Farnell engagiert sich seit Jahren stark im Bereich Single-Board-Computing und Education rund um den Raspberry Pi – inzwischen sind 10 Millionen Stück alleine über den Farnell-Shop verkauft worden. Wohin geht‘s in Zukunft mit dem Raspberry Pi?
Wir haben weltweit einen Marktanteil von 60–70 Prozent beim Verkauf der Raspberry-Pi-Produkte und haben 2017 den zehnmillionsten Pi verkauft, das ist richtig. Natürlich machen wir uns Gedanken, wie es weitergehen kann, was mit Pi außer im Maker-Umfeld noch realisiert werden könnte. Die Diskussionen auch mit großen OEMs gehen dahin, ob es möglich ist, eine Computing-Plattform mit Pi zu realisieren, anstatt Eigenentwicklungen zu treiben. Es gibt eine große Code-Basis, die Entwickler-Community ist umfassend – insofern ist die Pi-Plattform auch unter Personalbeschaffungssicht ein spannendes Thema. Zusammen mit der Raspberry Pi Foundation wollen wir den Pi auch mehr in den OEM-Bereich übertragen. Ein denkbares Feld wäre beispielsweise, Gateways für IoT-Applikationen mit einem Pi zu realisieren.
Vor gut eineinhalb Jahren hat Farnell zusammen mit der BBC und Microsoft den „Edu Single Board Computer“ Microbit vorgestellt – was gab den Anstoß, „noch einen“ SBC auf den Markt zu bringen?
Mit Microbit wollen wir eine deutlich reduzierte Version von SBCs bieten, die den Einstieg ins Coding ermöglichen soll. Sie soll auch dafür sorgen, dass Lehrer und Behörden ein Stück Hardware mit Lehrmittel bekommen. Der Gedanke am Anfang war, wie wir einen SBC schaffen können, der günstiger und weniger komplex ist als der Pi. Wir wollten einen SBC im Kern entwickeln, aber mit einfacherem Software-Zugang, den auch Sechst- oder Siebtklässler verstehen können. Dieses Produkt lässt sich mit einem sehr einfachen Interface bedienen. Aber wir haben auch Tools dafür, mit denen ein Entwickler hierfür in C++ schreiben könnte. Der Kern des Microbit ist ein ARM-basierter Mikrocontroller. Microbit ist also kein Spielzeug, sondern ein seriöses Produkt, das letztlich auch dazu dienen soll, die Software-Ingenieure von morgen zu gewinnen.
Microbit wurde 2016 gelauncht und über eine Million Mal im Rahmen eines Social-Responsibility-Projekts der BBC in England an Schüler verteilt. Inzwischen haben wir zusammen mit der BBC und Microsoft weltweit zahlreiche Rollouts zu verzeichnen, z.B. jüngst in Singapur, Kroatien und Island. In vielen großen Ländern gibt es Test-Launches, wo Teilgruppen von Schülerjahrgängen einen Microbit erhalten. Das Produkt hat massiv an Popularität gewonnen, weil die Lehrkörper festgestellt haben, wie leicht es ist, das Produkt direkt im Unterricht einzusetzen. An diesem Punkt knüpfen wir an und entwickeln weitere Produkte und Plattformen, um dabei zu unterstützen, die nächste Generation an Software-Ingenieuren in die Industrie zu bringen.
Und in Deutschland? Auch hier bräuchten wir ja dringend mehr Software-Ingenieure.
Wir sind in Gesprächen, aber die Mühlen mahlen hierzulande etwas langsamer. Wir vertreiben das Produkt in Deutschland, aber es gibt derzeit keinen großen Feldversuch. Wir arbeiten dran und sind zuversichtlich, dass wir in Zukunft auch hier etwas aufsetzen können.
Wie schätzen Sie den Distributionsmarkt derzeit ein?
2016 hat niemand so richtig gesehen, was passieren wird. Es gab erste Verknappungen in Nischen. Aber über das Jahr 2017 verteilt hat sich das über alle Produktgruppen durchgezogen. Wir haben einen sehr stabil wachsenden Markt vorgefunden, der uns vor die Aufgabe gestellt hat, die Verfügbarkeit sicherzustellen. Ich sehe nach wie vor nicht DEN einen Teilbereich – bzw. DIE Killerapplikation, die den Bedarf treibt. Automotive ist ein Faktor, aber auch Industrial und Mobile sind gewachsen. Typischerweise sind früher nie alle Applikationsgruppen gewachsen. Das war 2017 anders. Die Book-to-Bills sind alle solide über 1. Es gibt unseres Erachtens keine oder nur sehr wenig Sicherheitsbuchungen. Alle Regionen wachsen weiter schön und es ist auch nicht abzusehen, dass sich das kurzfristig ändern wird. Viele Hersteller investieren, aber durch die vielen Konsolidierungen hat 1+1 auch nicht in jedem Fall die 2-fache Kapazität ergeben.
Wir sehen jedenfalls sehr optimistisch ins laufende Jahr. Wir sind als Avnet ja bereits im dritten Quartal 2018.
Sie sprachen die Automotive-Industrie als Markttreiber an – was passiert, wenn sich die Elektromobilität durchsetzt?
Auf der einen Seite läuft Automotive sehr gut und die Elektrifizierung hat ja noch gar nicht richtig begonnen. Sie würde einen massiven zusätzlichen Bedarf an Halbleitern erfordern. Wir gehen weg von einem Verbrennungsmotor; es fallen also einige Teile weg, dafür haben wir mehr Einzelmotoren und die Lade-Infrastruktur.
Abgesehen von der Automobilbranche sehen wir nach wie vor auch sehr viele neue Geschäftsmodelle von Startups und aus der Maker-Szene aus dem gesamten Spektrum des IoT heraus – und bekanntlich funktioniert kein IoT-Produkt ohne Halbleiter. Auch hier wird also der Bedarf an Halbleitern weiter zunehmen.
Wir engagieren uns intensiv beim Thema Startups; gerade läuft wieder eine neue Runde unseres Startup-Boot-Camps, in dem wir zehn bis zwölf Startups durch den Prozess führen, von der Idee zum marktreifen Produkt zu kommen. Die aktuelle Runde beschäftigt sich hauptsächlich mit Industrieanwendungen im IoT. Hier sieht man sehr gut, wie viel Innovationspotenzial für die Elektronik im Thema IoT noch steckt.
Farnell auf der embedded world 2018: Halle 1, Stand 370