungsversorgung können wir Leistung einsparen. Mit hocheffizienten Netzteilen, die in einem optimalen Bereich unter Volllast und Grundlast arbeiten und somit eine möglich geringe Verlustleistung aufweisen. Lüfter und alle weiteren Komponenten besitzen eine sehr hohe Lebensdauer, womit wir einen langen Lebenszyklus des kompletten Systems gewährleisten.

Zudem optimieren wir Betriebssystem und BIOS auf Energiesparen. Das hat zwei Gründe. Zum einen erreichen wir hiermit eine Reduktion der Wärme im Inneren der Systeme. Das ist sinnvoll, da jedes Grad Temperaturreduktion eine Zunahme der Systemlebensdauer mit sich bringt. Zum anderen greift über unsere vordefinierten Einstellungen das Multiplikatorprinzip: Wir liefern PC-Systeme an viele verschiedene Kunden und erreichen somit in Summe deutlich mehr als der einzelne Endanwender, der selbst justiert.

Der Klimawandel schreitet weiter voran und bedroht Mensch und Natur. Fest steht: Wir können nicht mehr so weitermachen wie bisher. Wie kann die Industrie im Allgemeinen, die Elektronik-Branche im Speziellen nachhaltiger agieren und wirtschaften?

Dass wir nicht mehr so weitermachen können, haben sicherlich einige verstanden. Wie wir das angehen, ist eine Frage, auf die es keine einfache Antwort gibt. Dem Umweltschutz einen höheren Stellwert zu geben und alle Prozesse in den Blick nehmen halte ich für unerlässlich. Meiner Meinung nach würde es schon helfen, wenn die Industrie den Fokus wieder auf langlebige Produkte setzt und sich gegen den Wegwerftrend stemmt. Die Industrie muss weg von Produkten, die schon beim Einpacken in die Produktverpackung obsolet sind. Reparaturen und Wartungen müssen wir wieder als normal ansehen. Ein einfaches Recycling müssen Firmen von vornherein beim Design des Produkts berücksichtigen.

Sind Unternehmen noch überlebensfähig, wenn sie beispielsweise Gewinnmargen zugunsten der Umwelt zurückschrauben? Oder müssen sie sich einfach anders ausrichten?

Machen wir so weiter wie bisher, überleben wir alle nicht. Außerdem sitzen nicht nur die Unternehmen auf dem Planeten, sondern ebenfalls deren Abnehmer. Jeder muss sein Scherflein dazu beitragen. Unternehmen müssen geringere Margen hinnehmen und sich anders ausrichten, Abnehmer höhere Preise oder den Verzicht in Kauf nehmen. Auch der Staat muss unterstützen, denn Unternehmen allein können den Klimaschutz nicht betreiben.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Behnstedt.


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