Stabübergabe bei TTI in DACH

»Verfügbarkeit ist Investment in unsere Kundenbeziehung«

30. Januar 2023, 10:00 Uhr | Karin Zühlke
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Fortsetzung des Artikels von Teil 3

Second Sources

Bei den Halbleitern wird viel Distributionsgeschäft durch das Design-in generiert. Wie verhält sich das bei den Passiven?

Reiterer: Der Bedarf des Kunden in dieser Hinsicht nimmt aufgrund des breiteren Portfolios der Distribution zu. Wir haben ein sehr großes Technical-Development-Manager-Team. Wir kommen also nicht klassisch mit einem Hersteller zum Kunden, sondern bieten die komplette Breite und identifizieren gemeinsam mit dem Kunden die ideale Lösung.

Im Zuge der Verfügbarkeitsprobleme wurde und wird immer wieder das Thema Second Sources diskutiert. Wie realistisch ist es, dass der Kunde eine Second Source eindesignt?

Reinecke: Das hängt immer davon ab. Wird ein Modul entwickelt, kann das ja multiple Freigaben für die einzelnen Komponenten haben. Je nachdem, was der Entwickler möchte. Das ist letztlich die Hoheit des Endkunden. Aber wichtig ist, den Schaltkreis so zu definieren, dass man mehrere Möglichkeiten einsetzen könnte.

Reiterer: Die Kunden haben sicher bei der vorhin angesprochenen MLCC-Allokation gelernt, denn damals bestand das Problem oft in der Single Source. Wir merken jetzt schon, dass der Trend dahin geht, dass der Kunde aufmerksamer wird und mehrere Produkte eindesignt – und das wiederum spielt der Distribution in die Hand, wenn sie gute Technik-Teams hat, die dem Kunden mit ihrem technischen Know-how und ihrer Erfahrung zur Seite stehen.

Wie wird oder könnte sich der Elektronikmarkt aus Channel- bzw. Sales-Sicht künftig verändern?

Reinecke: Unser Wert als Distribution ist zweifelsohne vorhanden, und ich bin davon überzeugt, dass er in Zukunft noch stärker wird. Denn der Markt Europa bildet vom globalen Gesamtmarkt gerade einmal 8 bis 10 Prozent ab. Und der wird nicht stärker werden, wenn der Automobilmarkt sich verändert und nicht mehr europäisch dominiert ist. D. h. der Markt selbst wird noch fragmentierter. Das werden die Hersteller mit ihren Möglichkeiten nicht abdecken können. Vielmehr werden Logistik-Hubs benötigt werden. Es wird eine noch intensivere Zusammenarbeit zwischen Herstellern und Distribution geben. Ähnlich wie das im Elektrofachhandel schon gelebt wird: dass viele Hersteller kaum noch direkt Kunden beliefern, sondern über den Großhandel gehen.

Reiterer: Einige Industriekonzerne, die mit verschiedenen EMS arbeiten, haben die Allokation übernommen und uns gesagt, wer wann zu beliefern ist. Dafür ist die Distribution prädestiniert. Auch die Verlagerung, auch global und kurzfristig von einem Werk zu anderen, können wir mit unserer Logistik sehr gut unterstützen, ohne dass Reibungsverluste entstehen.

Wie hält es TTI mit dem frei verfügbaren Lager?

Reiterer: Die Majorität unseres Geschäfts sind High Runner, weil wir einen extremen Umschlag haben. Mehr als die Hälfte des Lagerbestands ist frei verfügbar. Natürlich gibt es Teile, die knapp sind und für die wir auf Forecast mit den Kunden arbeiten. Aber das Ziel ist, den freien Lagerbestand so hoch wie möglich zu halten (A/B/C-Mover wie angegeben über 90 Prozent), dass wir den Kunden dann bedienen können, wenn er die Teile braucht, ohne dass er sich die Ware auf Lager legen muss.

Reinecke: TTI hat in den letzten Quartalen einen Lagerumschlag von 2, teils sogar geringer als 2. Und das darf man gerne mit anderen Distributoren vergleichen. Und wenn sich EMS-Firmen über mangelnde Verfügbarkeit am Markt beschweren, dann muss man sich überlegen, ob es nicht wert wäre, etwas mehr Volumen auf TTI zu verlagern.

Inwieweit hat sich die Verfügbarkeitssituation entspannt, auch weil in China der Absatz mit Konsumgütern abgenommen hat?

Reiterer: Von einer Übernacht-Entlastung kann man jetzt noch nicht sprechen, aber die Lieferzeit hat sich zumindest stabilisiert und die Eskalationen sind überschaubar. Die große Menge an Passiven ist wieder besser verfügbar. Einzelne Technologien haben immer noch Lieferzeiten größer 30 Wochen. Es ist also nicht so, dass sich alles wieder auf acht bis zwölf Wochen eingependelt hat.

Reinecke: Für unseren Markt sehen wir eine Entspannung für Consumer-Standard-Commodity-Produkte, aber für die Produkte, die hier in Europa vor allem benötigt werden, sind die Lieferzeiten immer noch länger. Für verschiedene Produktserien bzw. Technologien verzeichnen wir nach wie vor Lieferschwierigkeiten vonseiten der Hersteller; zu nennen sind hier etwa Dünnfilm-Widerstände, Aluminium-Kondensatoren, Film-Kondensatoren, gewisse Spulen, High-Cap-Keramiken und Polymer sind nach wie vor eng.

Wie lauten die weiteren Ziele von TTI in der DACH-Region?

Reiterer: Mit Uwe geht ein Urgestein in den Ruhestand; das ist natürlich schade, aber die Nachfolge haben wir schon lange Zeit sehr vorausschauend organisiert. Wir sind in der glücklichen Situation, in neue Leute investieren zu dürfen.

Reinecke: Wir hatten die Chance, dass Marc bei uns angefangen und sich auch hervorragend eingearbeitet hat. Das war eine perfekte Übergabemöglichkeit. Zentraleuropa ist der größte Markt in Europa, und deshalb ist es nötig, dass wir hier Konsistenz haben. Wir haben viel Eigenverantwortung bei den Sales-Teams, die auch alle mit Marc sehr gut zurechtkommen.

Mehr Personal, das Sie einstellen wollen, klingt immer gut, aber wo rekrutiert TTI die Mitarbeiter?

Reiterer: Wir bekommen vermehrt proaktive Bewerbungen aus der Branche, und wir sehen, dass die Leute nach der Pandemiephase wieder anfangen, sich umzusehen.
Wir stellen auch fest, dass die 30- bis 35-Jährigen aus den Ballungsräumen herausziehen, und wir unterstützen das, indem wir unseren Mitarbeitern die Möglichkeit bieten, auch remote zu arbeiten.

Zum Schluss: Wie lautet Ihr Ausblick für 2023?

Reinecke: Wir glauben an ein gutes Jahr 2023 und wir sind gut vorbereitet. Wir hatten ein Rekordquartal in Q1/22, und der Backlog, den wir jetzt haben, ist um ein gutes zweistelliges Niveau höher. Von daher können wir jetzt schon davon ausgehen, dass Q1/23 ein neues Rekordquartal werden wird.


  1. »Verfügbarkeit ist Investment in unsere Kundenbeziehung«
  2. Die Zukunft der Distribution
  3. Einflüsse auf die Preisgestaltung
  4. Second Sources

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