Abkündigungen von elektronischen Komponenten ziehen Begehrlichkeiten nach sich. Wer sich nicht rechtzeitig mit den betroffenen Bauteilen eingedeckt hat, muss oft auf den freien Markt ausweichen. Und da lauern einige Fallstricke.
»Natürlich ist es uns bewusst, dass es auf dem freien Markt Counterfeits gibt, besonders wenn die Bauelemente noch sehr gefragt sind. Wir raten daher von Alleingängen grundsätzlich ab«, unterstreicht Arif Arifi, Sales Manager von Chip One. Stattdessen empfiehlt Arifi den Kunden in diesen Fällen, Partner mit ins Boot zu holen, die sich auf dem freien Markt auskennen – zum Beispiel Independent Distributoren. Für den Fall, dass es auf dem globalen Distributionsmarkt keine Ware mehr gibt, weicht auch Chip One auf den freien Markt aus. Gekauft wird aber auch dort nur aus bekannten Quellen. Schließlich, so Arifi, gebe es auch auf dem freien Markt sehr gute Anbieter. Als weitere Beschaffungsquelle nennt der Chip-One-Manager Überbestände in der Lieferkette: »Viele Kunden sind dankbar, wenn wir ihre Überbestände vermarkten.«
Überbestände sind in der Lieferkette jedenfalls keine Seltenheit, wie Christian Meier weiß, President und COO von EBV Elektronik: »Wenn wir nur eine Varianz von 3 Prozent im Jahr im globalen Forecast haben, bedeutet das, dass Ware im Wert von Milliarden Dollar in den Lagern schlummert.«
Grundlegend empfehlen die Experten beim Markt&Technik Round Table »Obsolescence-Management« übereinstimmend, dass der Bauteilekauf aus dem freien Markt oder aus Überbeständen nur Hand in Hand mit dem Kunden erfolgen sollte. Strenge Lieferantenkontrollen und Qualitätschecks im Wareneingang von Bauteiledistributoren und Kunden in Form von visueller Kontrolle und Röntgentechnologie sollen den Umlauf von Fälschungen in der Lieferkette nach bestem Wissen und Gewissen verhindern. Darauf legt auch Chip One als Broker besonderen Wert: »Denn wir haben ein berechtigtes Interesse daran, nur originale Ware abzuliefern. Der Anteil gefälschter Ware, die von uns kommt, ist verschwindend gering.«
Mehr Unterstützung wünschen sich Independent Distributoren wie Chip One in dieser Hinsicht allerdings von den Bauteile-Herstellern. Wenn es um Auskünfte geht, ob es sich um ein originales Teil oder um eine Fälschung handelt, verweigern laut Arifi viele Hersteller die Auskunft mit dem Argument: »Wer auf dem freien Markt kauft, bekommt keinen Support von uns«. So hat beispielsweise Infineon die Philosophie, nur Kunden zu informieren, die direkt beim Hersteller gekauft haben, denn nur in diesen Fällen ist auch die Traceability gegeben. Laut Arifi würde es schon helfen, wenn der Hersteller die Echtheit eines Labels bestätigen könnte.
Nur anhand einer Anfrage mit Bild eine Aussage treffen zu können, ob das Bauteil original ist oder nicht, ist jedoch schwierig. »Dafür sind aufwändige Tests des Bauteils nötig«, sagt Konrad Bechler, Project Specialist, Security & Investigations von Infineon, »denn selbst wenn das Label und die Daten auf einem Bauteil original sind, dann ist noch lange nicht gesagt, ob der Inhalt des Bauteils tatsächlich mit dem Label übereinstimmt. Hier wäre die Gefahr viel zu groß, dass Regressansprüche gestellt werden.« Support auf dem offenen Markt gibt es von Infineon also tatsächlich nur, um potenziell gefälschte Ware identifizieren zu können. »Alles weitere erledigt unsere Rechtsabteilung«, so Bechler. Mit dieser Gangart hat Infineon auch immer wieder Erfolge bei der Bekämpfung von Fälschungen.
Gefälschte Bauteile aufzuspüren, ist auch bei Maxim und Würth Elektronik eisos die Motivation, wenn Anfragen aus dem freien Markt beantwortet werden, wie Stefan Stockbauer, Director Customer Operations von Maxim, erklärt: »Wir möchten schließlich wissen, wo der Kunde die Ware gekauft hat. Wir nutzen diese Möglichkeit natürlich auch, um auf gefälschte Bauteile aufmerksam zu werden und sie zurückzuverfolgen.« Ähnlich läuft das Procedere auch bei Würth: Laut Axel Wagner, Leiter Consulting, Legal & Compliance, werden Anfragen, ob es sich um Originalware oder Fälschungen handelt, sehr wohl beantwortet. Im Zweifelsfall konfisziert der Hersteller allerdings die Ware, die anschließend vernichtet wird. »Das ist dem Kunden manchmal sehr schwer zu vermitteln, besonders wenn mehrere Tausend Euro auf dem Tisch liegen. Aber dann müssen wir dem Kunden eben den rechtlichen Hintergrund erklären«, gibt Wagner zu bedenken und beruft sich dabei auf das europäische Markenrecht. Dass gefälschte oder defekte Ware aus dem Verkehr gezogen und vernichtet wird, ist nach Aussage der befragten Hersteller selbstverständlich.