Trends bei Schaltern, Tastern & Co.

Bedienelemente auf dem Weg zu Industrie 4.0

25. Februar 2022, 11:07 Uhr | Andreas Knoll
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Fortsetzung des Artikels von Teil 2

Moritz Futterer, Rafi: »Die Haptik auf den Touchscreen bringen«

Moritz Futterer von Rafi
Moritz Futterer von Rafi
© Raif

Schalter und Taster lassen sich jetzt ohne Bohrlöcher auf geschlossenen Glasoberflächen von Displays montieren. Zudem gibt es neuerdings Tasterlösungen, die zur Digitalisierung bestimmter Anwendungen beitragen können. Moritz Futterer, Head of Product Management and Marketing bei Rafi, informiert.

Design&Elektronik: Mit welchen Innovationen und Alleinstellungsmerkmalen wollen Sie im Bereich Schalter und Taster gegenüber ihren Mitbewerbern im Markt bestehen?

Moritz Futterer: Rafi hat im vergangenen Jahr erstmals IO-Link-Produkte auf den Markt gebracht – eine Tasterbox und eine Signalleuchte. Sie sind durch den M12-Anschluss via Plug-and-play leicht zu installieren und kommunizieren selbstständig mit dem Leitsystem via IO-Link-Protokoll. Vorteil gegenüber herkömmlichen Tasterboxen ist, dass sie im laufenden Betrieb parametrierbar sind und eine manuelle Verdrahtung einzelner Litzen entfällt. Dies ermöglicht beispielsweise einen RGB-Farbwechsel.

Darüber hinaus hat Rafi 2021 eine völlig neue Lösung auf den Markt gebracht: »KIS.ME«, was für »Keep it simple. Manage everything« steht. Ihr Herzstück ist eine Plattform im Internet, über die alle Kommunikation zwischen den Hardware-Devices läuft. Zudem umfasst sie eine Tasterbox und eine Signalleuchte sowie eine Schnittstellenbox, die digitale Ein- und Ausgänge bestehender Sensoren und Maschinen einsammeln bzw. an Aktoren Signale ausgeben kann. Diese drei Devices schaffen unzählige Anwendungsmöglichkeiten fernab von einzelnen Steuerungen. Im Fokus stehen hier Produktions- und Intralogistikanwendungen, die bisher noch nicht digitalisiert sind und wo veraltete Prozesse vorherrschen, über deren Effizienz keine Informationen zur Verfügung stehen.

Die beiden wichtigsten Motivationen zum Einsatz von KIS.ME sind erstens, laufende Prozesse transparenter zu machen, und zweitens, Ansatzpunkte aufzudecken, bei denen ein Effizienzgewinn durch Optimierung möglich ist. Durch den Keep-it-simple- Ansatz sind diese Ziele im Alleingang ohne viel Beratung durch Externe möglich.

Wie intelligent oder »smart« müssen elektromechanische Bedienelemente sein, um HMIs von morgen gerecht zu werden?

Die elektromechanischen Bedienelemente müssen sich der Peripherie anpassen und unter Umständen mit ihr »wachsen«. Das zeigt sich dann, wie bei IO-Link, an dem Protokoll, nach dem sich die Bedienelemente und HMIs mit den Steuerungen »unterhalten«.

Zitat Moritz Futterer von Rafi
© Rafi

Allerdings muss man die Kirche auch im Dorf lassen. Die ursprüngliche Aufgabe von Tastern und Schaltern ist die Erfassung einer menschlichen Interaktion und die Übermittlung des Signals für die Elek- trotechnik oder Elektronik von Steuerungen. Das wird auch weiterhin so bleiben, sodass es auch in Zukunft für einfache elektromechanische Taster noch viele Einsatzorte geben wird. Pfiffige Zusatzfeatures wie die Beleuchtung einer solchen Bedieneinheit in einer individuellen Farbe lassen sich jedoch nur realisieren, wenn die Steuerung auch Signale an den Taster schicken und dieser danach handeln kann.

Inwieweit lassen sich die Funktionsparameter elektromechanischer Bedienelemente programmieren beziehungsweise konfigurieren? Inwieweit ist dabei Kontextsensitivität möglich?

Bei den IO-Link-Produkten ist nicht nur ein Farbwechsel in definierten RGB-Farben möglich, sondern es gibt auch verschiedenste Funktionen wie Blinken in unterschiedlichen Frequenzen und Helligkeitsstufen sowie ein Nachtmodus in abgeschwächter Lichtintensität. Mit IO-Link ist eine Funktionsänderung auch im laufenden Betrieb möglich, sodass ein Taster für mehrere Funktionen – je nach Betriebsart – genutzt werden kann.

Eine Signalleuchte dagegen kann so auch mehrere Zustände durch unterschiedliche Farben und Blinkmodi anzeigen. Hier sparen Kunden also an der Hardware, weil für Funktionen, die bislang mehrere Bedienelemente erfordert haben, jetzt eine Hardware ausreicht.

Bei KIS.ME dagegen können Bediener individuelle Regeln erstellen und so festlegen, was bei bestimmten Ereignissen wie einem einfachen Tastendruck, der Farbänderung einer Leuchte oder dem Eingangssignal eines Sensors oder einer Maschine geschehen soll. Als Reaktion darauf werden Folgeprozesse automatisch angestoßen oder weitere Bedienelemente durch Farb- und Blinkmodi angetriggert. Außerdem lassen sich andere Benutzer etwa durch definierte E-Mails informieren und benachrichtigen.

In welchen Touchscreen-HMI-Anwendungen sind elektromechanische Bedienelemente sinnvoll, und in welchen Ausführungen und Funktionsweisen lassen sie sich dort integrieren?

Wir machen die Erfahrung, dass in den letzten Jahren immer öfter ein Touchscreen gefordert ist, weil wir alle daran gewöhnt sind, aber es fehlt eben die gewisse Haptik und das taktile Feedback. Rafi dagegen hat mit »Flexscape« die Haptik zurück auf den Touchscreen gebracht. 3D-Elemente wie ein einfacher Button (Flexscape One), eine Fingerführung für ein Drehrad (Flexscape Wheel) oder ein echter Encoder mit taktilem Feedback (Flexscape Spin) sind jetzt auf einer geschlossenen Glasoberfläche möglich, ohne ein Loch durch das Glas und das Display zu bohren. Die Elemente sind nach Kundenwunsch frei platzierbar und mit der UX und Anwendungssoftware verschmolzen. Abseits vom Touchscreen ergänzen je nach Anwendung auch weiterhin Joysticks und Encoder sowie gelegentlich einzelne Tasten und ein Not-Halt die Bedienlandschaft moderner HMIs.

Welche neuen Normen, Vorschriften und Regelwerke im Kontext Schalter und Taster sind von Elektronikentwicklern zu beachten?

Bei Tastern und Schaltern im Niederspannungsbereich ist die wichtigste Norm die DIN EN 60947; wenn dazu noch ein Not-Halt zum Einsatz kommt, ist sicherlich die DIN EN ISO 13850 interessant. Safety-Anwendungen nehmen ebenfalls zu, da kommt dann die DIN EN ISO 13849 ins Spiel.

Was raten Sie bei der Auswahl von Schaltern und Tastern grundsätzlich zu beachten?
 
Die Produktlebenszyklen elektromechanischer Bedienelemente werden kürzer, wie bei allen Produkten heutzutage. Außerdem gibt es auch hier weiterhin neue und innovative Produkte. Daher sollte man sich gut über die Produkte informieren, am besten natürlich beim Hersteller selbst und auf dessen Website oder in dessen eCatalog. Hier finden sich neben den technischen Daten Informationen zum Lebenszyklus sowie zu Produktänderungen und -abkündigungen oder auch Empfehlungen, das Produkt nicht in Neuprojekte einzudesignen.


  1. Bedienelemente auf dem Weg zu Industrie 4.0
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