Kontron greift am EMS/ODM Markt an

»Wir möchten unter die Top 10 in Europa«

25. März 2021, 15:49 Uhr | Karin Zühlke
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"...uns ist der Mittelständler genauso wichtig wie der Großkunde."

Was sind Ihre Wunschkunden?

Gimple: Den Wunschkunden per se gibt es bei uns nicht. Das, was ein Dienstleister abbildet, bedeutet, dass man sich ein Stück weit auf den Kunden einlassen muss. Es ergibt sich schlussendlich aus der Größe, dass wir nicht mehr die 20.000-Euro-Kunden suchen. Aber uns ist der mittelständische Kunde genauso wichtig wie der Großkunde.
Wir wollen die Bodenhaftung nicht verlieren und jeden Kunden in der Bedeutung gleich sehen und nicht nur die großen Kunden am Markt suchen. Ziesetzung für uns ist, sich in den Wachstumssegmenten der Zukunft zu etablieren, um an dem, was sich künftig an Trends ergibt, zu partizipieren. Dabei ist unser Ziel ganz bewusst, mittelständische Kunden zu bedienen. Ihnen wollen wir mit unserer technologischen Expertise helfen, ihr Produkt zur Serienreife zu bringen, von der Kostensituation her optimal zu entwickeln und zu produzieren. Wir stellen auch fest, dass die Kunden – sicher auch durch die Pandemie getrieben – zunehmend die regionale Nähe suchen. Durch die Standorte in West- und Osteuropa haben wir unterschiedliche Kostenstrukturen, die wir zum Kundennutzen einsetzen können –bis hin zur standortübergreifenden Redundanz, wenn es je Betriebsausfälle gäbe.

Wußmann: Im Bereich Entwicklung haben wir natürlich unsere Schwerpunkte. Wir fühlen uns sehr zu Hause bei Applikationen im Maschinenbau, Automation, Transportation, Gebäudetechnik, Elektromobilität, Gateways, IoT Devices und in der Medizintechnik. Aus dem Automobil- und Avionik-Segment halten wir uns eher raus. Avionik gibt es im Konzern, aber nicht im ODM/EMS-Verbund.
Unser Unternehmen gewinnt an Resilienz, genau weil wir ein breites Kundenportfolio haben. Das heißt: Nicht jede schlechte Nachricht eines Kunden wirft uns aus der Bahn, etwa in der Corona-Krise oder 2009 während der Finanzkrise. Unsere Struktur ist sehr gesund, und das wollen wir uns auch erhalten.

Asien fehlt bisher noch im Footprint. Was ist in diese Richtung angedacht?

Gimple: Wir haben seit Längerem eine Kooperation mit der Firma Ennoconn, einer Tochter der Firma Foxconn, dem größten EMS-Anbieter weltweit. Durch diese Kooperation haben wir als Kontron die Möglichkeit, über Asien auch sehr preissensitive Produkte bei größeren Volumen anzubieten. Alles, was wir als Kontron aus eigener Kraft bieten, wird also ergänzt durch die Kooperation mit Ennoconn, und das nicht nur bei EMS, sondern auch im R&D-Bereich.

Welche besonderen Fertigungstechnologien können Sie in die Waagschale werfen?

Gimple: Am Standort Österreich haben wir z.B. aus der Historie eine sehr große Medizintechnik-Expertise. Wir differenzieren uns in erster Linie über Kompetenz und nicht über den Maschinenpark.

Wußmann: Man muss sich vielmehr in den Kunden vertiefen und ihn verstehen. Die Kunden haben sehr unterschiedliche Anforderungen, Logistikmodelle etc. Bei 100 Kunden haben wir 101 Logistikmodelle, die wir in der Lage sind abzubilden. Dieses Eingehen auf den Kunden ist am Ende entscheidend für die Kundenbindung. Wir sind am Standort Großbettlingen 25 Jahre alt und haben Kunden, die bereits 25 Jahre bei uns sind. Wir begleiten Kunden über mehrere Generationen ihrer Produkte. Das ist an allen unseren Standorten so. Wenn ich mich nur im Haifischbecken des sehr vergleichbaren Produzierens bewege, dann ist man schnell im roten Ozean, um beim Bild zu bleiben. Wir wollen uns mit unserem Leistungsportfolio im blauen Ozean bewegen.

Wie sind Sie bislang durch die Corona-Krise gekommen?

Gimple: Wir haben das Corona-Jahr 2020 ganz gut hinter uns gebracht. Der hohe Branchenmix hat dazu geführt, dass wir die eine oder andere Delle kompensieren konnten. Im Industriesegment waren die Einbrüche ausgeprägter als in der Medizintechnik. Wir sind entgegen den Bedenken, die noch letzten Sommer da waren, recht optimistisch in Bezug auf dieses Jahr. Wir haben trotz der Corona-Krise mit Blick in die Zukunft viel in unsere Standorte in Ungarn und Österreich investiert, und unseren neuen Standort in Tab/Ungarn haben wir termingerecht Ende 2020 bezogen.

Wußmann: Wir haben allen Grund zur Zuversicht, denn wir haben ein schönes Potenzial an Projekten in der Pipeline. Die Situation zur Bauteileverfügbarkeit stimmt aktuell allerdings weniger zuversichtlich.

Gimple: Die Anschreiben, die wir dieser Tage bekommen, zeigen eine relativ düstere Prognose. Manche sprechen von einer Liefersituation, wie wir sie noch nie hatten. Es gibt deutliche Signale für die Verknappung von Bauteilen. Dementsprechend rechnen wir damit, dass das im ersten Halbjahr einen nicht unerheblichen Einfluss auf unser Geschäft haben kann. Wie sehr das zutrifft, ist im Moment schwierig einzuschätzen. Es wird ein problematisches Jahr, weil der Bedarf stark aus Asien getrieben wird. Wenn die wirtschaftliche Erholung in Europa sich schneller fortsetzt, als wir das im Moment sehen, wäre es ziemlich strapaziös dieses Jahr, die Kundenbedarfe zu bedienen.

Sind die Lieferprobleme der Automobilbauer übertragbar auf die Industrie?

Wußmann: Die Prozessoren, die im Automobil eingesetzt werden, setzen wir genauso ein. Wir müssen uns darüber im Klaren sein: Solange bei den Automobilisten die Bänder stillstehen, werden wir weniger Zuteilung bekommen.

Gimple: Zur Sicherstellung unserer Lieferverpflichtungen hilft uns das weltumspannende Lieferantennetzwerk innerhalb des Kontron-Konzerns.

Welche Rolle spielt da nach Ihrer Ansicht die Channel-Konsolidierung in der Halbleiterindustrie?

Gimple: Die Distributionslandschaft hat sich immer weiter verschoben und die Herstellerkonsolidierung war sehr ausgeprägt über die letzten Jahre. Das hat in Summe dazu geführt, dass es weniger Vertriebskanäle gibt und es gerade in Phasen wie jetzt immer schwieriger wird, kurzfristige Marktbedarfe zu bedienen. Hier hilft uns als Kontron der direkte Zugang zu den Herstellern. Mit großer Sorge sehen wir aktuell auch die Situation, dass gefühlt immer mehr Halbleiterhersteller bei TSMC produzieren, was zu einem Nadelöhr führt.


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