In einem Gemeinschaftsprojekt mit Georgia Tech (Georgia Institute of Technology, USA) hat Schott bereits Prototypen von Interposern aus 30 µm dünnem Glas hergestellt. Mit Partnern aus der Halbleiterindustrie arbeitet das Unternehmen nun daran, ultradünne Gläser in Interposer-Anwendungen und IC-Packaging in der Serienfertigung einzusetzen.
Wie notwendig der Umstieg auf glasbasierte Interposer ist, macht Prof. Dr. Töpper mit dem Hinweis auf das derzeit viel diskutierte autonome Fahren deutlich: »Betrachtet man die elektrischen Systeme, die notwendig sind, um autonomes Fahren zu ermöglichen, dann gehören dazu auch Radarmodule im Bereich von 77 GHz.« Bei so hohen Frequenzen wirken sich Oberflächenrauigkeiten und der dielektrische Verlust des Isolationsmaterials sehr negativ auf das Verhalten des Systems aus. Glas ist für Prof. Dr. Töpper darum der ideale Werkstoff für solche Applikationen, »weil er beide Eigenschaften perfekt miteinander verbindet«. Berücksichtigt man darüber hinaus noch das Potential der optischen Datenübertragung, die durch Lichtwellenleiter erfolgt, wird der Vorteil von Glas in solchen Applikationen noch einmal zusätzlich gesteigert.
Doch auch Dünnschichtbatterien oder Solid-State-Akkus können in Zukunft von ultradünnem Glas profitieren. Da die Kathoden- und Anodenmaterialien dieser Akkus in einem Hochtemperatur-Vakuumprozess direkt auf das ultradünne Substratglas abgeschieden werden, lassen sich solche Batterien in Zukunft stark miniaturisieren. Und weil die Qualität der aktiven Batteriematerialien durch thermomechanische und chemische Wechselwirkungen mit dem Substratmaterial beeinflusst wird, trägt die Verwendung des ultradünnen Glases direkt zur Leistungssteigerung der Batterie bei.
Kostengünstige Dünnschichtbatterien dürften große Potenziale in Wearables, kleinen Sicherheitskameras oder auch Chipkarten mit Displays wie etwa Push-Tan-Generatoren für das Online-Banking haben. Äußerst vielfältig dürfen die Einsatzmöglichkeiten auch im Bereich Internet-of-Things sein. Schließlich benötigt die Vielzahl kleinster Geräte oder Sensoren, die da miteinander vernetzt werden, eine autarke Stromversorgung. Entsprechende Energiespeicher werden derzeit von Schott in Zusammenarbeit mit akademischen und industriellen Partnern entwickelt.
Aber auch in anderen Bereichen bietet sich ultradünnes Glas als Ersatz bisheriger Lösungen in der Elektronik an: In Form des D263T eco bietet Schott als bislang einziges Unternehmen auch chemisch gehärtetes, ultradünnes Glas an. Es weist eine viermal höhere Festigkeit als nicht gehärtetes Grundglas auf. Im Labor wurden, wie Dr. Sprengard erläutert, bereits zehnmal höhere Festigkeiten erreicht. Ultradünnes Glas ist damit auch unter robusten Nutzungsbedingungen einsetzbar, etwa für Touch-Displays im Smartphone. Funktionen wie Fingerabdruck-Sensoren lassen sich durch ultradünnes Glas mit höchster Erkennungsgenauigkeit realisieren, hängt doch die Auflösung eines (kapazitiven) Fingerabdrucksensors von der Dicke des ihn schützendes Glases ab. Darüber hinaus ist in dieser Applikation eine relative Dielektrizitätskonstante wichtig, wie sie das D263T eco bietet.
Doch damit sind die Einsatzmöglichkeiten immer noch nicht erschöpft: In der Biotechnologie lässt sich Ultradünnglas mit eingearbeiteten Kapillaren als Trägermaterial für Mikrofluide verwenden. Glas mit seiner unerreichten optischen Qualität ist als chemisch inerter Werkstoff für diese Industrie Wunschkandidat für den Aufbau mikrofluidischer Systeme.
Schon heute werden ultradünne Gläser, wie Dr. Sprengard erläutert, aufgrund ihrer optischen Qualität in den Kamerasystemen von Smartphones in gleich mehreren Funktionen eingesetzt: von der chemisch gehärteten Abdeckscheibe bis zum Infrarot-Sperrfilter für den CMOS-Bildsensor.
Bei den derzeit diskutierten Smartphone-Konzepten der Zukunft spielt Ultradünnglas aufgrund seiner Flexibilität eine wichtige Rolle. Wie bereits erläutert, lassen sich 50 µm dicke und noch dünnere Gläser herstellen, die einen Biegeradius von wenigen Millimetern dauerhaft unbeschadet überstehen. Aufgrund seiner hervorragenden Barriereeigenschaften gegen Wasserstoff und Sauerstoff ist es möglich, flexible ultradünne Gläser als Substrat- oder Verkapeslungsmaterialien für lichtemittierende organische Schichten wie OLEDs einzusetzen.