Hohe Nachfrage, steigende Rohstoffpreise

»Enormer Schub bei Elektronikgehäusen«

5. April 2022, 7:45 Uhr | Corinna Puhlmann-Hespen
Mathias Bünte
Mathias Bünte: »Für Bopla ist das Customizing extrem wichtig; diesen Zweig werden wir mit zusätzlichen Technologien, Maschinen und Anlagen weiter ausbauen. Mit Customizing können wir ein Standardgehäuse im Idealfall so weit individualisieren, dass selbst wir als Hersteller manchmal Schwierigkeiten haben, es in der Endanwendung wiederzuerkennen.«
© Bopla

Der Markt für Elektronikgehäuse boomt. Warum die Nachfrage nach Gehäusen aktuell so groß ist, woher der Bedarf kommt und welche Herausforderungen damit verbunden sind, das erläutert Mathias Bünte, Business Development Manager von Bopla, im Markt&Technnik-Interview.

Markt&Technik: Der Bedarf an Elektronikgehäusen ist derzeit sehr hoch. Können Sie veranschaulichen, wie sich das bei Bopla widerspiegelt?

Mathias Bünte: In den vergangenen beiden Jahren haben wir absolute Rekordergebnisse erzielt, die unsere Produktionskapazitäten weit über ihre Limits ausgelastet haben. Seit unserer Firmengründung vor mehr als 50 Jahren sind wir mit unseren Gehäusen in den Bereichen Messen, Steuern, Regeln und Bedienen unterwegs. Das sind aktuell genau die Bereiche, die in digitalisiertem Gewand einen enormen Schub bekommen haben. Bei unseren Kunden registrieren wir ein sehr hohes Maß an Innovationskraft und Entwicklungstätigkeit, was zu einer großen Anzahl an Neuprodukten geführt hat. Diese Produkte befinden sich nahezu ausnahmslos noch am Beginn ihres Produktlebenszyklus, sodass wir auch für die kommenden Jahre ein Anhalten dieses Booms erwarten.

Gibt es in diesem Zusammenhang neue Anforderungen, die ein Elektronikgehäuse erfüllen muss?

Die Nachfrage kommt aus nahezu allen Märkten. Trends wie Big Data, IoT und Digitalisierung erfordern den Einsatz empfindlicher Elektronik überall. Das Gehäuse bildet mit jedem Sensor, Datenlogger oder Gateway eine untrennbare Einheit und muss in der Lage sein, die Elektronik selbst unter extremen Umgebungsbedingungen zu schützen. Hinzu kommen normative Vorgaben im Bereich der Gerätesicherheit, bei denen das Gehäuse ebenfalls eine zentrale Rolle spielt. Aus den genannten Gründen rücken zum Beispiel Anforderungen an Brandschutz, Schlagfestigkeit, UV-Beständigkeit und hohe Schutzarten noch weiter in den Vordergrund und finden sich in den Lastenheften nahezu aller Kundenprojekte wieder. Weiterhin erfordern der Ideenreichtum unserer Kunden sowie auch die unendliche Vielfalt der Einsatzbereiche immer individuellere Gehäuselösungen.

Können Sie aus ihrem umfangreichen Sortiment ein Gehäuse herausgreifen, das für Ihre Kunden derzeit besonders interessant ist?

Die Frage lässt sich ohne großes Nachdenken beantworten: "Bocube". Mit diesem Produkt haben wir eines unserer nach wie vor wichtigsten Produktsegmente – das der klassischen Industriegehäuse – sowohl funktionell als auch designtechnisch komplett neu aufgestellt. Durch eine patentierte Scharnierverschlusstechnik lässt sich das Gehäuse einfach per Klick öffnen und schließen und der Deckel wahlweise komplett abnehmen oder komfortabel aufschwenken. Mit den Bocube-Gehäusen, die sowohl in Kunststoff als auch Aluminium verfügbar sind, decken wir mit nur einer Gehäuseserie einen Großteil der Anforderungen wie Brandschutz, Schlagfestigkeit, UV-Beständigkeit und hohe Schutzart ohne Kompromisse ab.

Bopla hat alle relevanten Fertigungstechnologien sowohl für Kunststoffe als auch für Metalle im eigenen Haus. Welche Rolle spielt das Material bei Elektronikgehäusen? Gibt es Verschiebungen?

Die Materialeigenschaften sind heute eines der entscheidenden Kriterien, wenn es um die Auswahl eines optimalen Gehäuses für die jeweilige Applikation geht. Die erwähnten Anforderungen wie Brandschutz, Schlagfestigkeit und UV-Beständigkeit sind eigentlich klassische Argumente, um ein Gehäuse aus Metall zu wählen. Nun kommt allerdings die Funklastigkeit des IoT hinzu, und wenn keine externen Antennen zum Einsatz kommen sollen, sind somit Kunststoffgehäuse die erste Wahl. Hochleistungskunststoffe, wie wir sie zum Beispiel bei unseren Bocube-Gehäusen einsetzen, eignen sich bestens für extreme Umgebungsbedingungen.

Bopla hat sich vor allem als Anbieter von Standardgehäusen einen Namen am Markt gemacht. In letzter Zeit hat Ihr Unternehmen aber auch stark in den kundenspezifischen Bereich investiert. Wie sieht die Strategie von Bopla diesbezüglich aus?

Die kundenindividuelle Gehäuselösung ist die Voraussetzung für unseren Markterfolg. Diese erreichen wir erstens über das Customizing unserer Standardgehäuse mit einer Vielzahl hausinterner Fertigungstechnologien, von der CNC-Bearbeitung bis hin zur High-End-Integration von Touchscreens und Displays. Für Bopla ist das ein extrem wichtiger Zweig, den wir mit zusätzlichen Technologien, Maschinen und Anlagen weiter ausbauen werden. Mit Customizing können wir ein Standardgehäuse im Idealfall so weit individualisieren, dass selbst wir als Hersteller manchmal Schwierigkeiten haben, es in der Endanwendung wiederzuerkennen. Zweitens wünschen sich immer mehr Kunden ein komplett maßgeschneidertes Gehäuse – nicht Customized, sondern Custom Designed. In diesem Bereich werden wir uns künftig sowohl organisatorisch als auch technologisch deutlich breiter aufstellen.

Abschließend eine Frage zur aktuell angespannten Lieferkette: Wie ist es derzeit um die Verfügbarkeit der Materialien bestellt, die Sie für Ihre Gehäusefertigung benötigen?

Im Bereich der Kunststoffe ist es im vergangenen Jahr zu extremen Verwerfungen gekommen. Unsere Lieferanten haben uns teilweise bestätigte Liefermengen ohne Vorwarnung um bis zu 50 Prozent reduziert. Sie können sich vorstellen, welche Herausforderungen unser Sourcing vor dem Hintergrund solcher Szenarien meistern musste. Dank eines exzellenten Lieferantennetzwerkes in Verbindung mit Multiple-Source-Strategie konnten wir aber auch solche Herausforderungen zusammen mit unseren Kunden meistern. Dass dies nicht ganz ohne vereinzelte Härtefälle zu realisieren ist, dürfte auf der Hand liegen. Positiv ist, dass sich zumindest aus aktueller Sicht die Situation bei den für uns relevanten Kunststoffen wieder deutlich entspannter darstellt. Von einer Entwarnung kann aber noch nicht die Rede sein – wir versuchen uns auf weitere Überraschungen möglichst optimal vorzubereiten.

Im Bereich Aluminium (Druckguss und Profile) machen uns – wie auch bei den Kunststoffen – deutliche Preissteigerungen zu schaffen. Diese werden wir leider auch in Form von moderaten Preiserhöhungen teilweise an unsere Kunden weitergeben müssen. Der Bereich der Bleche bzw. Stahlbleche ist bei Bopla portfoliobedingt weniger stark ausgeprägt. Die Versorgungssituation ist hier von tagesaktuellen Preisen und extremen Lieferzeiten geprägt.

Angespannt ist die Situation aber auch bei zahlreichen Elektronik-Komponenten, die wir für unseren Geschäftsbereich Systemintegration für unsere Kunden sourcen. Die Situation in diesem Bereich mit Lieferzeiten von teilweise deutlich über einem Jahr ist eine Herausforderung für die gesamte Industrie. 

Die Fragen stellte Corinna Puhlmann-Hespen

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