Hat Europas Rolle als Entwicklungsstandort gelitten?
Nein. Die Kunden lagern weiter aus, aber für High-Mix/Low-Volume- Produktionen ist Europa nach wie vor prädestiniert. Europa ist durch den schwachen Euro wesentliche wettbewerbsfähiger geworden und in einigen Marktsegmenten extrem innovativ. Zum Beispiel im Bereich erneuerbarer Energien spielt Europa eine führende Rolle. Und all diese Märkte sind typische Betätigungsfelder für die Distribution, weil sie sehr fragmentiert und eine Vielzahl von Firmen involviert ist. Eine sehr gute Situation.
Sie erwähnten vorhin, dass die Situation im Automobilsektor weniger positiv aussieht.
Die Signale sind unterschiedlich. Seit die Abwrackprämie ausläuft geht der Inlandsmarkt wieder nach unten, das ist spürbar seit April. Von der Abwrackprämie haben vor allem die kleineren Autos profitiert. Nun beginnen allerdings die Firmen ihre Flotten zu erneuern, dies betrifft Autos die deutlich mehr Elektronik enthalten als Kleinwagen. Im Mai sind die Neuwagen-Anmeldungen um 32 % nach unten gegangen. Dafür legt jetzt der Export stark zu, wohl wegen des schwachen Euro. Hier profitieren auch die höherwertigen Fahrzeuge. Deshalb meine Vorsicht. Dagegen bin ich für das Industriesegment sehr optimistisch.
Wie erholen sich die einzelnen europäischen Regionen?
Wenn man sich das erste Quartal ansieht, dann ist der europäische Distributionsmarkt für Halbleiter im Jahresvergleich um 33 % gewachsen. Sehr interessante Veränderungen gibt es im Ranking: Deutschland ist unverändert der größte Distributionsmarkt innerhalb Europas, Italien ist unverändert die Nummer zwei. Und auf Platz drei – das ist neu – liegen England, Frankreich und Nordic gleich auf. In UK, das jahrelang rückläufige Umsätze hinnehmen musste, hat sich die Lage stabilisiert. Italien hat dagegen in der Krise überdurchschnittlich gelitten, aufgrund seiner starken industriellen Prägung, konnte aber dafür im ersten Quartal 2010 leicht überdurchschnittlich zulegen. Grundsätzlich gilt: alle Märkte die durch Industrie und einen starken Export geprägt sind, waren von der Krise am stärksten betroffen. Spanien war mit -18 % weniger stark betroffen als der Rest Europas, blieb aber mit einem Wachstum von 13 % im ersten Quartal sehr weit hinter dem europäischen Durchschnitt von 33 % zurück.
Auch Osteuropa scheint zurück zu sein: Hier belief sich der Rückgang auf 24 %, während im ersten Quartal 2010 ein plus von 59 % zu sehen war. Das Auslagern nach Osteuropa setzt sich also fort. Lediglich Russland läuft nicht sehr gut, es gibt dort eine Reihe von Problemen, die verhindern, dass sich dort ein Boommarkt entwickelt, wie noch vor wenigen Jahren erwartet.
Wie entwickeln sich die einzelnen Avnet-Töchter?
Sehr gut. EBV und Silica sind hervorragend aufgestellt, Avnet Memec ist die Nummer eins bei all ihren Partnern. Und auch Avnet Abacus, nun seit einem Jahr in dieser Formation am Start, entwickelt sich überproportional.
Der Vorgänger, Avnet Time, galt lange Jahre als Sorgenkind. Hat die IP&E-Organisation durch die Übernahme der Abacus und den Neustart als Avnet Abacus ihre Schwächen überwunden?
Mehr als das: die Akquisition hat diesen Trend komplett umgedreht. Avnet Abacus besitzt ein komplett neues Managementteam und konnte durch Abacus ihre Ressourcen verdoppeln. Mit 430 Mitarbeitern, davon über 50 FAEs, verfügen wir über genügend personelle Ressourcen, um die unterschiedlichsten Marktsegmente abzudecken. Hinzu kommt, dass wir mit Michael Knappmann einen Regional Director für Zentraleuropa gewinnen konnten, der die IP&E-Kultur in Avnet komplett geändert hat und für eine hoch motivierte Mannschaft sorgt.