Bei Innovationen in der Automobilsoftware geht es nicht nur um die Entwicklung neuer Funktionen. Es geht auch darum, die Prozesse, die sie unterstützen, zu verfeinern beziehungsweise neu zu definieren.
Software-Innovationen sind unbestreitbar von entscheidender Bedeutung, insbesondere da die Verbraucher zunehmend High-Tech-Funktionen wie autonomes Fahren verlangen. Die eigentliche Herausforderung besteht jedoch darin, sicherzustellen, dass die Entwickler auch die Prozesse zur Erstellung von Automobilsoftware erneuern.
Die Veränderung des menschlichen Verhaltens, insbesondere in einer Branche mit einer langwährenden Tradition wie der Automobilindustrie, ist keine leichte Aufgabe. Die Serienproduktion von Software – die mit einer Fertigungslinie vergleichbar ist – bietet zwar Kontrolle, ist aber nicht mehr der effizienteste oder effektivste Weg, die Softwareentwicklung anzugehen.
Gefragt ist ein agilerer Ansatz, der kleinere Schritte und innovative Testmethoden umfasst, wie zum Beispiel virtuelle Umgebungen. Komplexe Software erfordert Prozessinnovationen, und die Branche muss sich dieser Herausforderung stellen.
Das V-förmige Entwicklungsmodell war bisher die anerkannte Art und Weise, die Kundenanforderungen mit dem fertigen Produkt in Einklang zu bringen. Dies ist aber zeitaufwändig und oft ungenau. Bei der Innovation geht es nicht nur darum, neue Technologien zu übernehmen, sondern auch darum, über die Tradition hinaus zu denken und zu überlegen, welche neuen Prozesse mit fortschrittlichen Werkzeugen wie KI möglich sein könnten.
Auf dem Weg zur Prozessinnovation geht es sowohl um Kultur als auch um Methodik. Entwickler, die oft damit beschäftigt sind, Fehler zu beheben und Software zu veröffentlichen, übersehen oft die Notwendigkeit, ihre Prozesse neu zu bewerten. Technologisch junge Unternehmen setzen verstärkt auf Agilität und Innovation. Das haben mittlerweile auch größere OEMs bemerkt und wollen nachziehen. Diese Branchenriesen suchen nun nach Erkenntnissen von agilen Startups, was auf einen vielversprechenden Wandel hin zu einer kollaborativen und innovativeren Zukunft hindeutet.
Für Entwickler, die bereits auf diese Weise denken, geht es darum, sich die Anforderungen, die Entwicklung und das Testen anzusehen und dann zu überlegen, wie diese Prozesse mithilfe von Technologie oder neuen Arbeitsweisen verbessert werden können.
Die Überlegungen sollten bei den Herausforderungen beginnen. In welchen Bereichen führen die bisherigen Entwicklungsmethoden nicht vollständig zu den gewünschten Ergebnissen? Vielleicht dauert der Testprozess zu lange oder es ist schwierig, Updates rechtzeitig zu veröffentlichen. Vielleicht sind es externe Faktoren wie die Lieferkette, die Probleme verursachen. Was auch immer es sein mag, ein innovativer Ansatz für den Prozess könnte die Antwort sein, insbesondere wenn er durch Technologie unterstützt wird.
Wenn der Testprozess beispielsweise zu aufwendig erscheint, stellt sich die Frage, ob das Ausführen aller Tests, unabhängig von den Softwareänderungen, wirklich der beste Weg ist, um Softwarequalität zu erreichen. Die Umstellung auf einen Prozess, der KI einbezieht, um die Änderungen in der Software zu erkennen und die potenziellen Qualitätsrisiken zu analysieren, könnte hier die Lösung sein.
Die Kosten sowie der Ressourceneinsatz für das Erkennen und Beheben von Softwareproblemen steigen, wenn die Software den Softwarelebenszyklus durchläuft. Herkömmliche Methoden für Software-Updates sind beispielsweise mit bestimmten Einschränkungen verbunden, insbesondere wenn es um die Geschwindigkeit geht, mit der Hersteller Updates veröffentlichen können.
So ist die Aktualisierung der Fahrzeugsoftware traditionell mit ineffizienten Prozessen verbunden, die erst nach der Entwicklung und Installation der Software im Fahrzeugsteuergerät integriert und implementiert werden – ein umständlicher und datenintensiver Prozess, der alles andere als kostengünstig ist. KI-Technologie ermöglicht es nun, Software-Updates als integralen Bestandteil des Softwareentwicklungsprozesses und nicht erst im Nachhinein zu integrieren.
Um die Leistungsfähigkeit dieser Technologie nutzen zu können, ist es wichtig, die Tools in den CI/CD-Prozess (Continuous Integration and Continuous Deployment) zu integrieren. Das macht den Prozess nicht nur effizienter, sondern ebnet auch den Weg für eine schnellere und agilere Softwareentwicklung.
Bei der Digitalisierung der Automobilindustrie ist es entscheidend, die nötige Balance zwischen Innovation und Prozessoptimierung zu finden. Durch den Einsatz agiler Methoden, die Schaffung einer Kultur der kontinuierlichen Verbesserung, die Umstellung auf neue Technologien und die Integration von KI-Tools können etablierte Automobilhersteller dabei sicherstellen, dass sie in einer sich schnell entwickelnden Branche immer einen Schritt voraus sind.
Alexander Bodensohn
ist Director Business Development bei Aurora Labs.