Die Cloud kann nicht nur CM und PM

Nachhaltigkeit aus der Cloud

9. Februar 2023, 13:10 Uhr | Andreas Knoll
Eine Kanban-Veranschaulichung von in der Net Zero Cloud gespeicherten Gebäudedaten
© Salesforce

Über Cloud-Systeme können Industrieunternehmen für ihre Kunden heutzutage nicht mehr nur Predictive Maintenance betreiben, sondern auch das gesamte Customer-Relationship-Management durchführen und sogar Nachhaltigkeitsziele umsetzen.

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Cloud- und CRM-Dienstleister wie Salesforce können dabei Unterstützung leisten. Markus Ehrle, Vertriebsleiter bei Salesforce.com Germany, erläutert die Hintergründe.

Markt&Technik: Welche Aufgaben kann die Cloud für die industrielle Produktion heutzutage erfüllen?

Markus Ehrle: Eigentlich ist die Cloud nichts wesentlich anderes als das, was es schon seit vielen Jahren gibt – früher hieß es mal Datacenter. Cloud bedeutet, dass die Daten letztlich woanders liegen als dort, wo sie erfasst werden, sprich: Sie werden auf einer externen Datenplattform gespeichert. Die deutschen Industrieunternehmen erfassen ja schon seit Jahrzehnten Prozessdaten ihrer Maschinen und Anlagen, und die Daten werden dann normalerweise auch irgendwo gespeichert.

Dies ist aber nicht die Kernkompetenz von Salesforce. Wir sind nicht der klassische Cloud- oder Datacenter-Anbieter, der Milliarden von Transaktionsdaten aus einer Fertigungsanlage irgendwo speichert – es gibt unterschiedlichste Anbieter, die das tun.

Welche Schwerpunkte setzen Sie dann?

Mit unseren Cloud-Dienstleistungen und -Lösungen setzen wir darauf, die Daten, die irgendwo entstanden sind, »actionable« zu machen. Das heißt, wir wollen daraus eine Aktion, eine Aktivität hervorrufen, die im Kontext des Kunden stattfindet. Nehmen wir als Beispiel einen Industrieroboter, der in einem Automobilwerk Teile an einem Fahrzeug montiert. Die mechanischen Daten des Roboters werden irgendwo gespeichert, um sie auswerten und Fehler frühzeitig erkennen zu können. Über Jahre hinweg hat der Roboter immer bestimmte Werte geliefert, aber plötzlich ist da ein anderer Wert, sodass man davon ausgehen kann, dass irgendein Teil defekt ist. Wir beauftragen dann einen Servicetechniker, der beim Kunden anruft und sagt, in Deinem Werk xyz besteht die Wahrscheinlichkeit, dass in den nächsten drei Wochen ein Ausfall am Band stattfindet, weil wir Daten sehen, die darauf hinweisen, dass dort etwas nicht in Ordnung ist. Um solche Prozesse kümmert sich Salesforce.

Können Sie diesbezüglich Referenzkunden nennen?

Ein wichtiger Kunde und Vorreiter ist Koenig & Bauer, einer der größten Druckmaschinen-Hersteller und eines der führenden Unternehmen, was Patente angeht. Koenig & Bauer hat vor einigen Jahren mit Salesforce zusammen einen Prozess entwickelt, der es ermöglicht, anhand von vier Messpunkten einer Druckmaschine zu erkennen, was sie beim Kunden leistet: Wie viel bedrucktes Papier kommt heraus, in welcher Geschwindigkeit arbeitet sie?

Diese Daten werden dann verglichen mit Daten von Druckmaschinen anderer Kunden, wobei ein Benchmark, sprich: ein Vergleichsmaßstab, zugrunde gelegt wird. In unserem Fall hat die Maschine vielleicht 5 Prozent weniger Ausstoß pro Zeiteinheit als eine vergleichbare Maschine bei einem vergleichbaren Kunden. Anhand solcher Daten hat das Unternehmen einen spezifischen Service entwickelt: Kunden können einen Service-Vertrag abschließen, der sicherstellt, dass ihre Maschine immer mindestens genauso gut oder besser arbeitet als der Durchschnitt der Maschinen aller Kunden.

Ehrle Markus
Markus Ehrle, Salesforce: »Cloud bedeutet, dass die Daten letztlich woanders liegen als dort, wo sie erfasst werden, sprich: Sie werden auf einer externen Datenplattform gespeichert.«
© Salesforce

Welche Vorteile resultieren aus solchen Geschäftsmodellen für die Kunden?

Für viele Kunden bringt das natürlich große Vorteile. Sie kaufen nämlich nicht nur die Druckmaschine von Koenig & Bauer, die ihnen dann gute Dienste leistet, sondern der Hersteller kümmert sich auch noch gemeinsam mit ihnen darum, dass sie aus ihrem Investment den bestmöglichen Ertrag herausholen. Die Kompetenz, solche Maschinen zu konfigurieren, hat ja der Hersteller viel eher als der Kunde, weil der Hersteller die Maschinen am Markt hat und beobachtet und daher kompetent herausfinden kann, wo der Schuh drückt.

Neben dem Business-to-Business-Bereich, in dem es um Maschinen- und Anlagenbauer geht, sind wir inzwischen auch im Direct-to-Consumer-Bereich tätig. Auch hierzu ein Beispiel: Bei Automobilen gibt es mittlerweile die Möglichkeit, dass erfasste Zustandsdaten an eine zentrale Stelle übertragen werden, die dann dem Halter eine Messenger-Nachricht oder eine E-Mail zusendet mit dem Hinweis, bei dem betreffenden Fahrzeug sei beispielsweise der Ölwechsel schon ein bisschen früher fällig. Häufiges Fahren mit hoher Drehzahl oder starker Beschleunigung habe den Ölverbrauch erhöht, also sei der Werkstattbesuch schon ein paar Wochen früher fällig als gedacht. Der Empfänger kann dann aus drei Terminoptionen eine auswählen und den Ölwechsel entsprechend vorziehen. All das ermöglicht die Cloud von Salesforce. Wir legen Daten zugrunde und bieten dazu einen Prozess an, der festlegt, den Kunden zu informieren, einen Techniker zu beauftragen, irgendjemandem eine E-Mail zu senden oder ein Dashboard bzw. Informationen zur Verfügung zu stellen. Auf Basis der Daten wird also eine Aktion herbeigeführt, die dem Kunden weiterhilft.

Geht es bei Ihrem Angebot generell stark um Condition-Monitoring und Predictive Maintenance?

Im Fertigungsbereich ja, aber nicht nur darum, sondern auch um Marketing. Wir verwenden beispielsweise Daten des E-Mail-Marketings. Wie gesagt, das Ziel ist immer, Daten zu analysieren und damit irgendeine Aktion herbeizuführen. Das kann eine Vorhersage für Maintenance sein oder auch eine Marketingaktion, die der Hersteller einem Kunden zusendet. Wenn es sich beispielsweise abzeichnet, dass eine Maschine demnächst kaputtgeht, kann der Hersteller dem Einkäufer des Kunden eine E-Mail schicken und ihm ein Angebot unterbreiten: die nächste Generation der Maschine zum Sonderpreis, braucht weniger Energie und hilft somit, die eigenen Kohlendioxid-Emissionen zu senken. In seinem E-Commerce-Shop kann der Hersteller dem Kunden das Angebot gleich zur Verfügung stellen, sodass er zu seinen Unternehmenskonditionen die Maschine rasch kaufen kann.

Salesforce
KPI-Dashboards lassen sich auch auf Smartphone-Displays anzeigen.
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Wir sind ja für viele Fertigungsunternehmen tätig, die auch und gerade an KMU liefern, und zwar Holzverarbeitungs-Anlagen oder Monitoring- und Motoranalyse-Tools für kleine Werkstätten. Auch kleine Unternehmen, die ihre Geräte in der Vergangenheit über den Außendienst gekauft haben oder durch Verschicken eines Faxes, kaufen sie heutzutage durchaus über den E-Commerce-Shop. Da wird vieles automatisiert und digitalisiert, und zwar nicht wegen der Digitalisierung an sich, sondern letztlich wegen der Customer-Experience, also des Kundenerlebnisses. Gerade die letzten drei Jahre mit der Corona-Pandemie haben klar gezeigt, dass ein reines »Ich sitze im Büro und habe einen Außendienstmitarbeiter, der durch den Schwarzwald fährt und dort seine Maschinen verkauft« nicht mehr funktioniert.

Geht es sowohl darum, in der Produktion sehen zu können, wo es Effizienzprobleme gibt, als auch, die Beziehungen zwischen dem Unternehmen und seinen Kunden transparent zu machen und zu stärken?

Ja, und auch darum, Innovation hineinzubringen. Ein anderer Kunde von uns produziert Anhänger für Transportunternehmen, also Trailer, die maßgeschneidert hergestellt werden für Logistikunternehmen aller Art. Der Kunde hat 80.000 Telematik-Geräte in seinen Anhängern verbaut und weiß somit bei 80.000 Anhängern, die er an seine Kunden verkauft hat, wo sie unterwegs sind und was bei ihnen passiert. Er bekommt beispielsweise Hydraulikwerte, und unter Maintenance-Gesichtspunkten kann er dann seinen Kunden mitteilen, der Reifendruck ihrer Anhänger sei falsch, der Benzinverbrauch sei zu hoch, die Hydraulik sei schadhaft, oder wenn der Kunde das nächste Mal abladen wolle, trete wahrscheinlich ein Fehler auf. Inzwischen sind wir eine Stufe weitergegangen.


  1. Nachhaltigkeit aus der Cloud
  2. Was können andere nicht bieten?

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