THEVA: »Die Preise werden über die nächsten Jahre rasch sinken«

Erschwingliche HTS-Drähte der zweiten Generation

12. Mai 2011, 12:38 Uhr | Heinz Arnold
Dr. Werner Prusseit, THEVA: »Es geht für uns jetzt darum, die Prozesstechnik zu verfeinern, einen höheren Automatisierungsgrad, höheren Durchsatz, höhere Produktivität und höhere Ausbeuten zu erreichen.«
© Theva

»Die Nachfrage nach Hochtemperatur-Supraleitern der zweiten Generation setzt jetzt kräftig ein«, sagt Dr. Werner Prusseit, Geschäftsführer der THEVA GmbH. Deshalb investiere THEVA in den Aufbau einer Fertigung für HTS-Drähte der zweiten Generation.

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Energie & Technik: THEVA entwickelt gerade ein neues Verfahren für die Fertigung von supraleitenden Drähten der zweiten Generation. Was ist das Besondere an diesem Verfahren?

Dr. Werner Prusseit: Diese supraleitenden Drähte oder besser Bandleiter der zweiten Generation basieren auf dünnen, flexiblen Metallfolien, auf denen der Supraleiter als dünne Schicht aufgebracht wird. Es gibt im Wesentlichen drei Verfahren, die derzeit benutzt werden, um diese supraleitenden Bandleiter zu fertigen. Bei einem wird das Substrat durch Walzen texturiert, eine Methode, die beispielsweise die American Superconductor Corp. (AMSC) verwendet. Die zweite Methode besteht darin, ein nicht orientiertes Stahlsubstrat zu verwenden und Zwischenschichten mit Hilfe von Ionenbeschuss zu strukturieren auf denen man dann den Surpaleiter aufbringt. Dieses Verfahren verwenden beispielsweise SuperPower und Bruker. Wir bei THEVA orientieren die Schicht durch ein spezielles Bedampfungsverfahren, das Schrägbedampfen oder ISD, die Abkürzung für Inclined Substrate Deposition.

Worin besteht der Hauptvorteil?

Zum einen haben wir dadurch die einfachste aller Bandleiterarchitekturen mit den wenigsten Schichten, zum anderen lassen sich sehr viel dickere Schichten des supraleitenden Materials aufbringen. Üblicherweise werden heute nur Schichtdicken von 2 bis 3 µm realisiert., In dickeren Schichten treten bei den anderen Verfahren zu viele Defekte auf. Je dicker jedoch die Schicht, um so höher die Stromtragfähigkeit und das ist der essentielle Parameter. Wir können mit Strömen bis 1.000 A/mm² eine um den Faktor 4 höhere Stromdichte erreichen als heute üblich.

Außerdem arbeiten wir mit unmagnetischen Substraten, was beim Einsatz in Wechselstromanwendungen deutliche Vorteile bringt.

Führt das zu höheren Kosten in der Produktion?

Nein, im Gegenteil. Weil die Kosten für die übrigen Materialen und Prozesse dieselben bleiben, führt die dickere HTS – Schicht zu einer starken Reduktion der leistungsspezifischen Kosten. Die Firma THEVA besitzt aber mit dem eigenen Vakuumanlagenbau auch noch einen weiteren Vorteil, denn der Hauptkostenfaktor der HTS-Bandleiter liegt in der Prozessierung und nicht im Material.  Zwei Drittel unseres Umsatzes erwirtschaften wir mit Entwicklung und Bau von Beschichtungsanlagen. Durch diese hauseigene Entwicklung konnten wir ein durchgängiges Beschichtungsverfahren realisieren. In allen Prozessschritten verwenden wir die Elektronenstrahlbedampfung.  Damit ist der gesamte Prozess weit weniger komplex als andere Verfahren, wo beispielsweise Dampfabscheidung, Sputtern und chemische Abscheidungen kombiniert werden müssen. Das schlägt sich nieder in geringeren Investitionskosten und höherer Ausbeute.

Bisher geschieht die Fertigung nur im Labormaßstab?

Wir haben alle Prozessschritte mit Laboranlagen entwickelt und getestet, aber vor zwei Jahren die Fertigung im Labormaßstab eingestellt, weil sie sich nicht für den Dauerbetrieb eignet. Für die Herstellung langer Bandleiter benötigt man hohe Prozessstabilität über viele Stunden und zuweilen Tage. Deshalb haben wir uns seitdem hauptsächlich mit der Entwicklung zuverlässiger Komponenten für den Langzeitbetrieb beschäftigt.

Wann wird THEVA die Serienfertigung aufnehmen?

Ende 2012 wollen wir soweit sein.  

Was macht Sie so sicher, dass sich der Markt für Supraleiter jetzt tatsächlich entwickelt?

Wir spüren jetzt, dass die Nachfrage aus dem Markt einsetzt. Das ist ganz anders als noch vor fünf Jahren, als wir zu den potenziellen Anwendern gehen mussten, um sie von den Vorzügen und Einsatzmöglichkeiten zu überzeugen. Derzeit ist das Material sogar knapp, weil gerade viele unterschiedliche Demonstrationsprojekte anlaufen und erste kommerzielle Produkte am Markt erscheinen: Kabel, Fehlerstrombegrenzer, Motoren, Generatoren für Wind- und Wasserkraft, Transformatoren. Derzeit liefern nur SuperPower und AMSC die Drähte der zweiten Generation. Das reicht kaum für die Prototypen in den unterschiedlichen Bereichen.

Liegen die Kosten für die Drähte der zweiten Generation für einen wirtschaftlichen Einsatz nicht noch viel zu hoch?

Der leistungsbezogene Preis von Bandleitern wird in Euro/kA m angegeben, das sind die Kosten um  1.000 A über eine Strecke von 1 Meter zu übertragen? Für Kupfer in energietechnischen Anwendungen liegt dieser Wert heute bei 30 bis 40 Euro/kAm. Für die HTS-Drähte der zweiten Generation besteht das Ziel darin, auf 20 bis 30 Euro/kAm zu kommen. 

Und wo liegen die Kosten heute?

Heute liegen sie noch bei 350 bis 400 Euro/kAm

Das ist also noch ein Stück vom Ziel entfernt?

Das ist sehr ähnlich mit der Situation bei Li-Ionenakkus oder Brennstoffzellen. Ich bin mir aber sicher, dass wir in zehn Jahren in der Massenfertigung sind und das Ziel dann erreicht wird. Dazu müssen wir aber jetzt anfangen. Die Entwicklung von Großgeräten, wie Windkraftgeneratoren dauert fünf bis sieben Jahre.

Wie schon erwähnt, stecken die Kosten in der Prozesstechnik. Es geht für uns jetzt darum, sie zu verfeinern, einen höheren Automatisierungsgrad, höheren Durchsatz, höhere Produktivität und höhere Ausbeuten zu erreichen. Prinzipiell sehe ich da kein Problem, zumal durch die steigende Nachfrage die neuen Anlagen ausgelastet sein werden. Die Preise werden über die nächsten Jahre rasch sinken. Das unternehmerische Risiko ist jetzt – anders als noch vor fünf Jahren – überschaubar.


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