Welche Auswirkungen haben diese politischen Umwälzungen in einigen nordafrikanischen Ländern auf Desertec und wie kommt das Projekt insgesamt voran? Thorsten Marquardt, Director Regulatory Concept der Dii GmbH, ist überzeugt, dass Desertec zur Stabilisierung beitragen kann und sieht Desertec weiter auf gutem Weg.
Welche Auswirkung hat die aktuelle politische Situation in den nordafrikanischen Ländern auf das Desertec-Projekt?
Thorsten Marquardt: Im Moment ist das natürlich schwierig, eine Prognose abzugeben. Was wir aus den Ländern hören, ist aber ermutigend: sie bitten uns, weiter an dem Projekt zu arbeiten. Und wenn investiert wird, kann das zu politischer Stabilität führen, die schlussendlich allen Beteiligten nutzt.
Man könnte sich ja auch fragen, warum man die Sonnenenergie nicht im Süden Europas ernten könnte, wo die politischen Verhältnisse stabiler sind?
Zwei Gründe sprechen dagegen. Erstens lässt sich in der Sahara um 25 bis 30 Prozent mehr Energie aus der Sonne gewinnen als an den besten europäischen Standorten. Zweitens soll Desertec nicht nur Energie für Europa zur Verfügung stellen. Mit Desertec will Europa einen Beitrag zur Entwicklung der nordafrikanischen Länder beitragen.
Desertec könnte sich als Kristallisationskeim für die Entwicklung der Infrastruktur in den nordafrikanischen Ländern entwickeln. Das könnte wiederum zur Ansiedlung von Industrie führen und einen Teil dazu beitragen, die Arbeitslosigkeit in diesen Ländern zu senken. Grundsätzlich ist das Wirtschaftswachstum in diesen Ländern mit 5 bis 8 Prozent pro Jahr sehr hoch. Das bedeutet aber auch, dass der Energiebedarf steigt. Die Energie aus erneuerbaren Quellen zu generieren, wäre ein guter Beitrag zur Verringerung der CO2-Emissionen insgesamt und gleichzeitig würde es den Ländern helfen, ihre Industrie zu entwickeln. Deshalb ist Desertec in allen Ländern Nordafrikas auch sehr gut aufgenommen worden und ich glaube nicht, dass sich diese Einstellung ändern wird, trotz der Umbrüche, die gerade statt finden. Insgesamt bin ich deshalb sehr optimistisch.
Um kontinuierlich und verlässlich Energie generieren und liefern zu können, müssten die Techniken zur Energiespeicherung weiter entwickelt werden. Wie weit ist man auf diesem Weg voran gekommen?
Grundsätzlich ist die Speichertechnik vorhanden. Bisher sind zwar noch keine Speicher gebaut worden, die die Energie für 8 Stunden bei 500 °C halten können, aber kleinere Speicher sind in der Lage, dies über vier bis fünf Stunden zu tun. Das ist Stand der Technik. Die Experten sind überzeugt davon, dass es prinzipiell kein Problem sein dürfte, auf Basis der selben Technik Speicher zu bauen, die die Energie über 8 Stunden und mehr vorrätig halten. Damit stünde rund um die Uhr planbarer Strom aus der Wüste zur Verfügung.
Nach den heutigen Planungen werden vor allem solarthermische Anlagen die Energie in der Wüste gewinnen. Sind hier die technischen Probleme gelöst? Immerhin gibt es auch in der Steinwüste unterschiedliche Wetterbedingungen, die beispielsweise eine regelmäßige Reinigung der Anlagen erforderlich machen.
Auch hier sehen wir prinzipiell keine Probleme, es handelt sich um erprobte Techniken, nur die Dimension wird natürlich etwas anders ausfallen, als in allen bisherigen Anlagen.
Keine technischen Probleme – das gilt auch für den Stromtransport über das Mittelmeer?
Es gibt aufgrund der geographischen Verhältnisse im Mittelmeer zwei Routen, über die Kabel verlegt werden könnten: Einmal von Nordafrika nach Sizilien und zum zweiten von Marokko nach Gibraltar. In den übrigen Bereichen ist das Mittelmeer so tief, dass sich die schweren Kabel für den Energietransport kaum verlegen lassen. Die Technik an sich – Hochspannungsgleichstromübertragung – ist ebenfalls erprobt und die Spezialisten auf diesem Gebiet wie ABB und Siemens sind sich sicher, die Aufgabe bewältigen zu können.
Dass eine Technik prinzipiell realisierbar ist, heißt nun noch lange nicht, dass sie auch wirtschaftlich umsetzbar wäre. Gibt es hierzu schon aussagekräftige Analysen?
Um dazu verlässliche Aussagen abgeben zu können, sind realitätsnahe Versuche erforderlich. Wir arbeiten mit Hochdruck an ersten Pilotprojekten, die so schnell wie möglich starten sollten.
Worin besteht der nächste Schritt?
Es ist ein Referenzprojekt in Marokko geplant. Dabei handelt es sich um eine Anlage sowohl auf Basis der Solarthermie als auch auf Basis der Photovoltaik, die auf 500 MW ausgelegt ist, 1,6 TWh Energie pro Jahr liefern soll und 500.000 Haushalte versorgen kann. Wir rechnen mit Investitionen von bis zu 2,3 Mrd. Euro.
Wie weit sind die Planungen schon voran geschritten?
Wir hoffen, den 1. Spatenstich 2013 durchführen zu können, die Energieerzeugung könnte dann 2016 starten – wenn alles läuft wie vorgesehen.