Die Pandemie hat die Schwachstellen der Lieferketten schonungslos offengelegt: Viele Prozesse zwischen Lieferanten und Kunden sind entweder Insellösungen oder/und nach wie vor papiergestützt. Experten warnen.
»Wir müssen anfangen, jede Lieferkette als Teil eines umfangreichen Ökosystems zu sehen«, sagt Christian Lanng, CEO von Tradeshift. Das Unternehmen digitalisiert Finanzprozesse zwischen Unternehmen und gibt mehrmals im Jahr einen Lieferketten-Index heraus. »Technologien, die Einkäufer und Lieferanten virtuell miteinander verbinden, sind entscheidend. Sie tragen dazu bei, den Druck zu verringern, der sich während der Volatilitätszyklen aufbaut.« Enormes Potenzial sieht Lanng vor allem in zwei Bereichen: »Der erste ist die digitalisierte Finanzierung, um verschüttetes Betriebskapital freizusetzen. So erhalten Lieferanten einen Anreiz, mehr Bestände zu halten. Und der zweite sind dynamische Online-B2B-Marktplätze, die in der Lage sind, Kapazitäten in der Lieferkette intelligent zu bündeln und sie an Bereiche mit hoher Nachfrage anzupassen.«
Die Digitalisierung ist kostspielig, daher haben sich viele Firmen lange zurückgehalten und auf bestehende und – scheinbar – eingespielte Prozesse gesetzt. »Aber einfach weitermachen mit ‚Business as usual’ ist keine Option mehr«, unterstreicht Jens Gamperl, CEO von Sourceability. Das Unternehmen betreibt die Online-B2B-Plattform Sourcengine für die Beschaffung u. a. von elektronischen Komponenten. Durch genaue Analyse des Kaufverhaltens lassen sich über die Plattform nach dem Prinzip »Early Indicator« dabei auch schon früh Trends und steigende Bedarfe bei bestimmten Produkten erkennen.
KI in der Lieferkette
Mit dem Einsatz von KI, Automatisierung und Machine Learning könnten Firmen den Worten von Jens Gamperl zufolge einen 360-Grad-Blick auf die bestehende Lieferkette und mögliche Störungen entwickeln. »Dazu gehören das Verständnis und die Vorhersage des Kunden- und Lieferantenverhaltens sowie die Optimierung von Bestands- und Beschaffungsentscheidungen.« Laut den Analysten von Gartner planen immerhin über 50 Prozent der großen global agierenden Firmen, dass sie bis 2023 KI, fortschrittliche Analytik sowie IoT in der Lieferkette einsetzen werden. Sascha Bütterling, Senior Director SaaS für die DACH-Region von Supplyframe, sieht künstliche Intelligenz und die Konnektivität als Obligo für die Lieferketten: »Der Austausch von Daten ist und bleibt ein wichtiger Motor für die Wirtschaft. Auch für die Transparenz und Effizienz der Lieferkette kann KI einen entscheidenden Vorteil schaffen. KI und Cognitive Computing werden dabei helfen, Lieferkettenprozesse besser einzuschätzen, und automatisierte Lösungen schaffen.« Bütterling ist überzeugt davon, dass die B2B-Elektronikindustrie eine der ersten Branchen sein wird, die sich dies zunutze macht.