Wie die neu entwickelte Bestückplattform »SIPLACE V« mit dem großformatigen Lotpastendrucker »DEK TQ XL« und dem hybriden Bestückautomaten »SIPLACE CA2« zusammenarbeiten, um die Produktivität deutlich zu erhöhen, zeigt ASMPT auf der productronica 2025.
Markt&Technik sprach mit Thomas Bliem, VP R&D von ASMPT SMT Solutions, über die neuen Möglichkeiten, die sich der Elektronikfertigung damit öffnen.
Markt&Technik: Auf der productronica 2025 stellt ASMPT die neu entwickelte Bestückplattform »SIPLACE V«, den großformatigen Lotpastendrucker »DEK TQ XL« und den hybriden Bestückautomaten »SIPLACE CA2« vor und will damit eine neue Ära in der Produktionstechnik einleiten. Was genau ist damit gemeint?
Thomas Bliem: Wir wollen der Elektronikfertigung den entscheidenden Schub verleihen – nicht nur bei Performance, sondern ebenso bei Qualität, Flexibilität und Zukunftssicherheit. In Zeiten rasanter technologischer Veränderungen und steigender Anforderungen bedeutet das für unsere Kunden ganz konkret: Sie können schneller auf Marktanforderungen reagieren, ihre Fertigung stabiler und nachhaltiger gestalten und sich frühzeitig Wettbewerbsvorteile in den Schlüsselmärkten der Zukunft sichern. All das drücken wir kurz in unserem productronica-Motto aus: »We boost your Factory«.
Können Sie das mit Zahlen vorstellbar machen?
Bei den ersten beiden Maschinen unserer neuen Bestückplattform, der »SIPLACE V«, die jetzt vorgestellt werden, bedeutet das konkret: bis zu 30 Prozent mehr »Real Performance« in der Automobil- sowie in der IT- und Netzinfrastruktur und rund 15 Prozent höheren Durchsatz bei Consumerprodukten und Smartphones. Unsere Kunden können somit mehr bestückte Leiterplatten in kürzerer Zeit fertigen, die Auslastung ihrer Linien erhöhen und zugleich die Stückkosten senken – und das alles ohne zusätzlichen Platzbedarf. Gerade in Fertigungsumgebungen mit hohen Flächen- und Betriebskosten ist dieser reale Produktivitätsschub ein klarer Wettbewerbsvorteil.
Wie haben Sie diese Leistungssteigerungen erreicht?
Wir haben die »SIPLACE V«-Plattform von Grund auf neu entwickelt und leiten damit eine neue Ära in der SMT-Fertigungstechnik ein. Der Rahmen ist nun wesentlich verwindungssteifer, was deutlich höhere Beschleunigungen der Hauptachsen erlaubt. Zudem haben wir die Verfahrwege verkürzt und optimiert – ein entscheidender Faktor, denn ein Bestückkopf legt pro Schicht enorme Distanzen zurück, da zählt jeder Zentimeter. Einen maßgeblichen Anteil am »V-Boost« haben auch unsere komplett überarbeiteten Bestückköpfe, die sowohl höhere Geschwindigkeiten als auch mehr Präzision ermöglichen und damit entscheidend zur gesteigerten Performance beitragen.
Können Sie konkrete Zahlen dazu nennen?
Thomas Bliem: Unser Collect-and-Place-Kopf »SIPLACE CP20« platziert bis zu 52.500 Bauelemente pro Stunde – und das bei einer nochmals gesteigerten Genauigkeit von 25 µm @ 3σ. Der »SIPLACE CPP« kann softwaregesteuert zwischen Collect-and-Place-, Pick-and-Place- und Mixed-Modus wechseln und erreicht dabei bis zu 28.000 Bauelemente pro Stunde, bei Bestückkräften von bis zu 15 N. Und schließlich der Pick-and-Place-Zwillingskopf »SIPLACE VHF«: Er verarbeitet OSCs bis zu einer Größe von 200 mm × 150 mm × 28 mm, passt die Verfahrgeschwindigkeit automatisch an und erzielt eine Bestückgeschwindigkeit von bis zu 6.000 Bauelementen pro Stunde. Die Bezeichnung VHF steht für Very High Force – damit meinen wir: Bestückkräfte bis 100 N.
Sie sprechen gern von »Real Performance«. Was ist darunter zu verstehen?
Viele Hersteller geben die Leistung ihrer Maschinen mit Ergebnissen aus Standard-Benchmarks an, die aber oft nicht sehr aussagekräftig sind. Das gilt besonders für High-Mix-Low-Volume-Fertigungen. Wir aber haben unsere Performance gezielt auf solche anspruchsvollen Bedingungen ausgelegt. Denn im Praxisbetrieb zählt eben nur die Real Performance: Während andere Systeme hier spürbar an Grenzen stoßen, hält unsere neue »SIPLACE V«-Plattform das Leistungsniveau konstant hoch. Zugleich überzeugt sie mit einer Floorspace-Performance von nur 2,4 m × 1,1 m Stellfläche. Die deutlich schlankere »Tray Unit V« trägt zusätzlich zum kompakten Footprint bei. Gleichzeitig bietet unsere neue Plattform die maximale Flexibilität, die Highspeed-Fertiger heute erwarten.
Was verstehen Sie genau unter »maximaler Flexibilität«?
Ein Beispiel ist die neue universelle Kopfschnittstelle, die einen Wechsel sogar im laufenden Betrieb ermöglicht. Hinzu kommt der modulare Aufbau der »SIPLACE V«-Plattform: Sie ist als Ein- oder Zweiportal-Version verfügbar und lässt sich optional zum Beispiel mit einem 3D-Koplan-Modul oder zusätzlichen Kameras erweitern. Zudem kann jeder SIPLACE V Bestückautomat mit zwei Flächenmagazinwechslern ausgestattet werden, die sich flexibel auch mit Tray-Kassetten bestücken lassen. Beim Transportsystem hat der Kunde die Wahl zwischen Einfach- und Doppeltransport. Im Doppelmodus können entweder zwei Leiterplatten im Format 400 mm × 280 mm parallel verarbeitet oder ein großes Board bis 700 mm × 530 mm bearbeitet werden. Hinzu kommt die deutlich gesteigerte Feeder-Kapazität: Bis zu 45 8-mm-Förderer finden nun in der »SIPLACE V«-Plattform Platz – unabhängig von den benötigten Optionen.
Welche Optionen zum Beispiel?
Zum Beispiel unser Smart-Pin-Support. Die »SIPLACE V« benötigt dafür keinen separaten Pin Picker mehr: Die Unterstützungspins werden direkt vom Bestückkopf gesetzt und anschließend automatisch auf die korrekte Höhe geprüft.
Was bietet die »SIPLACE V« Plattform hinsichtlich Tracing und Bestückqualität?
Ein anschauliches Beispiel liefert die Automobilindustrie: Sie fordert die lückenlose Nachverfolgung sämtlicher verarbeiteter Bauelemente – vom Gebinde bis zum fertigen Produkt. Genau das gewährleisten wir. Darüber hinaus sind wir die Einzigen am Markt, die individuell ansteuerbare Drehantriebe an jedem einzelnen Pipettensegment für eine hochpräzise Winkelausrichtung anbieten. Ergänzend sorgt unsere Closed-Loop-Sensortechnik dafür, dass Bauelementhöhe und Leiterplattenprofil kontinuierlich in Echtzeit erfasst werden. So kann die Bestückkraft optimal angepasst und höchste Präzision gewährleistet werden.
Aber nicht jeder Fertiger will gleich in eine völlig neue Linie investieren.
Das ist auch nicht nötig. Die »SIPLACE V«-Plattform ist – abgesehen von den Bestückköpfen – vollständig abwärtskompatibel. Vorhandene Feeder und hochauflösende Kameras lassen sich problemlos weiterverwenden. Gleichzeitig integriert sich die Plattform nahtlos in die Softwarewelt von ASMPT: von der Maschinensoftware über die Anwendungen der »WORKS«-Software-Suite bis hin zu unseren Factory Solutions. So kann jeder Fertiger seine Linie Schritt für Schritt modernisieren – im eigenen Tempo, mit kalkulierbaren Investitionen und ohne Bruch in bestehenden Prozessen.
Der Markt und die Anforderungen ändern sich in der Bestückung derzeit sehr schnell. Wie lässt sich die neue Plattform an kommende Anforderungen anpassen?
In jedem Fall. Wer sich heute für die »SIPLACE V«-Plattform entscheidet, legt damit auch eine Basis für künftige Innovationen. Die Maschine bietet starke Leistungsreserven für kommende Bestückkopfgenerationen, die Maschinenarchitektur ist bereits auf weitere Automatisierungsschritte vorbereitet, und das Design ist von Anfang an Ready for KI. Durch den in sämtlichen Bereichen der Maschine erreichten Sprung auf den Industriestandard Gbit-Ethernet können wir in der M2M-Kommunikation sehr große Datenmengen bewältigen. Das bedeutet: mehr Echtzeitdaten, mit mehreren Gigabit pro Sekunde, von der Pipettenspitze zum Kundenserver und damit beste Voraussetzungen, die intelligent vernetzte Fertigung optimal zu nutzen. Damit investieren unsere Kunden nicht nur in eine Maschine, sondern in die Zukunft ihrer gesamten Produktion.
Gibt es solch einen Booster auch beim Lotpastendruck?
Den gibt es – mit unserer »DEK TQ«-Plattform. Sie deckt nun mit drei Modellvarianten alle Fertigungssituationen ab. Dazu gehören der vielfach bewährte »DEK TQ« für Hochvolumen, der »DEK TQ L«, ein Allrounder für höhere Flexibilität sowohl in der High-Mix- als auch in der High-Volume-Fertigung, und jetzt neu, der »DEK TQ XL« für sehr große Leiterplatten bis 850 mm × 610 mm und 8 mm Dicke, bei bis zu 4 mm Verwindung. Solche Formate sind zum Beispiel in High-End-Servern oder in KI-Anwendungen gefragt.
Können Sie bei solchen Formaten noch eine ausreichende Nassdruckgenauigkeit und Performance gewährleisten?
Mehr als das. Mit einer Nassdruckgenauigkeit von ± 20 µm @ 2,0 cpk setzt der »DEK TQ XL« neue Maßstäbe in seiner Klasse – momentan sind wir damit konkurrenzlos am Markt. Präzision und Prozessstabilität sind gerade bei diesen großformatigen und hochkomplexen Leiterplatten entscheidend, da sie entsprechend wertvoll sind und bereits geringe Ausschussraten spürbare Auswirkungen hätten. Der Kernzyklus dauert lediglich 12 Sekunden, der gesamte Bearbeitungszyklus ist nach 22,4 Sekunden abgeschlossen. Damit beweist unser Großformatdrucker, dass er auch in der Highspeed-Welt voll mithalten kann.
Bremsfaktor für die Performance ist ja bei vielen Lotpastendruckern die Schablonenreinigung. Wie sieht das bei den DEK-TQ-Druckern aus?
Von Bremsfaktor kann hier nicht die Rede sein. Das effiziente Hochgeschwindigkeits-Unterseitenreinigungssystem der »DEK TQ«-Drucker, mit unabhängigen Linearantrieben, verkürzt die Reinigungsvorgänge im Vergleich zu herkömmlichen Lösungen um bis zu 50 Prozent. Je nach Anforderung läuft die Maschine damit mehr als acht Stunden ohne Bedienereingriff – also eine komplette Schicht. Möglich machen das eine 22-Meter-Vliesrolle und ein 7-Liter-Reinigungsmitteltank. Das Reinigungsmittel wird im Top-down-Verfahren gezielt nur im Bereich der Leiterplatte aufgetragen, wodurch der Verbrauch erheblich sinkt. Und dank unseres Pivot-Designs entsteht ein optimaler koplanarer Kontakt mit der Schablonenunterseite – für maximale Reinigungsqualität bei gleichzeitig reduziertem Ressourceneinsatz.
Ist der »DEK TQ XL« denn auch so gut vernetzt wie die Bestückautomaten?
Absolut. Alle Lotpastendrucker der »DEK TQ«-Reihe verfügen – wie unsere Bestücker – über die standardisierte IPC-HERMES-9852-Schnittstelle. So werden linienübergreifende, intelligente Funktionen möglich, darunter der Automated Program Change: Über Barcode oder IPC-HERMES-Daten erkennt die Maschine automatisch einen Loswechsel und lädt selbstständig das passende Fertigungsprogramm. Die Leiterplatte trägt ihre Informationen dabei wie einen digitalen Reisepass von Station zu Station – und jede Maschine passt Transport und Programmierung ohne Operator-Eingriff an. Ein weiteres gutes Beispiel ist die Kombination eines SPI-Systems mit unserer WORKS Optimization Applikation. Sie fungiert als Inline-Expertensystem und optimiert den Druckprozess in einem geschlossenen Regelkreis vollautomatisch.
Mit der Europa-Premiere der »SIPLACE CA2« rücken Sie auch das Thema Advanced Packaging in den Fokus. Welche Bedeutung hat dieser Bereich für ASMPT SMT Solutions?
Eine sehr große. Der Trend geht klar zu System-in-Package-Modulen, die sowohl Dies als auch konventionelle SMDs in einem Gehäuse vereinen. Solche Module finden sich heute in nahezu allen Bereichen, in denen Innovation kompakt, leistungsstark und kosteneffizient umgesetzt werden muss – von 5G-Kommunikation über Wearables und AR-/VR-Brillen bis hin zu IoT-Gateways, Fahrerassistenzsystemen oder sogar implantierbarer Medizintechnik. Genau für diese Bauelemente haben wir die »SIPLACE CA2« entwickelt, die aktuell auf enorme Nachfrage stößt. Dieser hybride Bestückautomat verarbeitet sowohl gegurtete SMDs als auch Dies direkt vom gesägten Wafer
Die-Handling ist ja eigentlich eine klassische Backend-Technologie und nicht gerade für ihre hohe Verarbeitungsgeschwindigkeit bekannt. Kann denn die »SIPLACE CA2« entsprechende Stückzahlen liefern, um den Bedarf der Branche zu decken?
Genau das ist der Unterschied: Die »SIPLACE CA2« bringt die Präzision der Backend-Welt in den Takt der SMT-Fertigung. Sie platziert bis zu 54.000 Dies direkt vom gesägten Wafer und 76.000 SMDs vom Gurt pro Stunde – und erreicht dabei eine Bestückgenauigkeit von ± 10 µm bei einer Prozessstabilität von 3σ. Anders gesagt: Bereits rund 68 Prozent aller Platzierungen liegen innerhalb von nur ± 3,3 µm (1σ). Genauigkeitswerte, die bislang ausschließlich aus der Halbleiterfertigung bekannt waren, sind damit nun auch in der Hochgeschwindigkeitsproduktion der Elektronikfertigung verfügbar. Den hohen Durchsatz erreichen wir, weil wir die Die-Ablösung konsequent vom Bestückprozess entkoppelt haben – mit Hilfe eines Pufferspeichers, der beide Schritte parallelisiert. Ebenso wichtig ist die Flexibilität: Über ein automatisches Wechselsystem lassen sich bis zu 50 verschiedene Wafer verarbeiten, ein Waferwechsel dauert nur 13 Sekunden.
Das Die-Taping, ein Arbeitsgang, der bisher erforderlich war, fällt damit weg?
Ja, das Die-Taping wird überflüssig. Damit lassen sich in einer Hochvolumenlinie mehrere Millionen Euro pro Jahr und bis zu 800 Kilometer Gurtabfall vermeiden. Ein weiterer entscheidender Vorteil des hybriden Bestückautomaten ist das lückenlose Tracing, auch bei komplexen Multi-Die-Applikationen. Hinzu kommen klare Kosten- und Umweltaspekte: Mit der »SIPLACE CA2« müssen keine separaten Die-Bonder außerhalb der Linie betrieben werden, weil sich dieser bislang ausgelagerte Prozess nahtlos in einen klassischen SMT-Linienaufbau integrieren lässt. Das spart Platz, Wege und Energie. All das macht die »SIPLACE CA2« zu einem System, das technologische Innovation mit handfesten wirtschaftlichen und ökologischen Vorteilen verbindet – und damit für viele Fertiger besonders interessant ist.