Halbleiterhersteller

Wie wirkt sich die Konsolidierung auf die Kunden aus?

16. Dezember 2016, 11:38 Uhr | Iris Stroh
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Großkunden sind sicher, aber wie sieht es mit den kleineren Unternehmen aus?

TI, Andreas Schwaiger
Andreas Schwaiger, Texas Instruments: »Bei Übernahmen kann es darum gehen, das eigene Produktportfolio zu ergänzen, aber wir können auch nicht verleugnen, dass wir uns in keinem stark wachsenden Markt befinden und der Grund für eine Übernahme in dem damit vergrößerten Umsatz liegt.«
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Jürgen Hoika, Senior Director Distribution Marketing von Infineon Technologies, glaubt, dass Übernahmen speziell für kleinere und mittlere Unternehmen auf der Kundenseite ein Problem darstellen. Klar, um Großkunden kümmern sich alle hervorragend, auch nach einer Übernahme. Aber für kleinere und mittlere Kunden stellt sich die Frage, wie das übernehmende Unternehmen weiterhin verfährt: Bleibt beispielsweise das bestehende Partnernetzwerk erhalten, oder gibt es Produktabkündigungen? Hoika: »Für einen Entwicklungsleiter in einer 100-Mann-Firma ist es wichtig zu wissen, ob er die Produkte und den Support auch nach einer Übernahme noch bekommt. Aber auch ob die Preise, Konditionen und Partner stabil bleiben.« Claudio Valesani, Group Vice President, Head of EMEA Central Europe Sales Unit von STMicroelectronics, bestätigt ähnliche Erfahrungen und fügt hinzu, dass diesbezüglich eine große Unsicherheit im Markt herrsche, und zwar nicht nur bei den Kunden, sondern natürlich auch bei den Distributoren.

Günter Richard, Marketing Director von Rohm Semiconductor, sieht noch einen anderen Faktor, der auf der Kundenseite für Kopfschmerzen sorgen kann: Die Anzahl der Lieferanten sinkt. Hatte ein Kunde vorher zwei qualifizierte Supplier, dann ist nach dem Merger nur noch einer übrig. Oder Produktebereiche werden nach einem Merger verkauft – beispielsweise weil sonst die Zustimmung der Kartellämter verweigert wird (Beispiel: HF-Power-Business von NXP, das an Jianguang Asset Management ging) –, so dass der Kunde diese Produkte nur noch bei einem neuen Supplier beziehen kann, der erst einmal qualifiziert werden muss. Was aus Kundensicht unschön ist, kann Vorteile für den Wettbewerb im Halbleitermarkt haben, denn laut Richard konnte Rohm einige Approvals starten, weil Merger stattgefunden haben.

Was ist eine erfolgreiche Übernahme?
 
Bei Mergern/Akquisitionen wird immer von Synergien gesprochen, was hauptsächlich Kosteneinsparungen umfasst, und davon, dass die Übernahme selbstverständlich mit einem Ergebnis von 1 +1 > 2 enden wird. So eine Behauptung lässt sich leicht aufstellen, denn sie ist schwammig und somit schwer zu überprüfen. Allerdings gibt es laut Schwaiger durchaus Messgrößen, die deutlich machen, ob eine Übernahme von Erfolg gekrönt war oder nicht. Ein Beispiel ist die Rendite auf das investierte Kapital (ROIC: Return on Invested Capital). Neben solch rein rechnerischen Größen sollten bei einer Übernahme auch die Unternehmenskulturen überdacht werden. »Idealerweise passen sie zusammen, aber es geht auch anders«, so Schwaiger. Die Kultur eines texanischen und eines kalifornischen Unternehmens seien durchaus unterschiedlich, was zu Problemen hätte führen können. Also »haben wir National Semiconductor als eigenständige Business-Unit mit nur geringen Anpassungen weitergeführt, die Mitarbeiter aber dennoch gemischt, um auch Lerneffekte zu erzielen, und das hat sich als wichtiger Erfolgsfaktor entpuppt. So ist die Übernahme im Endeffekt reibungslos verlaufen, und die Integration kam schneller als geplant«, so Schwaiger weiter.

Auch Analog Devices und Linear Technology sind kulturell eher unterschiedlich. Wie will ADI die Übernahme durchführen? Wie das im Einzelnen aussehen wird, ist derzeit noch nicht entschieden, die Übernahme soll ja erst im ersten Quartal 2017 abgeschlossen werden. Uwe Bröckelmann, Technical Director Europe von Analog Devices, verweist aber auf Beispiele früherer ADI-Übernahmen: Analog Devices hat 2014 Hittite gekauft und damit sein Portfolio im GHz-Bereich, von 5 bis 110 GHz, erweitert. Hittite wird seitdem als eigene Business-Unit weitergeführt, und die eigenen HF-Spezialisten wurden dort integriert. »Diese Business-Unit hat die Entwicklungshoheit, weil das die Experten sind«, so Bröckelmann. Die Wandler-Experten von Hittite wiederum wurden bei Analog Devices in die entsprechende Business-Unit integriert.

Analog Devices gehört zu den Unternehmen, die den Anspruch haben, dass nach einem Merger aus 1 + 1 mehr als 2 wird. Bröckelmann glaubt, dass anhand der Wachstumszahlen in vier, fünf Jahren klar wird, ob das Ziel mit LTC erreicht wurde. Aber wie lässt sich das nach so langer Zeit noch feststellen? ADI führt die Produkte des übernommenen Unternehmens mit denselben Bezeichnungen weiter. Selbst Produkte und deren Weiterentwicklung, die aus der Übernahme von PMI 1991 stammen, sind noch an ihren Bezeichnungen erkennbar. Das hat ADI bei Hittite so fortgeführt und »das werden wir auch bei LTC so machen. Damit kann gut nachvollzogen werden, wie sich das Produktportfolio entwickelt und wie das Wachstum dieser Produkte und der Know-how-Transfer ausfallen«, so Bröckelmann.

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  1. Wie wirkt sich die Konsolidierung auf die Kunden aus?
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