Das Forschungszentrum Jülich arbeitet an einer Machbarkeitsstudie, die beleuchtet, welche Erfordernisse die in Zukunft immer größer werdenden Windkraftanlagen mit sich bringen. Das Ergebnis soll ein völlig neu konzipierter Großprüfstand für Einzelkomponenten und Getriebe sein.
Der Trend in der Windkraft geht zu immer höheren und größeren Rotoren, weil sie die verfügbare Windenergie besser nutzen können. Zudem werden immer größere Anlagen mit höherer Leistungsklasse gebaut; mit einer Leistung von 10 bis 20 Megawatt können sie fast zehnmal mehr Strom erzeugen, als die heute gängigen Systeme, stellen aber auch höhere Anforderungen an die Technik.
Um Unternehmen und Forschungseinrichtungen bei der Entwicklung geeigneter Antriebsstränge zu unterstützen, prüft das Forschungszentrum Jülich, ob sich die in der Region angesiedelte Industrie und Forschung durch den Aufbau eines Großprüfstands technisch und betriebswirtschaftlich sinnvoll fördern lässt. Neben einer Bedarfs- und Kostenanalyse soll die Studie vor allem die technische Umsetzbarkeit beleuchten.
»Um die Lebensdauer der Bauteile für große Leistungsbereiche zu verbessern, werden großskalige Messstände benötigt, mit denen sich die Komponenten unabhängig von der Witterung unter realistischen Bedingungen testen lassen«, erläutert Prof. Harald Bolt, Mitglied des Vorstands des Forschungszentrums Jülich.
Die realistische Simulation der Kräfte, die bei einer Windkraftanlage im Leistungsbereich von 10 bis 20 Megawatt auftreten, erfordert eine Testeinrichtung gewaltigen Ausmaßes. Ein Motor, der die entsprechenden Antriebskräfte aufbringen kann, müsste erst noch entwickelt werden. Sein Gewicht von rund 500 Tonnen und die entsprechende Leistung von umgerechnet 10.000 bis 20.000 kW würden weltweit neue Maßstäbe setzen. Zusätzlich wäre eine weitere Bewegungseinheit notwendig, ebenfalls weit über 100 Tonnen schwer, mit der sich Scher- und Rüttelkräfte an der Antriebswelle nachstellen lassen.
»Wir wollen prüfen, ob sich ein Messplatz dieser Größenordnung auf dem Jülicher Campus mit zahlreichen hochempfindlichen Instrumenten integrieren lässt«, berichtet Dr. Ghaleb Natour, Direktor des Zentralinstituts für Engineering, Elektronik und Analytik (ZEA-1), das die Studie durchführt. »Das ist wichtig, damit die heutigen und zukünftigen wissenschaftlichen Arbeiten am Forschungszentrum nicht gestört werden.« Dabei ist nicht nur die Lärmemission zu berücksichtigen. Verschiedene Jülicher Forschungsgruppen betreiben hoch- und ultrahochauflösende Mikroskope. Das Team um Ghaleb Natour untersucht daher mittels Schwingungsmessungen und Computersimulationen, wie sich die Erschütterungen in der Umgebung ausbreiten, die von einem solchen Großprüfstand ausgehen.
Auch der Transport über Land ist eine Herausforderung. Für Windkraftanlagen der neuesten Generation stellen die damit verbundenen Einschränkungen längst einen limitierenden Faktor dar. Die Machbarkeitsstudie soll daher klären, ob sich die fraglichen Komponenten – zusammengebaut erreichen die Antriebsgondeln eine Länge von etwa 25 Metern – überhaupt über die bestehenden Verkehrswege nach Jülich schaffen lassen. Die Ergebnisse der durch das NRW-Ziel-2-Programm mit 318.000 Euro aus EU- und Landesmitteln geförderten Studie werden für Ende des Jahres erwartet.