Spezialistentum vs. Broadliner

Embedded-Distribution: Heiß begehrt, heiß umkämpft

18. Mai 2015, 15:44 Uhr | Karin Zühlke
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Persönlicher Kontakt zählt in der Embedded Branche mehr als anderswo

Thomas Gerhardt, Glyn  „Langfristig sehen wir große Chancen für uns: Bei Mergern ist trotz großer Ankündigungen  1 + 1 doch meistens eher 1,x – Lieferanten wechseln, Mitarbeiter orientieren sich anders, Kunden schauen sich um.“
Thomas Gerhardt, Glyn»Langfristig sehen wir große Chancen für uns: Bei Mergern ist trotz großer Ankündigungen 1 + 1 doch meistens eher 1,x – Lieferanten wechseln, Mitarbeiter orientieren sich anders, Kunden schauen sich um.«
Dr. Dominik Reßing  »MSC wird auch  im Avnet-Konzern  flexibel und agil wie ein  Mittelständler bleiben.«
Dr. Dominik Reßing»MSC wird auch im Avnet-Konzern flexibel und agil wie ein Mittelständler bleiben.«
© MSC Technologies

Mit einer guten Mischung aus Generalisten- und Spezialistentum und einer umfassenden Linecard will auch Future Electronics nach Auskunft von Claus-Martin Mündel, Technical Director Central Europe von Future, in der Embedded-Nische punkten: »Trotz der gesamten Palette eines Broadliners im Hintergrund haben wir so einen klaren Fokus hinsichtlich Embedded Control und können mit unserer FAE-Mannschaft die Kunden entsprechend unterstützen. Dazu hat neben unseren FAE-Spezialisten auch der Großteil unserer FAE-Generalisten tiefgreifendes Wissen und Erfahrung im Bereich Control, nicht zuletzt durch die ARM Zertifizierung.« Das ermögliche es Future, in der Regel früh am Entscheidungsfindungsprozess der Kunden teilzuhaben und bei Bedarf auch das Wissen seiner Partner im Software- und Modulbereich – etwa über das Design Partner Program – mit einzubringen. 

Die Broadliner haben also massiv aufgerüstet und sich in einem sehr fragmentierten Markt in Position gebracht. Wie erfolgreich sie mit ihrer Strategie sind, wird im Wesentlichen davon abhängen, wie glaubhaft sie ihre Embedded-Spezialisierung »verkaufen« und wie technisch kompetent sie diese untermauern können. Auch kurze Wege und lokale Ansprechpartner sind im Embedded-Geschäft unerlässlich. Wer hier erfolgreich sein will, muss Support in Landessprache bieten und darf dem Kunden nicht das Gefühl geben, mit einem schwerfälligen Konzern zu verhandeln. Avnet ist hier mit seinem Speedboat-Modell und der eher »föderalistisch« als zentralistisch geprägten Ausrichtung sicher im Vorteil gegenüber Arrow. 

Laut Dr. Dominik Reßing, neuer President von MSC Technologies, wolle MSC jedenfalls weiter auch im Avnet-Konzern »flexibel und agil wie ein Mittelständler bleiben«. (Lesen Sie mehr dazu im „Interview der Woche“ mit Dr. Reßing in Ausgabe 17.) MSC Technologies ist als eigene legale Einheit im Avnet-Konzern aufgestellt, was auch nach außen eine gewisse Selbständigkeit untermauern soll. 

Inwieweit Arrow diesem Vorbild mit Data Modul folgt oder das Unternehmen komplett eingliedert und eine neue »Embedded-Marke« an den Start schickt, bleibt abzuwarten. Fest steht: MSC und Data Modul waren beide über Jahrzehnte inhabergeführte Unternehmen. In jedem Fall wird sich die Kultur durch die neuen Eigentümer – mehr oder weniger – ändern. 

Die gallischen Dörfer 
der Spezialdistribution

Welche Auswirkungen haben nun die Übernahmen und die Maßnahmen der großen Distributionsunternehmen bislang auf die Embedded-Spezialdistributoren? Die Antworten sind gemischt und hängen vom Kundenkreis ab: Wer auf etablierte langjährige Kundenbeziehungen blickt, muss jedenfalls nicht befürchten, von heute auf morgen einen Teil seiner Kunden an die Großen der Branche zu verlieren. Im Gegenteil: »Im Moment spüren wir in der Tat eine Veränderung. Wir bekommen mehr Anfragen als zuvor. Die Kunden sehen die Veränderungen. Deshalb suchen sie nach stabilen Alternativen«, fasst Thomas Gerhardt zusammen, Geschäftsführer von Glyn. »Langfristig sehen wir große Chancen für uns. Bei Mergern ist trotz großer Ankündigungen 1 + 1 doch meistens eher 1,x. Lieferanten wechseln, Mitarbeiter orientieren sich anders, Kunden schauen sich um. All diese Bewegungen im Markt sortieren einiges neu. Für uns entstehen dabei Freiräume, die wir für unser nachhaltiges gesundes Wachstum nutzen werden. Wir sind die starke Alternative zu den großen Broadlinern.« Dabei steht Glyn für eine ausgeprägte Support-Kultur und kann einen Eigenkapitalanteil von 82 Prozent vorweisen. 

Das Prinzip »Business as usual« gilt bei Fortec, einem der größten Spezialdistributoren für Embedded, Displays und Stromversorgungen in der DACH-Region. »Wir machen unseren Job weiter wie bisher«, sagt Dr. Herfried Ahrens, Produktmanager von Fortec. »Auch wenn die Broadliner durch massive Zukäufe in den Markt der Embedded Distribution hineindrängen, ändert sich zuerst einmal nichts am Markt. Der Name eines mittelständischen Anbieters verschwindet, und ein neuer (amerikanischer) Name taucht als Wettbewerber auf. Sofern die handelnden Personen bei den Wettbewerbern die gleichen bleiben, wird kurz- und mittelfristig nicht viel passieren. Der Embedded-Markt ist auch bisher schon ein hart umkämpfter Markt, der allerdings bislang noch sehr fragmentiert ist, sowohl von der Hersteller- als auch von der Distributionsseite.«

Langfristig sieht Ahrens aber sehrwohl Auswirkungen in Form einer weiteren Konsolidierung: »Es ist anzunehmen, dass die Broadliner – sofern sie langfristig überhaupt in diesem engen Spezialmarkt bleiben werden – vermutlich aufgrund ihrer Kapitalstärke weitere Distributoren zukaufen. Das mag noch einige Jahre dauern. Erst dann wird man sehen, welche Auswirkungen der Einstieg der Broadliner auf unser Geschäft haben wird. Wir sehen unsere Stärke darin, dass wir als mittelständisch geprägter Spezialist mit kurzen Entscheidungswegen neue Entwicklungen schnell adaptieren und flexibel auf Markttrends reagieren können. Unsere technische Stärke liegt insbesondere auf dem Gebiet von kundenspezifisch produzierten Displaysystemen mit Touchlösungen, die wir in unserem eigenen Werk in Pilsen ausführen.«

Auch wenn ein gewisses Maß an Zweckoptimismus eine Rolle spielen mag: Das Embedded-Spezialistentum wird auch künftig nicht vom Markt verschwinden, weil die Kundenstruktur im Embedded-Segment, anders als im Automobilsektor beispielsweise, vor allem mittelständisch geprägt ist: Und diese Mittelständler schätzen es nach den Worten von Ahrens, wenn sie beim Distributor – gerade weil es sich um komplexe Systeme handelt – einen schnellen Draht zur Geschäftsleitung  haben. »Den Jahrzehnte währenden persönlichen Kontakt haben gerade wir verbliebenen Spezialisten den Broadlinern allemal voraus, und das könnte sich zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil entwickeln«, resümiert Ahrens – und bricht damit eine Lanze für alle verbliebenen Embedded-Spezialisten.

 Mit einer guten Mischung aus Generalisten- und Spezialistentum und einer umfassenden Linecard will auch Future Electronics nach Auskunft von Claus-Martin Mündel, Technical Director Central Europe von Future, in der Embedded-Nische punkten: »Trotz der gesamten Palette eines Broadliners im Hintergrund haben wir so einen klaren Fokus hinsichtlich Embedded Control und können mit unserer FAE-Mannschaft die Kunden entsprechend unterstützen. Dazu hat neben unseren FAE-Spezialisten auch der Großteil unserer FAE-Generalisten tiefgreifendes Wissen und Erfahrung im Bereich Control, nicht zuletzt durch die ARM Zertifizierung.« Das ermögliche es Future, in der Regel früh am Entscheidungsfindungsprozess der Kunden teilzuhaben und bei Bedarf auch das Wissen seiner Partner im Software- und Modulbereich – etwa über das Design Partner Program – mit einzubringen. 

Die Broadliner haben also massiv aufgerüstet und sich in einem sehr fragmentierten Markt in Position gebracht. Wie erfolgreich sie mit ihrer Strategie sind, wird im Wesentlichen davon abhängen, wie glaubhaft sie ihre Embedded-Spezialisierung »verkaufen« und wie technisch kompetent sie diese untermauern können. Auch kurze Wege und lokale Ansprechpartner sind im Embedded-Geschäft unerlässlich. Wer hier erfolgreich sein will, muss Support in Landessprache bieten und darf dem Kunden nicht das Gefühl geben, mit einem schwerfälligen Konzern zu verhandeln. Avnet ist hier mit seinem Speedboat-Modell und der eher »föderalistisch« als zentralistisch geprägten Ausrichtung sicher im Vorteil gegenüber Arrow. 

Laut Dr. Dominik Reßing, neuer President von MSC Technologies, wolle MSC jedenfalls weiter auch im Avnet-Konzern »flexibel und agil wie ein Mittelständler bleiben«. (Lesen Sie mehr dazu im „Interview der Woche“ mit Dr. Reßing in Ausgabe 17.) MSC Technologies ist als eigene legale Einheit im Avnet-Konzern aufgestellt, was auch nach außen eine gewisse Selbständigkeit untermauern soll. 

Inwieweit Arrow diesem Vorbild mit Data Modul folgt oder das Unternehmen komplett eingliedert und eine neue »Embedded-Marke« an den Start schickt, bleibt abzuwarten. Fest steht: MSC und Data Modul waren beide über Jahrzehnte inhabergeführte Unternehmen. In jedem Fall wird sich die Kultur durch die neuen Eigentümer – mehr oder weniger – ändern. 

Die gallischen Dörfer 

der Spezialdistribution

 

Welche Auswirkungen haben nun die Übernahmen und die Maßnahmen der großen Distributionsunternehmen bislang auf die Embedded-Spezialdistributoren? Die Antworten sind gemischt und hängen vom Kundenkreis ab: Wer auf etablierte langjährige Kundenbeziehungen blickt, muss jedenfalls nicht befürchten, von heute auf morgen einen Teil seiner Kunden an die Großen der Branche zu verlieren. Im Gegenteil: »Im Moment spüren wir in der Tat eine Veränderung. Wir bekommen mehr Anfragen als zuvor. Die Kunden sehen die Veränderungen. Deshalb suchen sie nach stabilen Alternativen«, fasst Thomas Gerhardt zusammen, Geschäftsführer von Glyn. »Langfristig sehen wir große Chancen für uns. Bei Mergern ist trotz großer Ankündigungen 1 + 1 doch meistens eher 1,x. Lieferanten wechseln, Mitarbeiter orientieren sich anders, Kunden schauen sich um. All diese Bewegungen im Markt sortieren einiges neu. Für uns entstehen dabei Freiräume, die wir für unser nachhaltiges gesundes Wachstum nutzen werden. Wir sind die starke Alternative zu den großen Broadlinern.« Dabei steht Glyn für eine ausgeprägte Support-Kultur und kann einen Eigenkapitalanteil von 82 Prozent vorweisen. 

Das Prinzip »Business as usual« gilt bei Fortec, einem der größten Spezialdistributoren für Embedded, Displays und Stromversorgungen in der DACH-Region. »Wir machen unseren Job weiter wie bisher«, sagt Dr. Herfried Ahrens, Produktmanager von Fortec. »Auch wenn die Broadliner durch massive Zukäufe in den Markt der Embedded Distribution hineindrängen, ändert sich zuerst einmal nichts am Markt. Der Name eines mittelständischen Anbieters verschwindet, und ein neuer (ame-

rikanischer) Name taucht als Wettbewerber auf. Sofern die handelnden Personen bei den Wettbewerbern die gleichen bleiben, wird kurz- und mittelfristig nicht viel passieren. Der Embedded-Markt ist auch bisher schon ein hart umkämpfter Markt, der allerdings bislang noch sehr fragmentiert ist, sowohl von der Hersteller- als auch von der Distributions-

seite.«

Langfristig sieht Ahrens aber sehrwohl Auswirkungen in Form einer weiteren Konsolidierung: »Es ist anzunehmen, dass die Broadliner – sofern sie langfristig überhaupt in diesem engen Spezialmarkt bleiben werden – vermutlich aufgrund ihrer Kapitalstärke weitere Distributoren zukaufen. Das mag noch einige Jahre dauern. Erst dann wird man sehen, welche Auswirkungen der Einstieg der Broadliner auf unser Geschäft haben wird. Wir sehen unsere Stärke darin, dass wir als mittelständisch geprägter Spezialist mit kurzen Entscheidungswegen neue Entwicklungen schnell adaptieren und flexibel auf Markttrends reagieren können. Unsere technische Stärke liegt insbesondere auf dem Gebiet von kundenspezifisch produzierten Displaysystemen mit Touchlösungen, die wir in unserem eigenen Werk in Pilsen ausführen.«

Auch wenn ein gewisses Maß an Zweckoptimismus eine Rolle spielen mag: Das Embedded-Spezialistentum wird auch künftig nicht vom Markt verschwinden, weil die Kundenstruktur im Embedded-Segment, anders als im Automobilsektor beispielsweise, vor allem mittelständisch geprägt ist: Und diese Mittelständler schätzen es nach den Worten von Ahrens, wenn sie beim Distributor – gerade weil es sich um komplexe Systeme handelt – einen schnellen Draht zur Geschäftsleitung  haben. »Den Jahrzehnte währenden persönlichen Kontakt haben gerade wir verblie-

benen Spezialisten den Broadlinern allemal voraus, und das könnte sich zum entschei-

denden Wettbewerbsvorteil entwickeln«, resümiert Ahrens – und bricht damit eine Lanze für alle verbliebenen Embedded-Spezialisten. (zü) 


  1. Embedded-Distribution: Heiß begehrt, heiß umkämpft
  2. Persönlicher Kontakt zählt in der Embedded Branche mehr als anderswo

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