Automatisierung im Güterverkehr

Auf dem Weg zu Level 5

15. Mai 2023, 13:24 Uhr | Autorin: Sunny Choi, Redaktion: Irina Hübner
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Hohe Energiepreise, ambitionierte Klimaziele und der Fahrermangel setzen Flottenbetreiber unter Druck. Autonome Lkw könnten helfen, diese Herausforderungen zu meistern. Obwohl Level-5-Fahrzeuge im kommerziellen Straßenverkehr noch Zukunftsmusik sind, gibt es bereits vielversprechende Vorstufen.

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Exorbitante Energiepreise sowie der Fachkräftemangel setzen der Logistikbranche zu. Allein in Deutschland fehlen derzeit etwa 100.000 Berufskraftfahrer, so der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL). Flottenbetreiber sind verzweifelt auf der Suche nach Lösungen, um dem Fahrermangel Herr zu werden und einen sowohl wirtschaftlichen als auch nachhaltigen Betrieb zu ermöglichen. Denn neben den ökonomischen Sparzwängen wird auch das Thema Nachhaltigkeit und Umweltschutz immer wichtiger. Selbstfahrende Lkw könnten der Schlüssel sein, um diese Herausforderungen zu meistern.

Technische Hintergründe zum autonomen Fahren

Autonomes Fahren (Level 5) ist Software-basiert, das heißt eine Software stellt die Funktionen bereit, um den Lkw zu steuern. Sie interagiert mit den technischen Komponenten im Fahrzeug und kontrolliert sie. Verschiedene Sensoren versorgen die Software in einem Winkel von 360 Grad um das Fahrzeug herum mit Umgebungsinformationen, ähnlich wie Sinnesorgane.

Das hochautomatisierte Fahren (Level 2+), bei dem sich immer noch ein professioneller Fahrer an Board befindet, benötigt prinzipiell bereits alle Komponenten und Sensoren, die auch für das autonome Fahren erforderlich sind. Dabei ist es wichtig, verschiedene Sensor-Technologien, die jeweils individuelle Vor- und Nachteile bieten, miteinander zu kombinieren und auf Redundanz zu achten.

So gewinnt das System umfassende Informationen und bleibt funktionsfähig, auch wenn ein bestimmter Sensor ausfällt. Hochautomatisierte Fahrsysteme setzen meist auf eine Kombination aus Mono- und Stereo-Kameras, sowie Lidar und Radar-Sensoren. Ihre Daten fließen in der zentralen Compute-Einheit im Auto zusammen, die als Gehirn des Fahrzeugs fungiert und alle Informationen verarbeitet.

Was kann hochautomatisiertes Fahren bereits?

Das hochautomatisierte Fahren bietet bereits heute vielerlei Vorteile. Dazu zählt etwa ein automatischer und vorgeschlagener Fahrspurwechsel. Das hochautomatisierte Fahrsystem (HAD) verfügt über einen 360-Grad-Blick auf die Umgebung und erkennt, wann der beste Moment ist, die Fahrspur zu wechseln. Der Fahrer erhält ein Signal und kann die Aktion einleiten, indem er den Blinker setzt. Anschließend führt der Lkw den Spurwechsel eigenständig durch. Alternativ kann der Fahrer auch eigenständig einen Spurwechsel durchführen.

Weiterhin sorgt das HAD-System dafür, dass der Lkw immer in der Mitte seiner Spur bleibt. Der Fahrer muss dadurch nicht mehr selbst gegensteuern. Eine Stop-and-Go-Funktion entlastet dabei den Fahrer, sodass er seine Füße vom Pedal nehmen kann. Insbesondere in Stausituationen ist das sehr nützlich. Der Lkw hält automatisch Abstand zum vorderen Fahrzeug, bremst selbstständig und gibt Gas.

Hochautomatisierte Fahrsysteme bieten zudem meist auch eine praktische Höhenkontrolle, die auf Sensoren plus Warnsystem basiert. Diese Höhenkontrolle kommt etwa bei Brücken oder Unterführungen zum Einsatz. So können Unfälle aufgrund falscher Beschilderungen oder Fahrer-Unaufmerksamkeit vermieden werden.

Warum sollten Flottenbetreiber auf hochautomatisierte Fahrzeuge umstellen?

Viele Flottenbetreiber leiden am Fachkräftemangel. Eine Möglichkeit, dem Fahrermangel entgegenzuwirken, ist es, den Beruf attraktiver zu machen. Dazu kann hochautomatisiertes Fahren einen wertvollen Beitrag leisten. Die modernen Assistenzsysteme verbessern das Fahrerlebnis und gestalten gerade Langstreckenfahrten deutlich komfortabler. Sie entlasten den Fahrer in vielen Situationen, sodass lange Autobahnfahrten nicht mehr so anstrengend und ermüdend sind.

Zudem sorgt hochautomatisiertes Fahren für eine massive Reduzierung des Energiebedarfs. Ein HAD-System kann das Fahrverhalten so optimieren, dass es den Kraftstoffverbrauch um mindestens zehn Prozent reduziert – im Vergleich zu einem unerfahrenen Fahrer sogar noch mehr. Ein geringerer Kraftstoffverbrauch bedeutet auch eine bessere Nachhaltigkeitsbilanz.

Immerhin spielt gerade die Transportbranche im Kampf gegen den Klimawandel eine wichtige Rolle. Schwere Nutzfahrzeuge sind für mehr als ein Viertel der deutschen Treibhausgasemissionen im Verkehr verantwortlich. Ab 2024 will die Bundesregierung eine CO2-Maut für Lkw einführen. Für Flottenbetreiber steht das Thema Nachhaltigkeit deshalb verständlicherweise ganz oben auf der Liste.

Ein HAD-System hilft nicht nur bei der Emissionsreduzierung, durch den geringeren Kraftstoffverbrauch können auch massiv Energiekosten gespart werden. In Zeiten exorbitanter Energiepreise ist das ein enormer Wettbewerbsvorteil.

Hochautomatisiertes Fahren ist sicherer als manuelles Fahren

Entgegen landläufigen Meinungen erweisen sich hochautomatisierte Fahrzeuge im Vergleich zu manuell gesteuerten Vehikeln sogar als sicherer. Sie reduzieren die Unfallgefahr erheblich. Beim hochautomatisierten Fahren befindet sich zudem stets ein professioneller Fahrer in der Kabine. Er wird von fortschrittlichen Assistenzsystemen unterstützt, kann aber jederzeit eingreifen und die Kontrolle übernehmen.

Nichts passiert ohne sein Wissen: Auf einem Display sieht er genau, welche Aktionen das automatisierte System durchführen wird. Im Gegensatz zum individuellen Personenverkehr können Flottenbetreiber ihre Fahrer dabei im Umgang mit dem neuen System schulen. Dafür bieten die Technologieanbieter spezielle Trainings-Programme an, die sowohl Theorie als auch Praxis umfassen. Fahrer müssen erst einen Test bestehen und zeigen, dass sie das System beherrschen, bevor sie es einsetzen dürfen. Das sorgt für maximal mögliche Sicherheit auf den Straßen.

Auf dem Weg zu Level 5

Hochautomatisiertes Fahren ist die Antwort auf die größten Herausforderungen der heutigen Logistikbranche. Daher wird es sich in den nächsten Jahren immer mehr durchsetzen. Wer auf ein infrastrukturunabhängiges System setzt, das sich per Software-Update jederzeit erweitern lässt, kann die Entwicklung zum autonomen Fahren Schritt für Schritt vollziehen.

So können Flottenbetreiber auch heute schon von den aktuell verfügbaren Möglichkeiten profitieren und schaffen die Grundlage für ein höheres Maß an Automatisierung. Denn auch wenn vollautomatisiertes Fahren – oder Level 5 – noch Zukunftsmusik sein mag, lässt sich der Weg in die Zukunft bereits heute ebnen.


 

 

Sunny Choi, Plus.
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Die Autorin

Sunny Choi
ist Vice President of Global Business Development bei Plus.


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