Als Distributor steckt man in dem Konflikt, dass man mit möglichst vielen Franchise-Partnern Verträge abschließt, um den Kunden ein breites Portfolio anbieten zu können. Andererseits läuft man Gefahr, die Portfolios der vielen Hersteller nicht im Detail optimal betreuen zu können, da das Spektrum sehr breit wird. Wie lösen Sie diesen Zielkonflikt bei der WDI?
Dunger: Diesen Konflikt haben wir eigentlich gar nicht. Wenn man sich beispielsweise unser Produktspektrum Quarze und Oszillatoren anschaut, dann stellt man fest, dass wir nur ein Produkt, eine Produkttechnologie anbieten, nicht hunderte. Wir haben im Prinzip in diesem Bereich nur ein Produkt, welches wir fokussieren, nämlich das frequenzbestimmende elektronische Bauelement. Das Segment ist sehr schmal, aber geht sehr tief, wenn man die unzähligen Varianten und Produkttechnologien betrachtet. Deswegen haben wir auch in diesem Segment mit über 35 Herstellern eine breite Herstellerpalette. Das ist aber auch wieder dem Umstand geschuldet, dass jeder einzelne unserer Hersteller und Lieferanten in der Regel auch wieder eine dedizierte Produkt- bzw. Technologiefokussierung aufweist.
Klassisch hat ein Hersteller, sagen wir mal, 80, 90 oder gar 100 Produkte unter seinem Namen im Angebot, aber doch meist nur eine Handvoll Produkte, die er wirklich richtig gut beherrscht oder für welche er im Markt steht. Genau da hat er dann auch einen echten Wettbewerbsvorteil. Genau diese Produkte selektieren wir aus jedem einzelnen unserer Lieferanten heraus und bauen daraus wieder ein neues, unser eigenes Produktportfolio.
Also im Endeffekt ist das, ich sag’s mal salopp, ein klassischer »Cherry Picking«-Prozess. Das gefällt auch nicht unbedingt jedem unserer Hersteller. Das ist vordergründig auch nachvollziehbar. Viele Hersteller wollen immer, dass wir am liebsten exklusiv und ohne Wettbewerbslinien alles verkaufen, was sie im Sortiment haben. Aber man muss dazu wissen, dass die meisten Hersteller eben nicht alles selber produzieren, was sie im Angebot haben, sondern oftmals eben nur einige Produkte, für welche sie technologisch und manchmal auch historisch stehen. Viele Produkte im Angebotsspektrum sind sog. Ergänzungkomponenten, um eben das Portfolio nach außen interessant zu machen und dem hier und da gepriesenen Ansatz des »One Stop Sourcing« gerecht zu werden. Uns interessieren aber nur die originären, echten Kernkompetenzen eines jeden einzelnen Herstellers.
Oft werden wir gefragt, warum wir so viele Hersteller für ein und dasselbe Produkt haben. Und das ist oftmals schon per se falsch, weil es sich gar nicht um ein und dasselbe Produkt handelt, aber vielleicht augenscheinlich von außen betrachtet so wirkt. Die Produktvielfalt ist enorm im Bereich frequenzgebender Komponenten. Und jeder dieser Anbieter, jeder unserer Lieferanten und Hersteller hat sich in der Regel aus historischem Grund auf ein bestimmtes Technologiesegment beschränkt. Der eine macht niederfrequente Quarze im kHz-Bereich , also z.B. Uhrenquarze und auch Real-Time-Clock-Module wie unser langjähriger Partner Micro Crystal. In diesem Bereich ist Micro Crystal erste Wahl. Wenn Sie jedoch einen klassischen SMD-Schwingquarz für eine Mikroprozessoranwendung benötigen, kann Ihnen Micro Crystal nicht helfen, denn solche Komponenten produzieren sie gar nicht. Dafür haben wir andere Hersteller, die das besonders gut können. Durch dieses Cherry-Picking haben wir überdies eine relative Objektivität. Wenn wir nur ein oder zwei Hersteller hätten, dann müssten wir auf Gedeih und Verderb deren Produkte anbieten. Aber da wir eine breite Palette haben, können wir dem Kunden dieses oder jenes Produkt empfehlen.
Darüber hinaus gibt es noch einen weiteren Vorteil, den ich in diesem Zusammenhang noch nennen möchte. Es gibt kaum einen Kunden heutzutage, der auf eine sogenannte Single Source setzt und nur eine Produkt- bzw. Herstellerfreigabe macht. In der Regel ist bei den meisten unserer Kunden mindestens eine Second Source verpflichtend. Und die können wir in den meisten Fällen auch aus unserem Portfolio liefern. Wir können also dem Kunden schon im Design-Umfeld sagen, lass mal die Finger von dem Produkt, da gibt es nur einen Lieferanten dafür. Lieferzeiten, kommerzielle Themen, Preis – alles etwas unsicher bei einer »Sole Source«. Wir können sagen, nimm mal das Produkt, da gibt es eine baugleiche Alternative von mindestens ein, zwei oder drei weiteren Herstellern. Deswegen sind viele Entwickler auch auf uns fokussiert, weil sie wissen, ich frag als erstes einmal die Kollegen bei WDI, was die von meiner Produktauswahl halten. Und wenn wir dann fragen, warum nimmst du dieses Produkt? Das ist ein bisschen exotisch. Hast du da wirklich einen spezifischen Grund dafür? Oder war das jetzt irgendwie durch Google ein Zufall? Genau diese Systematik ist unser Geschäftsmodell. Das wiederum grenzt uns ganz klar von der klassischen Distribution ab. Die klassische Distribution agiert im Prinzip so: Der Kunde fragt an, der Kunde kriegt ein Angebot, der Kunde kriegt eine Lieferzeit, einen Preis, eine VPE. Aber in der Regel kriegt er eben nicht die Benchmark-Information. Das ist der ganz, ganz große Unterschied. Es zeigt unsere Expertise.