Europaweit sehen sich die Hersteller von Kabeln und Leitungen mit Problemen in der Lieferkette konfrontiert, wie der ZVEI berichtet. Schwierigkeiten gäbe es vor allem bei der Beschaffung von PVC.
Update am 8.03.2021: Haben die Schwierigkeiten rund um die PVC-Versorgung auch Auwirkungen auf den Bereich Automatisierung?
Welche Auswirkungen haben die PVC-Engpässe auf den Industrie- und Automatisierungssektor? Markt&Technik hat nachgefragt bei Georg Stawowy, Vorstand für Innovation und Technik, ob Lapp von Engpässen bei diesem Rohmaterial betroffen ist.
Lapp ist im Bereich der Kabel führendes Unternehmen für die industrielle Verbindungstechnik.
Georg Stawowy, Lapp: »Wir kennen die Thematik und auch die Hintergründe, aktuell hat das Thema bei Lapp aber keine Auswirkungen. Wir haben frühzeitig diesbezüglich einen globalen PVC-Vertrag abgeschlossen. Darin verpflichtet sich unser Partnerlieferant, dass wir das benötigte PVC auch dann noch bekommen, wenn es aus einer Fabrik in Asien oder USA kommen müsste.
Wir beobachten die Situation sehr genau: Höhere Gewalt hat auch in Texas, USA, eine Rolle gespielt, wo Inhaltsstoffe für die PVC-Produktion hergestellt werden und der Frost die Produktion behindert hat. Sollte das weiter durchschlagen, könnten auch bei uns Engpässe entstehen. Die Folgen von solchen Ereignissen auf die gesamte Lieferkette sind manchmal schwer zu prognostizieren. Aber wir sind aufgrund unserer stabilen Lieferantenstruktur optimistisch.
Generell ist festzustellen, dass die Rohstoffkosten stark gestiegen sind, nicht nur beim PVC. Damit steigen auch unsere Herstellungskosten beträchtlich.«
Meldung vom ZVEI, Stand 19.02.2021
PVC wird von der deutschen und europäischen Kabelindustrie als Isolier- und Mantelmaterial verwendet. Bei der PCV-Versorgung gibt es aktuell zwei ungünstige Entwicklungen, die zusammenkommen:
Erstens ist PVC auf dem europäischen Markt nur stark eingeschränkt verfügbar. Zum Ende des vergangenen Jahres kam es bei mehreren europäischen PVC-Herstellern neben geplanten Abschaltungen zu zahlreichen sogenannten „Force Majeure“, also Situationen, die „unerwartet und außerhalb der Kontrolle” der Betreiber waren. Hierdurch entstanden Produktionsausfällen und -stillständen. Auch wenn ein Teil dieser Anlagen wieder in Betrieb ist, bleibt das Angebot aufgrund anstehender Anlagenrevisionen knapp. Trotz der Ankündigung der Erzeuger, Bestände aufzubauen, um die Produktionsausfälle während der Wartungsarbeiten zu überbrücken, bleibt die Versorgungssituation bei PVC insgesamt problematisch.
Zweitens ist die Nachfrage nach PVC auf dem Weltmarkt weiterhin stabil. Dies erschwert den Ersatz dieser Ausfälle durch Importe. So sind etwa Importmöglichkeiten aus den USA aufgrund ähnlicher Versorgungsprobleme vor Ort und einer durch den Bausektor getriebenen, hohen Nachfrage deutlich eingeschränkt. Darüber hinaus besteht auch bei anderen Standardmaterialien wie PE (Polyethylen), PP (Polypropylen) und EVA (Ethylenvinylacetat) als Vorprodukte der verarbeitenden Industrie eine extreme Unterversorgung, welche aktuell die gesamte Marktsituation prägt.
»Die im ZVEI organisierten Kabel- und Leitungshersteller tun ihr Möglichstes zur Aufrechterhaltung der Lieferfähigkeit, aber ohne PVC kein Endprodukt«, betont Sebastian Glatz, Fachverbandsgeschäftsführer Kabel und isolierte Drähte im ZVEI. »Beim Wiederanlauf der PVC-Produktion und den darauffolgenden Auslieferungen sollte die Bedeutung unserer Produkte unbedingt berücksichtigt werden.«
Hintergrund: Während rund sechs Prozent der EU-weiten PVC-Nachfrage auf Produkte der Elektroindustrie entfallen, macht die deutsche Kabelindustrie an der inländischen PVC-Verarbeitung nur einen Anteil von rund drei Prozent aus. Dieser Anteil mag zwar niedrig sein, und die Kabelindustrie daher für die Kunststoffindustrie als Abnehmer weniger attraktiv, – ihr Beitrag zur Aufrechterhaltung der wichtigen Energie- und Kommunikationsnetze ist jedoch essenziell.