Energyminer ist in die Voserienproduktion ihrer »Energyfish«-Schwärme eingestiegen. Warum das die Erzeugung grünen Grundlaststroms weltweit revolutionieren wird, erklärt Gründer Dr. Georg Walder im Interview mit Markt&Technik.
Markt&Technik: Seit März 2023 arbeitet im Auer Mühlbach in München ein »Energyfish«, eine fischähnliche Turbine, die im Wasser schwimmt und die Fließgeschwindigkeit des Wassers in Elektrizität verwandelt. Welche Ergebnisse hat das Pilotprojekt bisher gebracht?
Dr. Georg Walder, Energyminer: Es handelt sich um ein erstes Pilotprojekt, um zu demonstrieren, dass das schwimmende Strömungskraftwerk Energyfish genauso funktioniert, wie wir es geplant haben. Das konnten wir zeigen. Anfang Juni dieses Jahres haben wir die erste Pilotanlage durch eine Serienanlage ersetzt, die so konzipiert ist, dass sie in hohen Stückzahlen hergestellt werden kann. Wir können jetzt demonstrieren, dass auch die Vorserienproduktion kein Problem ist. Das wäre wichtig, weil ein Kraftwerk von Energyminer nicht nur aus einem Energyfish bestehen wird, sondern aus einem ganzen Schwarm.
Wie genau soll das Kraftwerk aussehen und wieviel Energie wird es produzieren?
Ein Schwarmkraftwerk von uns wird aus typischerweise 100 Energyfish-Einheiten bestehen. Sie werden auf eine Anschlussleistung von rund 300 bis 600 kW kommen und 400 bis 500 Haushalte versorgen können. Wie groß die gewonnene Energie ist, hängt nicht von der Anzahl der Energyfish-Einheiten allein ab, sondern auch von den Bedingungen des jeweiligen Flusses, vor allem von der Fließgeschwindigkeit des Wassers und der für die Anlage zur Verfügung stehenden Fläche. Wir könnten bei 100 Energyfish-Einheiten auch auf 600 kW kommen.
Gibt es weitere Unternehmen, die auf diese Art der Energiegewinnung setzen?
Soviel ich weiß, nicht. Die österreichische Aqua Libre hat die sogenannte Strom-Boje entwickelt, ebenfalls ein schwimmendes Strömungskraftwerk, das aber viel größer als der Energyfish ist. Zudem sind die Strom-Bojen nicht zur Arbeit im Schwarm ausgelegt. Unser Ansatz ist meines Wissens nach einmalig.
Zurück zu den Strömungskraftwerken: Prinzipiell könnte Energyminer sie auch aus mehr als 100 Einheiten aufbauen?
Unsere Anlagen sollen aus typisch 100 bis 200 Energyfish-Einheiten bestehen. Grundsätzlich wollen wir je nach Standort so viele Einheiten wie möglich installieren. Dabei sind wir nicht auf eine Größe von 100 Energyfischen begrenzt. Bei größeren Installationen können wir auch in das Mittelspannungsnetz einspeisen.
Im Auer Mühlbach in München wäre Platz für höchstens zehn Anlagen. Wie groß muss ein Fluss mindestens sein, damit dort 100 Energyfish-Einheiten arbeiten könnten?
Eine solche Anlage benötigte einen Fluss von ungefähr 15 m Breite über eine Länge von 400 m. Bei einer ausreichenden Fließgeschwindigkeit nimmt die Anlage nur einen relativ geringen Anteil des Flusses in Ufernähe ein.
Energyminer kann die Anlagen aber auch in sehr großen Flüssen installieren, ohne die Schifffahrt zu behindern?
Die Schifffahrt geht natürlich vor, aber in großen Flüssen wie dem Rhein kann im Allgemeinen ein genügend großer Abstand zu den Fahrrinnen eingehalten werden. Im Rhein wäre sehr viel Platz für große Energyfish-Schwärme.
Sie denken also schon weit über Bayern hinaus?
Das war unsere Vision, mit der wir Energyminer gegründet haben: Wir wollten modulare Strömungskraftwerke bauen, die skalierbar sind und die Strömungsenergie ähnlich wie schon die Mühlen im Mittelalter nutzen, um große Energiemengen gewinnen zu können, die einen sehr großen Vorteil gegenüber Wind und Sonne haben: Sie liefern einen vorhersehbaren Energiebetrag kontinuierlich ohne Fluktuationen; die Kraftwerke von Energyminer sind grundlastfähig, weil sie unabhängig vom Wetter produzieren. Selbst Hochwasser und Eisgang sind kein Problem. Unser Ziel ist es, die Energyfish-Schwärme zunächst in Deutschland, dann aber auch in Europa und sogar weltweit zu installieren.
Wäre das nicht wieder ein großer Eingriff in die Ökosysteme in den Flüssen?
Auf keinen Fall, und das war die zweite Vision, die wir bei Gründung von Energyminer hatten: Wir wollten die Energie so schonend wie möglich gewinnen, vor allem wollten wir keine Fische verletzen oder gar töten. Das geschieht in herkömmlichen Kraftwerken immer wieder, denn die Fischgitter sind nicht wirklich verlässlich, immer wieder schlüpft einer durch. Bei uns dagegen können die Fische durch die Energyfish-Einheiten schwimmen, ohne dass die Rotoren sie verletzen. Deshalb sind wir besonders stolz, dass das weltweit renommierte und auf Fischschutz spezialisierte Alden Research Laboratory eine Studie zur Bewertung der Fischverträglichkeit unserer Strömungskraftwerke durchgeführt hat. Die Studie ergab, dass die Gesamtüberlebenswahrscheinlichkeit für alle Fische, die den Energyfish-Schwarm passieren, bei über 99 Prozent liegt. Dieses Ergebnis ist vor allem auf den Fischschutz-optimierten Betrieb der Anlagen zurückzuführen. Die Rotationsgeschwindigkeit des Rotors wird bewusst auf ein Niveau begrenzt, das für Fische unbedenklich ist.
Auch sonst stört er das Ökosystem nicht?
Jeder einzelne Energyfish im Schwarm wird einfach in den Fluss gehängt und verankert. Deshalb müssen die Flüsse weder aufgestaut noch verändert werden. Die Biotope der Flüsse bleiben intakt, das Landschaftsbild wird kaum beeinträchtigt, weil der Schwarm unter der Wasseroberfläche schwimmt. Was ebenfalls sehr vorteilhaft ist: Sämtliche hohe Vorinvestitionen, die für Staustufen erforderlich sind, fallen weg, und eine Schwarm-Kraftwerk ist innerhalb von wenigen Tagen installiert. Alles ist sehr kostengünstig und einfach.
Um zunächst einmal in Bayern zu bleiben: Wie viele mögliche Standorte gäbe es dort und wie viel Energie ließe sich gewinnen?
Wir könnten jetzt die in Bayern aus Wasserkraftwerken erzeugte Energie um ein Drittel erhöhen, was einem Potenzial in Bayern von 6,6 TW entspräche. In ganz Deutschland und in Europa ist das Potenzial riesig.
Was bedeutet, dass auch eine hohe Zahl an Energyfish-Einheiten produziert werden müsste. Wie viele wären für den Anfang nötig und wer produziert sie?
Wie gesagt, die Serienproduktion läuft jetzt an. Wir lassen bei Fertigungspartnern produzieren, derzeit in Deutschland und in Polen. So können wir uns voll auf die Standortsuche und die Entwicklung der Schwarmkraftwerke fokussieren.
Wie sieht genau das Geschäftsmodell von Energyminer aus, was verkauft das Unternehmen und wer sind die Kunden?
Wir sehen uns als Stromproduzent und bauen schlüsselfertige schwimmende Strömungskraftwerke auf eigene Kosten, die wir an verschiedene Interessenenten verkaufen. Wir kümmern uns dabei weiterhin um Wartung und Betrieb und sorgen dafür, dass sie über ihren gesamten Lebenszyklus wie vorgesehen arbeiten. Damit bieten wir also ein Rundum-sorglos-Paket an. Ob lokale Energieanbieter, Energie-Gemeinschaften oder interessierte Bürger, jeder kann dazu beitragen, diese innovative Energiequelle zu erschließen. Und jeder kann von den Vorteilen profitieren wie der Absicherung gegen steigende Strompreise. Kommunen und Gemeinden können sich beteiligen und so die Ziele der Energiewende kostenneutral und umweltverträglich erreichen. Die Energie wird über lokale Netzbetreiber nach den Regeln des EEG eingespeist. Die Netzbetreiber sind zur Abnahme verpflichtet, die Energie ist für die Netzbetreiber aber auch sehr wertvoll, weil planbar. Die Vergütung beträgt für Wasserkraft 12 Cent pro kWh. Das alles schreibt das EEG sehr genau vor.
Haben Sie bereits Standorte für die ersten Schwarmkraftwerke gefunden?
Die ersten der Genehmigungsverfahren für Standorte in Bayern und am Rhein befinden sich in den letzten Zügen und wir rechnen damit, dass sie in den kommenden Wochen ihren Abschluss finden. Davor können wir noch nicht konkret darüber sprechen.
Wann soll der erste größere Schwarm installiert werden und wie groß wird er sein?
Wir wollen den ersten Schwarm Mitte des Jahres mit fünf Einheiten installieren, Ende des Jahres soll ein großer Schwarm mit 100 Einheiten folgen. 2025 werden wir die Serienfertigung kräftig hochfahren und Anlagen in Bayern und Deutschland installieren. 2026 startet die Expansion ins übrige Europa. Wir wollen in den nächsten Jahren Hunderte von Megawatt aufbauen. Wir wollen keine lokale Erscheinung bleiben, sondern weltweit präsent sein.
Wie empfanden Sie die Reaktion der Behörden, als Sie die Genehmigungsanträge einreichten?
Die Reaktionen waren sehr positiv und ermutigend. Allerdings ist das natürlich für die Behörden etwas ganz Neues, damit kennen sie sich noch nicht aus. Deshalb dauern die Genehmigungsverfahren zunächst etwas länger. Wir hatten mit drei bis sechs Monaten gerechnet, es werden aber wohl zehn Monate. Ich gehe davon aus, dass sich das jetzt zunehmend beschleunigen wird.
Die Vision von Energyminer
Der Maschinenbauingenieur Dr. Richard Eckl und der Elektrotechnikingenieur Dr. Georg Walder haben schon während ihrer Promotion am Lehrstuhl der Fahrzeugtechnik an der TU München zusammengearbeitet. Gemeinsam hatten sie den Batteriehersteller Invenox gegründet und 2020 verkauft, um sich an die Umsetzung ihres nächsten großen Traums zu wagen: ungenutzte Potenziale der Wasserkraft zu erschließen. Das Konzept der Energyfish-Schwarmkraftwerke senkt die Kosten für kinetische Wasserkraftwerke, während es gleichzeitig die Energieausbeute deutlich erhöht. Damit lässt sich grüner Grundlaststrom so preisgünstig herstellen, dass die Kraftwerke eine hohe Profitabilität liefern – was sie langfristig in allen Flüssen der Welt tun sollen, so die Vision.