Für Safe Motion Monitoring und andere sichere Automatisierungs-Anwendungen hat die 2019 gegründete Brinkmann Electronic Berlin GmbH (BEL) eine Reihe geprüfter Safety-Module einschließlich Software entwickelt, die jeweils »as a Service« integriert werden.
Peter Brinkmann, Gründer und Geschäftsführer des Unternehmens, informiert über dessen Geschäftsmodell, die aktuelle Marktsituation und die Vorteile einer modularen Sicherheitsarchitektur.
Markt&Technik: BEL besteht seit zwei Jahren. Mit welchem Konzept hat sich das Unternehmen in der Elektronik- und Software-Entwicklung für funktionale Sicherheit positioniert?
Peter Brinkmann: Für viele Hersteller von Automatisierungslösungen stellt die Entwicklung und Implementierung der geforderten Sicherheitstechnik eine zeit-, kosten- und personalintensive Herausforderung dar. Um alles Erforderliche in Eigenregie zu stemmen, müssen Unternehmen zusätzlich zum Kerngeschäft umfangreiche Ressourcen in die Ausbildung von Entwicklungsteams, den Aufbau von Testverfahren und Prüfstrukturen sowie die Dokumentation der Entwicklungsschritte investieren. Im Endeffekt erfüllt dann oft erst die zweite Produktgeneration die Anforderungen, die bereits an die erste gestellt wurden.
Aus diesen Erfahrungen heraus haben wir uns mit der Devise „simply safe“ zum Ziel gesetzt, funktionale Sicherheit möglichst smart und einfach zu gestalten, um unseren Kunden maßgeschneiderte modulare Lösungen zu liefern, die sich ohne großen Entwicklungsaufwand integrieren lassen. Bei Bedarf können wir in Kooperation mit dem Fertigungsdienstleister IEB Industrie Elektronik Brandenburg auch die gesamte Projektdurchführung vom Engineering bis zur Serienproduktion aus einer Hand anbieten.
An welchen Kundenkreis richtet sich Ihr Angebot, und wo liegen aus Ihrer Sicht die Vorteile?
Zu unseren Kunden zählen etablierte deutsche Anbieter von Sicherheitstechnik für die Industrieautomatisierung. Mit unserem Angebot erleichtern wir auch kleineren und jungen Unternehmen den für ihre Marktpositionierung wichtigen Zugang zu Sicherheitstechniken. Das stärkt ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den großen Zulieferern, die oft selbst an der Normsetzung mitwirken und entsprechende Kompetenzen im eigenen Unternehmen aufgebaut haben. Außerdem unterstützen wir Hersteller aus anderen Wirtschaftsregionen, die mit den europäischen Sicherheitsstandards nicht so vertraut sind.
Funktionale Sicherheit ist längst dem Stadium eines Forschungsthemas entwachsen. Seit den 1990er-Jahren hat sich in vielen Bereichen eine „Best Practice“ etabliert. Inzwischen gibt es eine große Vielfalt von Normen und Richtlinien für Sicherheitsfunktionen in den unterschiedlichsten Anwendungen. Für die industrielle Automatisierung sind beispielsweise die IEC 61800-5-2 und die IEC 10218-1 zu nennen, in denen die Sicherheitsfunktionen für elektrische Antriebe und für Roboter festgeschrieben sind. Wie viele andere Richtlinien beziehen sich auch diese beiden Normen auf die IEC 61508, die als Grundnorm das erforderliche Maß der Risikoreduzierung bei Sicherheitsfunktionen anhand der Integritäts-Levels SIL 1 bis SIL 4 bestimmt.
Die meisten Funktionen einer Sicherheitsvorrichtung hängen also nicht direkt von der spezifischen Anwendung ab, sondern gehören gewissermaßen zum Standard jeder Sicherheitsvorrichtung. Auch wenn die Anwendungen variieren, bleiben Safety-Prinzipien wie Redundanz, Diagnosefunktionen und Fehlererfassung also im Wesentlichen gleich. Umgekehrt wird aber auch nicht jede Funktion für jede Anwendung benötigt. Diesen Bedingungen können wir mit unserem modularen Sicherheitskonzept besonders gut entsprechen. Für unsere Kunden bedeutet das eine große Entlastung. Sie können sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren und die Projektrisiken minimieren – in der Gewissheit, dass sie von uns die geforderte Sicherheitstechnik unter Einhaltung aller normativen Vorgaben im vereinbarten Zeit- und Kostenrahmen bekommen.
Wie ist Ihr Sicherheitskonzept aufgebaut, und wie wird es an verschiedene Applikationen angepasst?
Unsere Safety-Lösung bel.guard für das Motion Monitoring besteht aus einem Modulbaukasten mit der entsprechenden Hard- und Software. Als Grundlage dient ein Basismodul, das sich mit einer Vielzahl unterschiedlicher Sicherheitsbausteine kombinieren lässt. Das Basismodul umfasst alle zentralen Komponenten und beherbergt das Sicherheitsmanagement mit Parametrierung, Systemkonfiguration und verschiedenen Diagnosefunktionen. Abgestimmt auf die unterschiedlichen Anwendungen werden weitere Module für sichere Ein- und Ausgänge, Schnittstellen zur Datenkommunikation via Feldbus, Industrial Ethernet oder Funk, die geschützte Datenspeicherung sowie System-Updates implementiert. Hinzu kommen applikationsspezifische Safety-Funktionen, etwa sichere Bewegungsüberwachung, Stopp-Funktionen oder Not-Halt, sowie die nötige Sensorik. Mit diesen Lösungen decken wir die Sicherheitsanforderungen nicht nur von Antriebstechnik und Robotik, sondern auch von Steuerungstechnik und Sensorik bis hin zu Handheld-Geräten mit Not-Halt oder Totmann-Funktionen ab.
Unseren Modulbaukasten betrachten wir als ein As-a-Service-Angebot, das heißt, wir lizenzieren die Module und sorgen dafür, dass sie optimal in die Anwendungen der Kunden integriert werden. Darüber hinaus können wir umfangreiche Beratungsdienstleistungen anbieten und, falls gewünscht, auch die Elektronikfertigung in Zusammenarbeit mit unserem Partner IEB.
Worin bestehen die besonderen Herausforderungen bei der Entwicklung von Sicherheitstechnik?
Funktionale Sicherheit muss dafür sorgen, dass Fehler, die zum Ausfall von Sicherheitsfunktionen eines Systems führen können, erkannt und so behandelt werden, dass die Sicherheit des Systems gewahrt bleibt. Um die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls sicherheitsrelevanter Funktionen nach Schwere, Häufigkeit und Vermeidbarkeit zu beurteilen, führen wir bereits in der Planungsphase eine Risikoanalyse mit der FMEA-Methode durch. Alle Module werden von uns in standardisierten Verfahren mit geprüften Werkzeugen und Werkzeugketten entwickelt. Das gesamte Engineering verläuft als sogenanntes Test Driven Design unter strikter Einhaltung des V-Modells. Das heißt, angefangen mit den Sicherheitsanforderungen über die Architektur bis zur Systemvalidierung legen wir jeden Projektschritt konsequent auf Testbarkeit und Nachverfolgbarkeit aus. Parallel dazu testen und dokumentieren wir sämtliche Schritte, um sicherzustellen, dass die gesamte Sicherheitseinrichtung in allen Teilen und Entwicklungsphasen den Prüfkriterien der zuständigen Zertifizierungsstellen entspricht. Dabei reduziert der modulare Aufbau unserer Sicherheitsarchitektur den Entwicklungsaufwand erheblich.
Für viele Funktionen haben wir bereits kompatible, geprüfte Sicherheitsbausteine entwickelt, die sich in neuen Projekten bedarfsgerecht kombinieren lassen. Beim Projektstart müssen wir also nicht alles von Grund auf neu entwickeln, sondern können unsere Entwicklungskompetenz auf diejenigen Komponenten fokussieren, die für die konkrete Anwendung zusätzlich implementiert werden müssen.
Wie bewerten Sie die Marktdynamik auf dem Gebiet der funktionalen Sicherheit?
Von Maschinen-, Anlagen-, Robotik- und Antriebsherstellern wird heutzutage erwartet, dass sie intelligente Safety-Funktionen auf dem neuesten Stand der Technik implementieren. Moderne Sicherheitseinrichtungen sollen so smart gestaltet sein, dass sie die Mitarbeiter in ihrer Tätigkeit nicht einschränken. Statt Zäunen oder Barrieren, die automatisierte Fertigungszellen oder Roboter von anderen Arbeitsbereichen trennen, kommen immer mehr intelligente Sensoren zum Einsatz, die potenzielle Gefahren etwa durch permanentes Motion Monitoring unterbinden. Damit lassen sich Kraft und Geschwindigkeit von Maschinen automatisch drosseln, um Gefährdungen auszuschließen, wenn ein Bediener eng mit dem Maschinenprozess zusammenarbeiten muss.
Wir gehen fest davon aus, dass sich der Trend zu smarten und leistungsstärkeren Sicherheitsfunktionen fortsetzen wird. Dafür spricht der Marktdruck, besonders in der Antriebstechnik und Robotik, wo aufgrund der europäischen Maschinenrichtlinie und der US-amerikanischen Entschädigungsgesetzgebung fast nur noch Sicherheitstechnik zum Einsatz kommt. Ein zweiter Faktor ist die zunehmende Vereinfachung der Sicherheitstechnik durch die Multiplikation bestehender Lösungen und die Prozessdigitalisierung. Safety-Funktionen, die gegenwärtig nur bei einigen großen Anbietern erhältlich sind, dürften schon in einigen Jahren deutlich kostengünstiger verfügbar sein. Denkbar ist, dass es in Zukunft sogar Open-Source-Angebote für Sicherheitstechnik geben wird.