Interview

Warum das Relais weiter an Bedeutung gewinnt

9. Mai 2023, 11:00 Uhr | Corinna Puhlmann-Hespen
»Finder Opta«, ein programmierbares Logikrelais
© Finder

Welche Innovationen und Trends es am Relais-Markt gibt und warum die Bedeutung von Relais insgesamt steigt, erklären Dirk Rauscher, Vertriebsdirektor und Mitglied der Geschäftsleitung von Finder, und Philipp Lazic, Leitung Marketing und Kommunikation, im Markt&Technik-Interview.

Markt&Technik: Die Nachfrage nach elektromechanischen Relais war in den letzten beiden Jahren hoch. Glauben Sie, dass dieser Boom anhält?

Dirk Rauscher: Davon gehen wir aus. Der Bedarf nach Relais steigt, in nahezu allen Märkten, in denen sie verbaut werden. Im Zuge der Pandemie gab es einen solchen Digitalisierungsschub, dass davon der gesamte Relaismarkt profitiert.

Einen besonders großen Bedarf sehen wir bei Hochleistungsrelais, die heute essenziell für die Elektromobilität sind und z. B. in Ladestationen eingesetzt werden, aber auch im Bereich der Photovoltaik. Neben diesen starken Wachstumsmärkten sind Leistungsrelais auch in anderen Applikationen zunehmend wichtig, sei es in Kränen oder Hubwagen, in der Logistik oder in Fertigungsmaschinen. Hohe Lasten zu schalten bei möglichst geringer Baugröße der Relais, das ist ein ungebrochener Trend.

Wie sehen solche Leistungsrelais aus, die heute stark nachgefragt sind?

Dirk Rauscher: In der Weiterentwicklung der Leistungsrelais steckt viel Know-how. Ein Beispiel ist unsere Relais-Serie 68 für die Leiterplattenmontage. Auf einer Fläche von 52,2 mm × 52,5 mm × 57,5 mm – also fast Würfelform – können die Relais bis zu 4 x 40 A schalten. Damit eignen sich diese Relais nicht nur für High-End-Applikationen, sondern auch für die gängigen Relais-Aufgaben, wie sie beispielsweise in Aufzügen, Lastkränen oder Stromtrassen gefragt sind. Im Grunde lassen sich diese Relais überall dort einsetzen, wo hohe Lasten zu schalten sind. Daher bezeichnen wir sie auch als Universalrelais.

Eine Besonderheit innerhalb der Serie ist eine Ausführung mit 4 × 32 A, die auf die speziellen Anforderungen des E-Mobility-Marktes zugeschnitten ist. Diese Relais erfüllen die wichtige IEC-Norm 62955:2018. Weil es derzeit tatsächlich nur wenige Relais am Markt gibt, die dieser Lade-Norm entsprechen, bieten die Relais einen echten Mehrwehrt für die gesamte Branche.

Im vergangenen Herbst haben Sie eine weitere Besonderheit vorgestellt. In Kooperation mit Arduino haben Sie das Relais »Finder Opta« entwickelt, ein programmierbares Logikrelais. Was hat es damit auf sich?

Philipp Lazic: Opta zeigt auf, wie sich die Relais-Technologie weiterentwickeln kann und welche Möglichkeiten sich eröffnen, wenn man Intelligenz dazunimmt.

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Dirk Rauscher und Philipp Lazic
Dirk Rauscher, Vertriebsdirektor und Mitglied der Geschäftsleitung von Finder, und Philipp Lazic, Leitung Marketing und Kommunikation.
© Finder

Das programmierbare Logikrelais hat acht Eingänge; ob diese analog oder digital genutzt werden, kann man frei entscheiden. Dank dem schnellen Prozessor und der großen Software-Bibliothek ergeben sich unfassbar viele Anwendungsmöglichkeiten, etwa in der Automatisierungsindustrie oder der Gebäudeautomation. Die Partnerschaft mit Arduino hat sich für uns als kompletter Erfolg herausgestellt. Arduino konnte seine Software-Expertise einbringen, wir setzen das Produkt-Konzept auf Industrieebene um. Somit ist es uns gelungen, gemeinsam ein IoT-Relais zu entwickeln, das frei programmierbar ist und vom Kunden so konfiguriert werden kann, wie er es für seine Anwendung benötigt. Durch den Open-Source-Ansatz ist es für unsere Kunden sehr leicht, sich mit Opta anzufreunden.

Hinzu kommt, dass Arduino eine sehr, sehr große Fangemeinde hat. Obwohl wir natürlich von unserer Entwicklung überzeugt sind, hat es uns doch überrascht, auf welches große Interesse wir gestoßen sind. Wir haben bereits viele Anfragen bekommen und sind von der Dynamik beeindruckt, mit der die Anwender auf unsere Entwicklung reagieren. Es ist, als ob ein Stein ins Rollen gekommen ist. In der Bibliothek gibt es heute über 4000 Programme – und es kommen weitere dazu, dadurch dass die Software so intuitiv zu bedienen ist.

Arbeiten Sie bereits an der Weiterentwicklung von Opta?

Dirk Rauscher: Zu den bestehenden drei Varianten von Opta wollen wir weitere Modelle hinzufügen; an der Entwicklung arbeiten wir mit Hochdruck. Man muss aber auch sehen, dass wir bis dato bereits sehr viel in die Entwicklung investiert haben. Es ist eine Entwicklungszeit von ca. fünf Jahren vorausgegangen, bis zur Serienreife. Die Kooperation sieht übrigens vor, dass die komplette Fertigung der Produkte bei Finder stattfindet.

Sie haben ein sehr breites Produktportfolio mit über 2000 Relais. Auf welche Märkte fokussiert sich ihr Unternehmen besonders?

Dirk Rauscher: Wir sind in nahezu allen Märkten unterwegs. Das ist ein Aspekt unseres Geschäfts, der mir besonders Freude macht. Unser Hauptmarkt ist zweifellos die Industrieelektronik mit all ihren unterschiedlichen Applikationen, dort sind wir mit unseren Relais am stärksten vertreten. Um aber die Bandbreite zu veranschaulichen: Finder-Relais werden in großen industriellen Anlagen eingesetzt, in der Gebäudeautomation wie auch im privaten Bereich. Unser Relais kann auch »nur« dazu dienen, z. B. den Wasserstand in einem Gartenteich zu überwachen. Das zeigt, wie viele Facetten der Relaismarkt hat. Theoretisch kann jeder von unseren Produkten profitieren.

Unterscheidet Sie dieser breite Ansatz von Wettbewerbern am Markt?

Dirk Rauscher: Eigentlich sind es zwei andere Punkte, die das Unternehmen Finder besonders machen. Erstens ist Finder ein Unternehmen, bei dem die Relais den allergrößten Anteil am Produktportfolio haben. Wir sind also ein Relais-Spezialist, obwohl wir ein global agierendes Unternehmen mit 1400 Mitarbeitern und dadurch einer gewissen Relevanz am Markt sind. Und zweitens fertigen wir nahezu ausschließlich in Europa. Das hat den Vorteil, dass wir auf Marktbedürfnisse sehr flexibel eingehen können. Insbesondere in den vergangenen beiden Jahren haben wir es durch unsere europäische Fertigungsstrategie geschafft, bei den Lieferzeiten vergleichsweise gut abzuschneiden. Wir sehen, dass es für unsere europäischen Kunden immer wichtiger wird, einen zuverlässigen Lieferanten an der Seite zu haben, der die Ware über kurze Lieferwege bereitstellen kann. Das gehört zum Risikomanagement, ist aber auch im Sinne der Nachhaltigkeit.

Welche Rolle spielt der Klimaschutz für Ihre Kunden?

Philipp Lazic: Das ist ein wichtiges Thema. Die gesamte Industrie arbeitet daran, den CO2-Fußabdruck zu reduzieren. Dadurch werden Lieferanten und auch Lieferwege immer stärker nach Nachhaltigkeits-Kriterien ausgewählt. Wir haben quasi das Glück, dass uns der Umwelt- und Klimaschutz schon seit Jahren umtreibt. Dadurch sind wir bereits auf einem sehr guten Weg. Beispielsweise kommt 70 Prozent des gesamten Energiebedarfs für die Produktion aus eigener Herstellung. Neben großen Photovoltaik-Flächen haben wir auch Zugriff auf ein eigenes Wasserwerk, welches die Stabilität unseres Produktionsprozesses absichert.

Abschließend gefragt: Welches Wachstumsziel hat Finder für das Jahr 2023?

Dirk Rauscher: Global betrachtet konnten wir im letzten Jahr unseren Umsatz von 248 Mio. Euro auf 277 Mio. Euro steigern. Die Wachstumskurve zeigt also deutlich nach oben. Und in dieser Größenordnung wollen wir auch im Jahr 2023 wieder zulegen.


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