Die aktualisierte Alternative Fuels Infrastructure Regulation (AFIR) stellt Betreiber von Ladestationen vor eine neue Herausforderung: Ad-hoc-Laden muss nun auch für nicht registrierte Nutzer möglich sein. Enovates und Elatec zeigen, wie eine Lösung ohne Austausch von Hardware realisierbar ist.
Sechs Monate – ein äußerst knapper Zeitrahmen, wenn es um die Umsetzung einer komplexen neuen Gesetzesverordnung geht. Aber bei der seit April 2024 geltenden »Alternative Fuels Infrastructure Regulation«, kurz AFIR, war genau das der Fall. Eine große Herausforderung, vor allem für Pioniere der Elektromobilität. Die Intention der europäischen Gesetzgeber ist es, mit der Richtlinie den Übergang zu nachhaltiger Elektromobilität zu beschleunigen und allen Verkehrsteilnehmern unkomplizierten und sicheren Zugang zur nötigen Ladeinfrastruktur zu ermöglichen.
Wichtige Voraussetzung dafür ist das sogenannte Ad-hoc-Laden, also die Möglichkeit zu spontanem Laden auch für nicht registrierte Benutzer sowie für Benutzer ohne vertragliche Bindung an einen bestimmten Anbieter. Die Richtline schreibt vor, dass hierfür bei Ladestationen mit einer Ladeleistung von weniger als 50 kW ein sicheres Ad-hoc-Zahlungsverfahren integriert sein muss.
Betreiber von öffentlichen oder halböffentlichen Lademöglichkeiten wie Supermarktketten, Einkaufszentren, Tankstellennetze oder öffentliche Parkhäuser stellt genau diese Anforderung vor eine komplexe Aufgabe. Denn bei den meisten bestehenden Ladesäulen wird der Bezahlvorgang über eine separate Infrastruktur, beispielsweise vorherige Registrierung bei einem Dienstleister oder Abschließen eines Vertrages, abgewickelt. Nun müssen Preisinformationen und Bezahlen aber direkt an der Ladestation ohne große Zwischenschritte möglich sein.
Bisher kommen für das Ad-hoc-Zahlungsverfahren an den Ladesäulen häufig statische QR-Codes zum Einsatz. Ein simpler Aufkleber an der Ladestation genügt. Die Kunden scannen den Code mit ihrem Smartphone und werden zum Online-Bezahlservice weitergeleitet. Ebenso unkompliziert ist diese Lösung aber auch für Betrüger. Sie müssen nichts weiter tun, als die Aufkleber mit gefälschten Codes zu überkleben und die Kunden so auf betrügerische Bezahlseiten leiten. Die Betrugsmasche ist mittlerweile so weit verbreitet, dass sie bereits einen eigenen Namen hat: Quishing, eine Wortschöpfung aus QR-Code und Phishing.
Die AFIR-Verordnung empfiehlt daher, für den Zahlungsvorgang dynamische QR-Codes zu nutzen. Diese werden für jede Zahlung neu generiert und sind deutlich schwerer zu fälschen. Um dy- namische QR-Codes darzustellen, ist ein digitales Display nötig. Während alle Ladestationen, die ab dem 13. April 2024 in Betrieb genommen wurden, über eine Funktion für die sichere Ad-hoc-Zahlung verfügen müssen, gibt es viele ältere Ladestationen, die hierfür nachgerüstet werden müssen. Insbesondere Anbieter, die Vorreiter in puncto Elektromobilität sind, sehen sich also mit hohen Kosten für die Nachrüstung oder den Austausch ihrer bestehenden Ladeinfrastruktur konfrontiert.
Elatec hat für den belgischen Mobilitätsanbieter Enovates und seine Kunden aus Wirtschaft und öffentlicher Hand eine clevere, nachhaltige Alternative gefunden. Als OEM-Anbieter verkauft Enovates seine Lösungen ausschließlich an Unternehmen (B2B) und den öffentlichen Sektor (B2G). Für seine intelligenten Ladesysteme setzt das Unternehmen zur Benutzerauthentifizierung bereits seit 2018 auf RFID-Technik von Elatec.
Integrierte RFID-Leser sorgen für zusätzliche Sicherheit und flexible Zugangskontrolle. Dank dieser Kombination kann der Nutzer sich einfach authentifizieren und der Betreiber die Abrechnung genau verwalten und sicherstellen, dass die Ladestationen nur von autorisierten Personen genutzt werden. Das verbessert sowohl das allgemeine Nutzererlebnis als auch die betriebliche Effizienz. Als Vorreiter in Sachen Elektromobilität mit einer breiten installierten Basis sind Enovates und seine Kunden besonders von den AFIR-Anforderungen betroffen.
Das Unternehmen suchte daher nach einer kosten- und ressourcensparenden Möglichkeit, die vorhandene Lade- infrastruktur weiter zu nutzen, und fand sie in den modernen RFID-Lesegeräten, die bereits in den Ladestationen integriert waren. Der in den Enovates-Ladesäulen eingesetzte Leser unterstützt – wie alle Lesegeräte von Elatec – verschiedene Funk- und Transpondertechnologien. Darunter auch NFC, eine Standardfunktechnik in Smartphones.
Darüber hinaus können Elatec-Kunden die Kartenleser mithilfe eines Software Development Kits flexibel an individuelle oder neue gesetzliche Anforderungen anpassen. Die Frage lag also nahe: Kann man die Software so umschreiben, dass der Bezahlvorgang sicher zwischen Smartphone und Lesegerät abgewickelt wird? Ja, lautet die Antwort, die Elatec in gemeinsamer Entwicklungsarbeit quasi durch innovatives »thinking inside the box« gefunden hat.
Kern der Antwort war eine Aktualisierung der Firmware der Lesegeräte. Diese können nun nicht nur NFC-Signale empfangen, sondern selbst einen NFC-Tag emulieren, also einen physischen NFC-Tag digital nachbilden. NFC-Tags können mit Smartphones interagieren und vorher festgelegte Kommandos ausführen, sobald sich das Smartphone in dessen Nähe befindet. Über diesen emulierten Tag kann die E-Ladestation nun mit einem Smartphone via NFC kommunizieren und eine Aktion, wie etwa das Öffnen einer sichereren Bezahlwebseite, auslösen. Hält der Kunde sein Smartphone an den Leser der Ladesäule, öffnet sich auf dem Smartphonedisplay eine sichere Zahlungswebseite mit den aktuellen Ladepreisen und weiteren Anweisungen zum Zahlungsvorgang. Auch die Zahlung selbst wird direkt über die sichere Webseite abgewickelt.
Für die Betreiber von Ladestationen stellt dies eine komfortable Möglichkeit zur Zahlungsabwicklung dar, denn der Zugang ist mit jedem NFC-fähigen Smartphone möglich und Nutzer benötigen weder eine besondere App noch ein Abonnement für die Ladestation. Zudem ist sie kostensparend und rechtssicher, denn sie erfüllt alle AFIR-Anforderungen für Ad-hoc-Ladevorgänge und Preistransparenz, ohne dass die Ladestationen mit teuren LCDs nachgerüstet werden müssen.
Zudem ist die Zahlung via NFC fälschungssicherer als die Zahlung via dynamischer QR-Codes. Damit verfügen die Ladestationen von Enovates nun über sichere und effiziente Benutzerauthentifizierung sowie die von der AFIR geforderte Ad-hoc-Bezahlung an öffentlichen Ladestationen.
Darüber hinaus punktet die Lösung auch beim Thema Nachhaltigkeit, denn das Unternehmen kann so die vorhandene Infrastruktur noch lange weiternutzen.
Für die Umsetzung der AFIR-Richtlinie ließ der Gesetzgeber den Betreibern gerade einmal sechs Monate Zeit. Nicht nur musste in dieser Zeit die richtige Idee geboren und der neue Code für die Firmware geschrieben werden, es muss sichergestellt werden, dass das Update zeitnah an alle Enovates-Kunden und deren Ladestationen ausgeliefert werden kann.
Auch in diesem Punkt zeigt die neue Lösung ihre Stärke: Es braucht weder Zeit noch Manpower, um Ladestationen vor Ort auszutauschen oder nachzurüsten. Es genügt ein Tastendruck. Denn Elatecs RFID-Lesegeräte lassen sich effizient und schnell per Fernwartung aktualisieren. Die neue Software wird wie ein Update am PC einfach zu einem bestimmten Zeitpunkt auf die Kartenleser aufgespielt. Damit zeigt die Elatec-Entwicklung nicht nur einen innovativen Weg zur AFIR-Konformität, sondern stellt auch eine potenzielle Blaupause für die Anpassung von Ladeinfrastrukturen an künftige technologische oder gesetzliche Anforderungen dar.
Tobias Rasche
ist Global Head of Product Management bei der Elatec-Gruppe und treibt Innovationen im Bereich RFID-Technologie voran. Mit seinem Fokus auf kundennahe Produktentwicklung sorgt er dafür, dass Elatec-Produkte branchenübergreifend auf die spezifischen Anforderungen verschiedener Märkte abgestimmt sind. Durch sein Engagement für univer-selle Lösungen in der Zugangskontrolle schafft er weltweit Mehrwert für Unternehmen und entwickelt mit seinem Team fortschrittliche, zukunftssichere Produkte.