Thomas Rudel, Rutronik

»Wir rechnen in absehbarer Zeit nicht mit einer Entspannung«

4. Oktober 2018, 14:38 Uhr | Karin Zühlke
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Verfügbarkeit am Weltmarkt

Und was genau macht Ihre Zusammenarbeit mit Yageo in dieser Hinsicht besonders aus?

Wir arbeiten mit Yageo seit mehr als 30 Jahren zusammen. Die sehr guten Beziehungen zum Top-Management ermöglichen es uns, für unsere gemeinsamen Kunden das Maximale zu erreichen. Darüber hinaus zeichnet sich Yageo im Moment durch eine hohe Liefertreue aus.

Was raten Sie Ihren Kunden derzeit beim Design-in bzw. bei ihrer BOM bzgl. Second-Source-Freigaben?

Wichtig für Neudesigns oder mögliche Redesigns ist es im Moment, die kleinstmögliche Baugröße zu verwenden, weil diese Baugrößen bevorzugt hergestellt werden. Weiterhin sollten immer möglichst viele Alternativhersteller für eine Platine freigegeben werden.

Wäre es zum Beispiel eine Lösung, nur auf AEC-Q200 zu gehen, weil die Verfügbarkeit solcher Automotive-Bauteile angeblich besser ist?

Ja! Bei verschiedenen Herstellern und verschiedenen Produkten sind Automotive-qualifizierte Produkte besser erhältlich, weil diese nicht nur im Automobilbereich, sondern auch im Industriesegment eingesetzt werden können. Damit wird dem Hersteller ermöglicht, ein und dasselbe Produkt in verschiedene Märkte zu liefern, was natürlich viel interessanter ist. Allerdings gilt es, die Verfügbarkeit individuell zu prüfen, weil diese Aussage nicht generell zutrifft.

Einerseits behaupten die Hersteller, sie hätten Kapazitäten aufgebaut, die Kundenseite wiederum beklagt, dass das eben nicht oder nicht ausreichend der Fall war, da Fertigungskapazitäten teils nur umgewidmet wurden, also auf gängigere Produkte umgestellt wurden. Als Distributor stehen Sie da zwischen den Fronten. Wie managen Sie diesen Konflikt?

Zunächst muss man festhalten, dass speziell bei diesen Produkten seit langer Zeit ein hoher Preisdruck und damit verbunden ein jährlicher Preisverfall stattgefunden hat, verursacht vor allem von den Kunden, die sich heute am lautesten beklagen. Das hat dazu geführt, dass diese Produkte und Bauformen sich an der Profitabilitätsgrenze bewegt haben und somit die Hersteller nicht genügend Gewinn erwirtschaftet haben, um in neue Fertigungskapazitäten zu investieren. Unter dem gleichen Druck standen übrigens auch wir als Distributor.

Mittlerweile werden wieder Kapazitäten aufgebaut, allerdings bedeutet die Errichtung einer Fertigung eine Bauzeit von mindestens ein bis zwei Jahren. Für diese Übergangszeit managen wir die Situation durch unsere exzellenten Beziehungen, die wir zum Hersteller haben, um die entsprechenden Volumen zu sichern, damit auch in Zukunft die Belieferung unserer Kunden zu gewährleisten.

Und welche Rolle spielt der Preis? Damit meine ich die Gerüchte, dass teils Premium-Fees gezahlt würden, um Ware zu bekommen. Können Sie das bestätigen?

Der Preis spielt vor allem im Zusammenhang mit der Investition für neue Kapazitäten eine entscheidende Rolle, weil nur über die Preiserhöhungen ein kurzfristiges Return of Investment für die neuen Fertigungskapazitäten erreicht werden kann.

Zumindest in Europa und über die Rutronik werden über Premium-Fees keine zusätzlichen Waren verkauft. Auf der Herstellerseite können unter Umständen die durch eine vorzeitige Belieferung entstehenden Mehrkosten in Rechnung gestellt werden. Jede vom Hersteller vorgegebene Preiserhöhung muss von uns natürlich weitergegeben werden, was für uns auch mit einem riesigen Aufwand verbunden ist. Bei der letzten Erhöhung der Preise für Widerstände mussten knapp 100.000 Auftragspositionen in unserem System manuell geändert werden.

Bis wann rechnen Sie mit einer Entspannung?

Wir rechnen in absehbarer Zeit nicht mit einer Entspannung. Denn die Engpässe haben mehrere Ursachen: Der drastische Bedarfsanstieg durch die zunehmende Elektrifizierung vieler Produkte und die immense weltweite Nachfrage sowie die Konzentration vieler Hersteller auf kleine Bauformen. Hinzu kommt, dass mit der Einführung des neuen Mobilfunknetzes 5G mit einem sprunghaften Anstieg der Nachfrage von Smart­phones einhergeht, was zu weiteren dramatischen Liefersituationen führen kann. Das lässt sich nur bedingt mit den geplanten Produktionssteigerungen ausgleichen. Hinzu kommt die Verknappung bei Rohmaterialien – davon ist sogar Verpackungsmaterial betroffen, zum Beispiel Rollen, in denen die Bauteile geliefert werden! Umwelt- und energiepolitische Restriktionen, wie zum Beispiel in China, kommen hinzu. Einige Vorlieferanten mussten deswegen Produktionsstätten schließen oder teilweise in andere Länder verlagern. Diese Effekte sind weder vorhersehbar noch planbar.


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