Netzstabilisierung

Stromnetz-Zukunft: dena-Studie »Systemdienstleistungen 2030«

18. Februar 2014, 17:27 Uhr | Hagen Lang
Die Stromnetzstabilität wird in Zukunft sicher sein, aber nicht billiger werden. Welche Kosten die Gesellschaft bereit ist, dafür zu zahlen, ist eine politische Entscheidung.
© MITNETZ

Wie können für die Gewährleistung sicherer Stromversorgung nötige Systemdienstleistungen unter den Bedingungen der Energiewende künftig erbracht werden? Lassen sich Betriebsführung, Frequenz- und Spannungserhaltung sowie Versorgungswiederaufbau bei fehlender Kraftwerksrentabilität ralisieren?

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Dass die Energiewende Großkraftwerke unrentabel macht, das spielte in den Gedankenspielen der verschiedenen Bundesregierungen zur Energiewende nur eine untergeordnete Rolle. Woher sollen dann aber künftig Momentanreserve, Regelenergie, Blind- und Kurzschlussleistungsbereitstellung kommen, ohne die das Stromnetz zusammenbricht? Diese Frage wurde an die »Experten« delegiert und auf sie gibt die aktuelle Studie der Deutschen Energie-Agentur (dena) Antwort, die in enger Kooperation mit Übertragungs- und Verteilnetzbetreibern, Technologieanbietern und Projektentwicklern erstellt wurde.

Wenn, wie zurzeit politische Beschlusslage, 2050 80 Prozent des Stromes in Deutschland aus erneuerbaren Energien stammen, muss die technische Infrastruktur für Stromdienstleistungen ausgetauscht werden. Die gute Nachricht: Technisch wäre dies möglich, sagt die dena: »Für alle Arten der Systemdienstleistungen existieren bereits heute technische Lösungsmöglichkeiten in ausreichendem Umfang, um auch zukünftig das heutige Niveau an Systemsicherheit, Zuverlässigkeit und hoher Qualität des Stromversorgungssystems zu gewährleisten.«

In Anspruch genommen werden könnten dezentrale Energieerzeugungsanlagen und Netzbetriebsmittel, »insbesondere Windkraftanlagen und Freiflächen-Solarkraftwerke, aber auch Großbatterien«, die zur Erbringung von Momentanreserve ertüchtigt werden könnten. Für Speicher im Regelleistungsmarkt gelte es zusätzlich noch »Lösungen zu entwickeln, um eine vermehrte Erbringung von Regelleistung durch dezentrale Energieanlagen aus den Stromverteilnetzen unter Berücksichtigung der lokalen Netzgegebenheiten koordinieren zu können.« Wegen des wetterbedingt künftig stark schwankenden Regelleistungsbedarfes müsse die Ermittlung desselben »geeignet dynamisiert werden«.

Die Netzanschlussbedingungen für größere dezentrale Erzeugungsanlagen wären so zu ändern, dass sie auch unabhängig von der Wirkleistungseinspeisung Blindleistung bereitstellen könnten. Die Netzbetreiber bräuchten zur Koordination von Systemdienstleistungsprodukten aus dezentralen Erzeugungsanlagen einen verbesserten Informationsaustausch. Alle notwendigen Maßnahmen seien bereits heute zügig umzusetzen, damit sie bis 2030 verlässlich bereitstünden.

Die Eingangsfrage, »lassen sich Systemdienstleistungen bei prekärer Kraftwerksrentabilität realisieren«, beantwortet die dena mit »Ja«. Allerdings: Wenn schon heute Kraftwerksbetreiber zu Marktpreisen immer seltener rentabel wirtschaften können, wird dies künftig Betreibern erneuerbarer Energie-Erzeugungsanlagen noch schwerer fallen. Diese müssen dann, so die dena, durch »ein geeignetes Erlössystem« für ihre Bereitstellung von Systemdienstleistungsprodukten entlohnt werden. Kurz: Die Kosten für die Systemdienstleistungen werden auf die Stromkunden umgelegt

Alternativ böte sich laut dena an, »konventionelle Kraftwerke mit einer so genannten »must-run-Kapazität« in Höhe von 6.000 bis 25.000 MW zur Erbringung dieser Systemdienstleistungen kontinuierlich am Netz zu halten.« Auch für diese müsste allerdings ein »geeignetes Erlössystem« gefunden werden.

Es ist erfreulich, dass die dena die Netzstabilität in jedem Fall für realisierbar hält. Die Kostenbelastung durch die Energiewende war gar nicht Thema ihrer Untersuchung. Für die Politik bedeutet die Studie, dass sie extrem sensibel vorgehen muss, wenn sich, wie die dena analysiert hat, die Stromnetzstabilität nur über ein »geeignetes Erlössystem«, sprich, weitere Belastungen der Stromkunden, finanzieren lässt. Die Strom-Kostenschere deutscher Verbraucher und Unternehmen gegenüber dem Ausland ist bereits weit geöffnet. Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsminister Duin und seine Chefin, Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, werden nicht müde, vor einem Ausbau der Energiewende auf Kosten der Industriearbeitsplätze zu warnen. Die beiden wissen wovon sie reden, sie haben nicht mehr allzu viele davon.


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