Packaging und Baugruppen

Erst Klebstoffe bringen Zuverlässigkeit

14. November 2023, 8:30 Uhr | Heinz Arnold
Wo die Klebstoffe von Delo auf einer Leiterplatte zum Einsatz kommen
© Delo

»Die Nachfrage wächst kräftig«, sagt Dr. Markus Schindler, Senior Product Manager Advanced Packaging von Delo. Denn Klebstoffe spielen in der Elektronik eine zunehmend wichtigere Rolle – und tauchen in Anwendungen auf, wo kaum einer sie erwartet hätte.

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Klebstoffe können in der Elektronik vielfältige Aufgaben übernehmen. Wie die Bezeichnung vermuten lässt, sorgen sie dafür, dass Bauelemente, insbesondere ICs, fest mit der Leiterplatte verbunden werden. Sie finden aber auch dort Einsatz, wo es über die reine Klebefunktion hinaus geht: Denn sie schützen Komponenten und Anschlüsse vor Korrosion, vollständige Schutzkappen lassen sich über die Elektronik kleben und schließlich gibt es auch funktionale Materialien, die mit dem ursprünglichen Klebezweck nichts mehr zu tun haben.

Den Klebstoffen kommt also auf verschiedenen Gebieten eine hohe Bedeutung zu, die sich in vier Kategorien unterteilen lassen.

Zunächst zu der Anwendung, die ihr Name impliziert: Bauelemente auf die Leiterplatte kleben. Da werden viele zunächst fragen: Die Bauelemente, besonders ICs, sind doch schon über die Lötstellen fest mit der Leiterplatte verbunden, warum also zusätzlichen Aufwand für das Kleben betreiben? In einigen Anwendungen, etwa im Konsumgüter-Umfeld, mag das in vielen Fällen stimmen, denn dort sind die Geräte meist keinen harten Umweltbedingungen ausgesetzt und die Verbindung durch Lote genügt. Doch werden die Umwelteinflüsse rauer, etwa im Auto oder industriellen Umfeld, dann wirken Schock, Vibrationen, hohe Temperaturwechsel und Feuchtigkeit auf sie ein.
Hier zeigt es sich, dass die Umwelteinflüsse die starren Lötverbindungen schnell an ihre Grenzen bringen. Sie benötigen Verstärkung. Mit dem Wort »Reinforcement« wird dieser Anwendungsbereich deshalb bezeichnet. Genau dafür entwickelt Delo spezielle Klebstoffe.

Unter mechanischem Stress wie Biegebewegungen leiden die Bauelemente umso mehr, je größer sie sind. Besonders gilt das für die hochkomplexen ICs. Bei ihren Anschlüssen handelt es sich häufig um Ball-Grid-Arrays (BGAs): Kleine Lötkügelchen, die über die Unterseite des ICs verteilt sind, werden auf ihre dafür vorgesehenen Anschlusspads auf der Leiterplatte gelötet. Doch bei High-End-ICs mit Tausenden von Anschlüssen werden inzwischen die noch kleineren Copper-Pillars verwendet, deren Durchmesser nurmehr 15 µm und deren Abstand ebenfalls nur noch 15 µm beträgt. Für all diese ICs ist es wichtig, dass die Klebstoffe den mechanischen Stress, etwa Schockeinwirkung und Vibrationseinwirkungen, elastisch abpuffern und verteilen.

Wohin mit dem Klebstoff?

Eine Methode, über die das gelingt, ist der sogenannte Edge-Bond: Der Klebstoff wird um die Ränder des IC verteilt und verstärkt so die Ecken eines Packages, ohne unter das Bauteil zu fließen. Typischerweise erfolgt die Aushärtung im Reflow-Ofen. Da allerdings das gesamte Klebstoffvolumen »sichtbar« ist, kann auch UV-Licht zum Aushärten genutzt werden.

Lichthärtung funktioniert im Vergleich zu Warmhärtungsprozessen sehr schnell und ist kostengünstig. Hinzu kommt, dass sie bei Raumtemperatur stattfindet und damit den stressfreien Zustand in diesem Bereich definiert. Temperaturwechsel sind dadurch weniger anspruchsvoll für die Komponenten und Lotverbindungen. »Wo immer es möglich ist, setzen wir deshalb auf Klebstoffe, die sich mithilfe von UV-Licht aushärten lassen«, sagt Dr. Markus Schindler.

Doch es gibt Anforderungen, für die Edge-Bond nicht geeignet ist: Erstens nimmt der Klebstoff an den Kanten des Chips Platz weg, der beispielsweise in Smartphones gar nicht vorhanden ist. Zweitens ist es zwar die schnellste und kostengünstigste Reinforcement-Methode, aber auch die schwächste.

Schindler Markus
Dr. Markus Schindler, Senior Product Manager Advanced Packaging von Delo: »Wo immer es möglich ist, setzen wir auf Klebstoffe, die sich mithilfe von UV-Licht aushärten lassen.«  
© Delo

Muss die Verbindung noch mehr verstärkt werden, so wird mit der Cornerfill-Methode gearbeitet. Hier wird der Klebstoff ebenfalls am Rand des Chips dosiert, kriecht aber aufgrund der Kapillarwirkung an der Unterseite des Chips entlang und verteilt sich an den Ecken flächig zwischen den Lotkügelchen oder den Copper-Pillars. So stellt er eine gute Verbindung zwischen der Unterseite des Chips und der Leiterplatte her und verstärkt besonders die äußeren Lotverbindungen, die etwa durch Biegestress stärker belastet sind als Lote in der Mitte des IC. Weil der Klebstoff von den Ecken aus gesehen eine dreieckige Fläche bildet, nicht aber den gesamten Chip unterfließt, funktioniert das immer noch verhältnismäßig schnell. Ausgehärtet werden diese Klebstoffe mit Wärme.

Aushärten, aber richtig

Deckt der Klebstoff die gesamte Fläche unter dem Chip ab, so spricht man von Underfill. Hierbei unterfließt der Klebstoff das gesamte Bauteil, was oft einige Zeit in Anspruch nimmt. Weil auf der Unterseite des Chips nicht mit Licht ausgehärtet werden kann, muss auch hier mit Wärme gearbeitet werden. Das ist im Grunde weniger erwünscht, weil es gegenüber UV-Licht länger dauert und ein Nachteil in Sachen Nachhaltigkeit ist. Allerdings bleibt in diesem Fall nichts anderes übrig. Häufig ist es aber zusätzlich möglich, den Klebstoff gleich nach dem Dosiervorgang am Rand des Chips mittels UV-Licht zu fixieren, damit er nicht mehr ausfließen kann. Dazu wird ein sogenannter Dualbond-Klebstoff verwendet, der über einen doppelten Aushärtungsmechanismus aus Licht und Wärme verfügt.

Wenn es darum geht, elektronische Komponenten über Wärme auszuhärten, stellt sich die Frage, bei welcher Temperatur. Liegt der Temperaturbereich, dem das Bauteil ausgesetzt ist, zwischen –40 und +120 °C und es wird bei 120 °C gehärtet, dann läge auch der stressfreie Bereich bei 120 °C. Der größte Stress träte also bei –40 °C auf. Würde die Aushärtung im niedrigeren Temperaturbereich oder bei Zimmertemperatur stattfinden, dann reduziert sich der Stress am Bauteil bei einer Temperatur von –40 °C deutlich. Allerdings bedeutet eine niedrigere Aushärtungstemperatur wieder eine höhere Aushärtezeit. Es kommt darauf an, einen guten Mittelweg zu finden.

Generell bietet es sich auch für Underfill-Klebstoffe an, die Kanten nach dem Dosieren mittels Licht zu fixieren, weil der Klebstoff relativ dünnflüssig ist, um das Bauteil zu unterfließen, aber i. d. R. umliegende Komponenten nicht berühren soll.

Kleben wegen der Umgebungsbedingungen

»In der Automobilproduktion hat sich Underfill mittlerweile wegen der harschen Umgebungsbedingungen als Standardmetode etabliert. Zumal der Chip damit nicht nur sicherer auf der Leiterplatte sitzt, sondern auch die Kontakte vor Korrosion schützt. Für die Industrie gilt das teilweise auch schon. So setzen einige Hersteller von SSDs, die harten Umgebungsbedingungen ausgesetzt sind, ebenfalls darauf«, sagt Markus Schindler.

Insgesamt sieht er einen steigenden Bedarf nach Cornerfill-Klebstoffen. Weil auf der einen Seite die High-End-Chips immer größer werden, steigt der mechanische Stress an den Lotverbindungen durch Umwelteinflüsse wie Temperaturwechsel oder Biegen. Das verlangt nach einem Verstärken der Komponenten, um einen vorzeitigen Ausfall auszuschließen. Auf der anderen Seite werden die Anschlüsse immer kleiner, die Stabilität der Lötverbindungen wird geringer. Das führt laut Schindler dazu, dass die Zahl der Anfragen deutlich zunimmt.

Parallel dazu schrumpfen die Größe der herkömmlichen Bauelemente, immer mehr BGAs und Flip-Chip-Gehäuse werden für sie verwendet. »Plötzlich benötigen auch sie einen Underfill, immer mehr Anwender verspüren jetzt die Notwendigkeit, zusätzlich zu kleben, um die Zuverlässigkeit ihrer Baugruppen zu erhöhen«, so Schindler. Und noch etwas käme hinzu: Immer mehr Funktionen, die früher in reinen Consumer-Geräten wie Smartphones zum Einsatz kamen, sind nun auch in Geräten zu finden, wo sie raueren Umwelteinflüssen ausgesetzt sind, wie beispielsweise Bluetooth im Kühlschrank. »Mit Underfill ist das kein Problem.«

Alles aus einer Hand

Das zeigt sich auch am Ergebnis von Delo: Im vergangenen Geschäftsjahr ist der Umsatz um 12 Prozent auf 205 Mio. Euro gestiegen.

Eine Besonderheit ist, dass Delo nicht nur die Klebstoffe , sondern auch die Dosiergeräte entwickelt, die den Klebstoff meist berührungslos einschießen, wie Schindler erklärt: »Wir sind überzeugt, dass es sehr wichtig für das gute Endergebnis ist, die Dispenser und Klebstoffe jeweils abgestimmt aufeinander zu entwickeln.« Sogar die UV-Lampen für das Aushärten entwickelt und fertigt Delo selbst – sowohl Flächenlampen, die größere Bereiche homogen und mit derselben Intensität belichten, als auch Punkt- und Linienstrahler. Hohe Intensitäten sorgen dabei für ein Reduzieren der Aushärtezeit.

Die Aufzählung bisher hat gezeigt: Klebstoffe müssen eine Vielzahl teils sogar widersprüchlicher Eigenschaften aufweisen, um als Underfill, Cornerfill oder Edge-Bond zuverlässig für das Reinforcement zu sorgen – und das zu vertretbaren Kosten. Sie sollen sich gleichmäßig und schnell zwischen den winzigen Verbindungen unter dem Chip beziehungsweise an den Randbereichen verteilen und schnell aushärten, sodass der Prozess in der Fertigung rasch und damit kostengünstig geschehen kann. Sie sollten aber möglichst nicht neben dem Chip davonfließen, weshalb wie oben beschrieben häufig dualhärtende Klebstoffe eingesetzt werden, die sich über UV-Licht an den Chipkanten per Knopfdruck fixieren lassen, dass sie nicht in die falsche Richtung fließen und zusätzlich eine Barriere für den Rest bilden. Zudem müssen sie gut zu dem jeweiligen Dispenser passen.

Ohne hier noch tiefer ins Detail zu gehen: Die Klebstoffe müssen den jeweiligen Fertigungsbedingungen und den Umweltbedingungen, unter denen die Baugruppen später eingesetzt werden sollen, angepasst sein. Für fast jeden Einsatzfall müssen deshalb neue Mischungen entwickelt werden. »Wir verkaufen relativ wenige Standardprodukte, fast alle Klebstoffe sind kundenspezifisch angepasst«, erklärt Schindler.

Dazu greift Delo auf acht Basis-Chemien zurück, nicht nur, um die beschriebenen Reinforcement-Klebstoffe zu entwickeln, sondern auch Materialien für die übrigen drei Kategorien.

Hierzu gehören Vergussmassen, also Materialien zum Schutz bestimmter Bauelemente, die vom Klebstoff umhüllt werden, das Cap-Bonding bzw. Lid-Attach – hier werden bestimmte Bauelemente zusätzlich mit Schutzkappen versehen – sowie die sogenannten funktionalen Materialien. »Zu dieser Kategorie zählen wir alle Polymere, die weit über die klassische Klebeanwendung hinausgehen«, so Schindler.

Ein Beispiel dafür ist, den Brechungsindex der Polymere genau auf die Zielanwendung abzustimmen, was bei optischer Sensorik neue Möglichkeiten schafft. Ein ganz neuer Markt tut sich auf dem Gebiet der Augmented-Reality-Brillen auf. In einigen Brillen werden Nanostrukturen auf Basis der Polymere auf den Brillengläsern erzeugt. Sie lenken das Licht, über das die virtuellen Bilder erzeugt werden, in das Auge des Betrachters. Er kann dann zusätzliche Informationen sehen, die dem realen Bild, das er durch die Brille sieht, überlagert sind. Werden keine virtuellen Bilder eingekoppelt, sieht er wie durch eine gewöhnliche Brille und nimmt die optischen Strukturen gar nicht wahr. Auch wer den Brillenträger anschaut, kann sie nicht erkennen und ihm während des Gespräches in die Augen schauen, wie bei einer gewöhnlichen Brille.

»Was ich als einen unserer entscheidenden Differenzierungsfaktoren ansehe, ist, dass wir die gesamte Fertigungskette unserer Kunden in unseren Laboren abbilden können«, sagt Schindler. So baue sich Delo selbst Test-Vehikel. »Wir löten BGAs auf die Leiterplatte und testen dann den Klebstoff sehr nah an den realen Bedingungen. Wir sind damit näher an den Kunden, als wenn wir lediglich ein technisches Datenblatt mit den Kennwerten liefern würden. Die Voraussetzungen dazu hat sich Delo über die Jahre aufgebaut: »Wir können beispielsweise Leiterpatten designen und während der Belastung elektrisch testen. Das kann bei Weitem nicht jeder Hersteller von Polymeren.«

Einen weiteren wichtigen Differenzierungsfaktor sieht er im UV-Härten. »Mit Temperatur sollte man immer nur dort arbeiten, wo es unbedingt nötig ist. Mit UV-Licht zu härten funktioniert schneller und sauberer.«

Deshalb entwickelt Delo sogar eigene UV-Lampen. So lassen sich alle Parameter optimal auf den Klebstoff einstellen. Und auch hier sei die enge Zusammenarbeit mit den Kunden von Beginn der Entwicklung der Schlüssel.

Damit Delo nicht nur die fortwährend neuen Klebstoffe und funktionalen Polymere sowie Lampen und Dosiergeräte entwickeln, sondern auch umfangreiche eigene Tests in den Laboren durchführen kann, liegt der F+E-Anteil mit 15 Prozent des jährlichen Jahresumsatzes vergleichsweise sehr hoch. Die Forschung führt Delo in den großzügig angelegten Laboren am Hauptsitz in Windach bei Landsberg/Lech durch.

Auch wenn Delo in Asien im vergangenen Geschäftsjahr 48 Prozent des Umsatzes erwirtschaftete und in Amerika 18 Prozent, soll das auf jeden Fall so bleiben. Denn in Europa werden immerhin 34 Prozent des Umsatzes erwirtschaftet, vor allem handelte es sich aber um einen sehr attraktiven Standort mit allen Voraussetzungen, die Entwicklungen vorantreiben zu können, um dann Europa und den Rest der Welt mit den Klebstoffen aus Windach zu beliefern. 

Delo, Halle B2, Stand 467


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