Innovationstag der SmartFactory

Die vierte Revolution in der Produktion

21. Oktober 2022, 5:50 Uhr | Heinz Arnold
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Die "Intelligenz" ist in den Skills gekapselt

Dazu noch einmal kurzer Blick auf die Skills: Jede Maschine kennt ihre Fertigkeiten – also ihre Skills – und »weiß«, wie sie sich in den jeweiligen Produktionsablauf einbringen kann. In den Skills sind die Fertigkeiten der Maschine hinterlegt, beispielsweise eine bestimmte Bohrung zu fertigen. Die Maschine weiß dann auch, welche Werkzeuge sie sich holt, um ihren Auftrag abzuarbeiten. Das dazu erforderliche Wissen, die »Intelligenz«, ist in den Skills gekapselt, die mit einheitlichen Schnittstellen versehen sind, über die die Maschine angesteuert werden können – in der Industrie-4.0-Sprache die Verwaltungsschalen.

Die einheitlichen Schnittstellen sind entscheidend, um die Produktionsabläufe dynamisch konfigurieren zu können, ohne dazu etwa G-Code erzeugen zu müssen, der in die Maschinen geladen wird, wie es heute üblich ist. Die Schnittstellen sind inzwischen stabil und stehen zur Verfügung. »Das Wesentliche dabei ist, dass wir über das CAD-Tool direkt mit der Maschine kommunizieren, aus der Konstruktion in die Maschine, beide können und müssen jetzt gemeinsam gedacht werden«, erklärt Ruskowski. »Das erfordert einen Mentalitätswandel; wir arbeiten mit voller Kraft daran, ihn jetzt einzuleiten.«

Aus diesem Ansatz ergeben sich noch viel weitreichendere Vorteile. Denn über ihre Skills kennen die Maschinen nicht nur die jeweiligen Arbeitsabläufe, sie wissen auch, wie lange sie dauern; sie können daraus also auch die Kosten berechnen. Dasselbe gilt für die Energie- und Materialverbräuche. Also weiß der Auftraggeber schon im Voraus, was ihn der Spaß kosten wird, und er kann die Produktion auf die jeweils angestrebten Ziele hin optimieren, beispielsweise darauf, möglichst ressourcenschonend zu fertigen. Außerdem kann er dann den CO2-Footprint seiner Teile angeben, was der Gesetzgeber künftig fordern wird. Das eröffnet ganz neue Entscheidungsmöglichkeiten, die die Hersteller bisher nicht hatten.

Petra Dick-Walther
Petra Dick-Walther, Staatssekretärin im Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau von Rheinland-Pfalz, zeigte sich begeistert über die vielfältige Zusammenarbeit der Akteure und Stakeholder rund um Production Level 4.
© SmartFactory

Völlig neu ist und für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen eine wichtige Rolle spielt, dass Transparenz in einen bisher schlicht nicht sichtbaren Bereich kommt: Die Kosten für die Arbeitsvorbereitung. Bisher wird das einfach als Overhead in der Produktion betrachtet und achselzuckend zur Kenntnis genommen, dass er oft sehr hoch ausfällt. »Diese Aufwände für die Arbeitsvorbereitung jetzt sehen und reduzieren zu können ist ein entscheidender Hebel für die Kostensenkung. Wie hoch sind die Kosten, um die Maschine für die jeweiligen Produktionen zu ertüchtigen? Das fällt oft mehr ins Gewicht als die Lohnkosten, über die so viel geredet wird«, erklärt Ruskowski. Außerdem erhöht sich die Produktivität, wenn die überlastete Arbeitsvorbereitung nicht mehr der Flaschenhals ist. Denn diese Prozesse werden automatisiert, und die Arbeitskräfte werden wieder in die Lage versetzt, produktiv zu arbeiten.

Im konkreten Fall der Modell-LKW-Produktion bedeutet das: Sie kann je nach Bedarf optimiert sowie flexibel und zügig aktualisiert werden, um beispielsweise in die Auflieger je nach Auftrag neue Taschenformen zu fräsen oder auch völlig neue Auflieger herzustellen.

Dazu ist es nicht erforderlich, Maschinen auszutauschen oder tief in das System einzutauchen. Moderne Steuerungssysteme, die sich dazu in Hochsprachen programmieren lassen, gibt es bereits, wie es unter anderem die SmartFactory-Partner Bosch Rexroth, B&R und German Edge Cloud auf dem Innovationstag gezeigt haben. »Zudem sind im Software-Bereich über die letzte Zeit viele Startups gegründet worden, da tut sich im Moment sehr viel«, freut sich Ruskowski. Allerdings werden seiner Ansicht nach noch einige Jahre ins Land ziehen, bis deren Ergebnisse in die realen Produktionen Einzug halten könnten.

Handelt es sich bei PL4 also vor allem um ein Forschungs- und Entwicklungsprojekt, das für Interessenten, die neue Produktionsumgebungen aufbauen, im Moment noch nicht relevant ist? »Zugegeben, im Planungsbereich fehlen noch einige Software Layer«, antwortet Ruskowski. »Doch mit dem Wissen, das wir unter anderem auf unseren Innovationstagen in Kaiserslautern vermitteln, können die Anwender die Struktur ihrer Produktionen schon jetzt so gestalten, dass sie auf Production Level 4 vorbereitet sind, sie beispielsweise so auslegen, dass sich die Reihenfolge von Produktionsschritten flexibel ändern lässt.«

Er macht aber auch klar: »Mit Production Level 4 gehen wir bewusst über Industrie 4.0 hinaus. Wie gesagt, die Produktion muss von Grund auf neu gedacht werden, es handelt sich um nichts weniger als eine Revolution. Das kann man nicht einfach über kleine Schritte mal schnell abhaken. Eine Revolution bringt man nicht einfach mal so hinter sich!«


  1. Die vierte Revolution in der Produktion
  2. Die "Intelligenz" ist in den Skills gekapselt
  3. "Es fehlen die Use-Cases für 5G..."

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