Fusion von Kontron und Katek

»Kein bloody Merger«

5. Februar 2024, 12:51 Uhr | Karin Zühlke
Rainer Koppitz, Katek: „Wir glauben beide, dass die Elektronikindustrie in Europa noch unterentwickelt ist, und wir sind der Ansicht, dass, wenn ein EMS einfach nur einen anderen EMS übernimmt, ist und bleibt er am Ende des Tages nur ein EMS.«
© Katek

»Das ist kein bloody Merger, sondern ein Synergie-Merger.« Mit diesen Worten kommentiert Kontrons CEO Hannes Niederhauser die am 18. Januar bekannt gegebene Übernahme von Katek. Danach wird Kontron Mehrheitsaktionär von Katek und Niederhauser CEO des Gesamt-Unternehmens.

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»Diese Transaktion ist für alle Stakeholder, Kunden, Aktionäre und Mitarbeiter eine Win-Win-Win-Situation«, so Niederhauser weiter. Arbeitsplätze sollen demnach bei der Übernahme seitens Katek nicht verloren gehen, mit einer prominenten Ausnahme: Rainer Koppitz, CEO von Katek, wird das Unternehmen mit Ablauf des Februar verlassen – und das ausdrücklich in bestem Einvernehmen, betont Koppitz, der die Fusion selbst maßgeblich mitgestaltet hat, wie er gegenüber Markt&Technik unterstreicht. Aus regulatorischen Gründen war nur ein sehr kleiner Kreis in die Übernahme-Gespräche involviert. Auch Kunden und Lieferanten erfuhren erst durch die Investor-Relations-Mitteilung am 18. Januar von dem Deal. Noch steht dieser unter Vorbehalt der Zustimmung der Kartellbehörden. Das Closing wird für Anfang März erwartet.

Die Übernahme kam zwar für Außenstehende überraschend, aber nicht von ungefähr: Beide Firmen arbeiten bereits seit vielen Jahren zusammen. Kontron ist einer der größten Kunden von Katek, und das verteilt auf mehrere Kontinente. »Wir haben immer wieder überlegt, wie wir noch intensiver zusammenarbeiten könnten, um gemeinsam mehr Power auf die Straße zu bringen«, schildert Koppitz. So sei die Idee langsam gereift. Gerüchte, wonach der bisherige Hauptaktionär Primepulse ausschlaggebend für die Fusion war, dementierte Koppitz. Im Gegenteil: Der bisherige Hauptinvestor hegte Koppitz zufolge keine Absichten, seine Katek-Aktien kurzfristig zu veräußern und musste erst überzeugt werden.

Einig sind sich beide CEOs auch bei der Feststellung, dass mit dem neuen Unternehmen ein »einmaliges Gebilde« und eine Größe in der europäischen Elektronikindustrie entsteht, die das Zeug hat, diese maßgeblich zu verändern.

»Einmaliges Gebilde«

Kateks Erfolgsgeschichte der letzten Jahre sucht seinesgleichen: Der EMS aus dem oberbayrischen Grassau ist innerhalb kurzer Zeit von einer lokalen Firma zu einem globalen Unternehmen aufgestiegen. »Wir haben die Krisen der letzten Jahre genutzt und es geschafft, durch unser Supply-Management unsere Marktanteile massiv auszuweiten, weil wir lieferfähig waren, wo andere es nicht waren«, so Koppitz. »Jetzt wollen wir die Größenvorteile systematisch in Profit und Cash umstellen, ohne das Wachstum einzustellen.«

Mithilfe von Katek dürfte die neue Kontron auf ein stattliches Umsatzvolumen von 1,9 Milliarden Euro wachsen. Katek steuert dazu etwa 40 Prozent bei. Die Zahl der Mitarbeiter von Kontron steigt laut Niederhauser von 4700 auf 8000.

Und was bringt die Kontron, die EMS, ODM und OEM unter einem Dach vereint, für die europäische Elektronikindustrie? Gewohnt deutlich antwortet Koppitz: »Wir glauben beide (Anm. der Redaktion: Hannes Niederhauser und Rainer Koppitz), dass die Elektronikindustrie in Europa noch unterentwickelt ist, und wir sind der Ansicht, dass, wenn ein EMS einfach nur einen anderen EMS übernimmt, ist und bleibt er am Ende des Tages nur ein EMS. Was die Kunden aber brauchen, ist viel mehr als ein klassischer EMS.« Und Koppitz weiß, wovon er spricht. Schließlich zählt das »Who is Who« der europäischen Industrie zu Kateks Kunden, darunter Porsche, Viessmann und Bosch. In der Diskussion mit großen Kunden habe sich immer wieder herausgestellt, so Koppitz, dass es diesen nicht an klassischen EMS-Dienstleistern mangelt, sondern an Ressourcen, die Baugruppen und Module mit den Kunden entwickeln.

»EMS wird zum Commodity«

»Die Tage der klassischen EMS-Industrie sind hingegen gezählt«, meint Koppitz. Sie rutsche in der Nahrungskette immer weiter nach unten und werde zum Commodity.

Katek ist einerseits selbst bereits stark im Entwicklungssegment unterwegs gewesen, zum anderen als ODM auch mit eigenen Produkten am Markt, wie der Whitelabel-Wallbox GhostOne. Gemeinsam mit Kontron und seinen 3000 Ingenieuren eröffnen sich für Katek neue Möglichkeiten, die laut Koppitz keinen Strategiewandel bei Katek erfordern, sondern Katek vielmehr die Chance geben, seine Strategie konsequent umzusetzen.

Die neue Struktur

Die neue Kontron soll aus zehn Divisions in drei Segmenten bestehen: Europe, Global, Software & Solutions. Durch die Übernahme will Kontron unter anderem mit den Katek-eigenen Produkten wie GhostOne sein Greentec-Portfolio stärken. Die zu diesem Zweck neu gegründete Division GreenTec wird in Kontrons Software&Solutions-Segment integriert. Kümmern soll sich die neue Einheit um intelligente Lösungen für regenerative Energien und andere Branchen. Dazu will man die Produkte der Katek mit Software-Kompetenz und IoT-Konnektivität von Kontron aufrüsten. Hannes Niederhauser beschreibt das als »Upgrading«. Dieses Upgrading soll sich auch monetär auswirken: Mittelfristig erwartet Kontron dadurch eine Verbesserung der Gross-Margin bei Katek von etwa 5 Prozent. Auf Basis des Kontron-Betriebssytems K-OS werden die Katek-Produkte sicherer, sie erhalten Firewall-Funktionalität, können zu komplexen Grids verbunden und auch remote gewartet werden.

Ein wesentlicher Teil von Kateks EMS-Geschäft soll in die neu gegründete Electronics-Division einfließen und voraussichtlich das Branding »Katek« weiterführen. »Diese Einheit wird sehr viel stärker mit Elektronik- und EMS-Kunden darüber sprechen, wie man gemeinsam die Elektronik-Baugruppen der Zukunft entwickeln kann. Damit rutscht man aus der Commodity-Ecke und ist viel mehr ein Partner der Industrie auf Augenhöhe«, erläutert Koppitz. Dadurch, so Koppitz, lasse sich auch mehr Marge erzielen, im Gegensatz zum klassischen EMS-Commodity-Geschäft, das nur niedrige Margen zulässt.

Die Frage, ob Katek nicht Gefahr laufe, durch die Übernahme filetiert zu werden, verneint Koppitz. »Es gibt für alle Katek-Bereiche einen logischen Heimathafen in den Divisionen von Kontron.« So werde etwa das Startup Aisler, ein Katek-Investment, Teil von Kontrons Software&Solutions-Division und Katek Mauerstetten, in dem bisher zum Großteil Aufträge des bisherigen Kunden Kontron gefertigt wurden, Teil der Kontron Europe und wohl das Stammwerk von Kontron Europe. Die im November 2022 von Katek erworbene Nextek, die im Aerospace&Defense-Feld agiert, schlüpft in der Kontron-Division Defense & Aerospace unter. »In einigen Bereichen machen wir mit Katek die bisherigen Einheiten der Kontron stärker, und dazu gibt es die Divisionen wie GreenTec, die im Wesentlichen auf Katek basieren«, fasst Koppitz zusammen.

Das kleine bisherige Kontron-eigene EMS-Geschäft soll mit dem von Katek kombiniert werden und »gemeinsam mit diesem wachsen«, erklärt Niederhauser auf Nachfrage von Markt&Technik.

Überdies ist er guter Dinge, dass man den Kunden das neue Unternehmenskonstrukt plausibel machen kann: »Den Mix aus Hersteller und EMS kann man den Kunden sehr wohl verargumentieren, weil wir bei den Kernkunden nicht Wettbewerber sind«, schließt Niederhauser.


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