Produktion in der Solarindustrie

»Nachhaltigkeitsmaßnahmen immer ganzheitlich betrachten«

11. Januar 2024, 12:51 Uhr | Kathrin Veigel
Fertigung von Vertex-Solarmodulen bei Trina Solar
© TrinaSolar

Eine nachhaltige Produktion streben viele Unternehmen an. Was die Solarindustrie diesbezüglich bereits angestoßen hat und welche Ansatzpunkte es gibt, um die Nachhaltigkeit von Produktionsprozessen – auch in anderen Branchen – zu verbessern, erklärt Gonzalo de la Viña, Europachef von Trina Solar.

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Elektronik: Herr de la Viña, Photovoltaik-Lösungen tragen ja dazu bei, mehr erneuerbare Energie zu produzieren. Trotzdem wird auch bei ihrer Herstellung zunächst Energie verbraucht. Das heißt, auch Ihre Branche steht vor der Herausforderung, diese Prozesse klimaneutraler zu gestalten.

Gonzalo de la Viña: Das stimmt. Energie ist für jeden Produktionsprozess erforderlich. Ein erster Ansatzpunkt zur Verbesserung des CO2-Fußabdrucks in der Fertigung ist es daher auch für uns, den Energieverbrauch zu senken. Um die Energieeffizienz zu optimieren, haben viele Hersteller Regeln und Prozesse, Energie- und Ressourcenmanagement sowie Messverfahren implementiert. Standards wie die ISO 50001-Zertifizierung für Energiemanagementsysteme helfen dabei, die erfolgreiche Umsetzung von Richtlinien zur Senkung des Energieverbrauchs nachzuweisen. In den zwei Jahren von 2020 bis 2022 konnten wir den Energieverbrauch für Zellprodukte und Module bereits um bis zu 50 Prozent senken. Mittlerweile haben PV-Module bereits nach wenigen Monaten so viel grüne Energie produziert, wie für ihre Produktion benötigt wird – und anschließend produzieren sie noch über 25 oder 30 Jahre lang weiter Energie.

Gonzalo de la Vina Trina Solar
Gonzalo de la Viña ist Leiter MBU Europa bei Trina Solar.
© Trina Solar

Das klingt ja nach einem großen Fortschritt. Gibt es weitere Ansatzpunkte, die sich auch auf andere Branchen übertragen lassen?

Etwas sehr Naheliegendes für unsere Branche ist es, schon bei der Produktion erneuerbare Energie einzusetzen. Das ist für andere produzierende Branchen ebenfalls möglich. PV-Systeme lassen sich beispielsweise auf den Dächern von Produktions- und Bürogebäuden installieren, und immer mehr Unternehmen haben auch eigene Anlagen für erneuerbare Energie auf dem Firmengelände. Zudem kann man bei der Wahl des Energieanbieters ebenfalls auf Ökostrom setzen. Trina Solar hat sich als Unternehmen das Ziel gesetzt, noch in diesem Jahrzehnt 100 Prozent erneuerbare Energien für die Produktion zu nutzen. Unsere Fabrik in Yiwu ist außerdem die erste Produktionsstätte der Branche, die mit dem Zertifikat »Zero Carbon Factory« (Typ 1) ausgezeichnet wurde. 

Trina Solar Fabrik Yiwu
Trina-Solar-Fabrik in Yiwu. Es ist die erste Produktionsstätte der Branche, die das Zertifikat Zero Carbon Factory (Typ 1) erhalten hat.
© Trina Solar

Die Verringerung des Energieverbrauchs bei der Produktion ist sicher ein Kernthema. Welche weiteren Aspekte beeinflussen die Nachhaltigkeit und sollten berücksichtigt werden?

Eine kohlenstoffarme und umweltfreundliche Herstellung sowie die Kontrolle der CO2-Emissionen betreffen alle Aspekte des Lebenszyklus eines Photovoltaikprodukts. Daher sollte bereits der Produktdesignprozesses diese Aspekte berücksichtigen. Dazu gehören Materialauswahl, Produktion, Distribution, Verwendung, Wiederverwertung und Entsorgung von Rohstoffen. Hersteller können daran arbeiten, möglichst viele unbedenkliche oder wiederverwertbare Rohstoffe zu verwenden, um eine nachhaltige Entwicklung zu fördern. In der PV-Branche ist der wachsende Fokus auf Doppelglas-Module, die heute auch für Dachflächen eingesetzt werden, ein Beispiel dafür. Im Vergleich zu Glas-Folien-Modulen spart ein Glas-Glas-Modul etwa 1 kg an Kunststoff ein. Neben der Auswahl und dem Lifecycle Management des Materials sind auch die End-of-Life-Prozesse oder Recyclingmöglichkeiten für das Gesamtergebnis der Nachhaltigkeitsbilanz von Bedeutung.

Neben Energie sind auch Ressourcen wie Wasser in vielen Produktionsprozessen unerlässlich. Wo kann man hier ansetzen?

Der nachhaltige Umgang mit den globalen Wasserressourcen wird angesichts des steigenden weltweiten Bevölkerungswachstums und der Auswirkungen des Klimawandels immer wichtiger. Nicht nur PV-Hersteller investieren daher in die Modernisierung ihrer Anlagen, die Einführung fortschrittlicherer Verfahren sowie in die Aufbereitung und Wiederverwendung von Wasser. Das Abwassermanagement ist ebenfalls ein wichtiger Punkt. Dieses sollte zunächst klassifiziert werden, zum Beispiel in industrielles versus Haushaltsabwasser, um anschließend entsprechend behandelt zu werden. Ein Großteil des Wassers lässt sich so aufbereiten und erneut verwenden. Durch diese und weitere Maßnahmen können Fertigungsbetriebe die Effizienz bei der Verwendung von Wasser in der Produktion und im Betrieb erheblich steigern. In der Produktion von Solarmodulen kann der Wasserverbrauch so um mehr als 50 Prozent gesenkt werden.

Beim Thema Abwasser liegt auch der Gedanke an das Abfallmanagement nahe. Welche Rolle spielt das für die Umweltbilanz?

Abfälle gibt es bei allen Produktionsprozessen, und im weiteren Sinne gehören dazu auch Abgase und Emissionen. Auch dabei gilt: Reduzierung und Vermeidung ist der erste Schritt. Die dennoch anfallenden Abfälle sollten sorgfältig und vorschriftsgerecht behandelt werden. Vorgaben für das Abfallmanagement sollten gleichermaßen für Mitarbeiter und Partner von Unternehmen verbindlich sein und streng überwacht werden. Dies betrifft sämtliche Aspekte der Prozesse, angefangen von der Erzeugung über die Sammlung, Klassifizierung, Lagerung und den Abtransport bis hin zur Entsorgung von Abfällen. Stoffe, die sich nicht direkt wiederverwenden lassen, sollten qualifizierten Entsorgungsunternehmen übergeben werden, die diese sachgemäß recyclen oder entsorgen können. Durch innovative Recyclingkonzepte und eine enge Zusammenarbeit mit Zulieferern zur Verfolgung und Wiederverwertung von Verpackungsmaterialien können Unternehmen die Flut an Verpackungsmüll deutlich verringern und hohe Recyclingraten erzielen.

Welche Maßnahmen helfen dabei, dies alles umzusetzen?

Um das Management der Abgasemissionen zu verbessern, empfiehlt sich die Installation von Abgasmessgeräten, die eine Echtzeitüberwachung ermöglichen und sicherstellen, dass Abgase vor der Freisetzung entsprechend gefiltert werden. Vor Ort durchgeführte Tests und Berichte durch qualifizierte unabhängige Prüfinstitutionen stellen die Transparenz in Bezug auf die Abgas- und Abfallmanagementprozesse sicher. In diesem Kontext ist auch eine transparente und wissenschaftlich überprüfbare Erfassung von Emissionsdaten sowie die Festlegung entsprechender Maßnahmen zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes von zentraler Bedeutung. Dies sollte möglichst auch eine Erfassung gemäß Normen wie ISO 14064 und die Zertifizierung dieser Daten durch unabhängige Dritte beinhalten.

Gibt es neben der eigentlichen Produktion weitere Bereiche im Unternehmen, die Sie einbeziehen würden?

Nachhaltigkeitsmaßnahmen sollten immer ganzheitlich betrachtet werden. Denn sie beschränken sich nicht nur auf die Produktionsprozesse, sondern greifen auch bei allen anderen Unternehmensbereichen und -gebäuden. Auch hier gibt es viele Wege, mehr Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Dazu gehören ein verringerter auch hier der Energieverbrauch, die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energiequellen, Anreize für Mitarbeiter zur Nutzung umweltfreundlicher Transportmittel beim Pendeln oder bei Geschäftsreisen sowie die Implementierung eines effizienten Abfall- und Recyclingmanagements. Auch die Reduzierung von Papierverbrauch und Toner sowie der Einsatz digitaler Technologien wie Online-Verwaltungsplattformen und OA-Systeme gehören zu den gängigen und leicht implementierbaren Maßnahmen.

Denken Sie, dass emissionsfreie Produktionsstätten sich in Zukunft etablieren werden?

Der Anfang ist gemacht und die ersten »Zero Carbon Factories« können auch als Blaupause für weitere Hersteller dienen. Die genannten Maßnahmen unterstützen Hersteller dabei, umweltfreundlichere oder sogar emissionsfreie Produktionsstätten zu etablieren. Mit diesem Ziel vor Augen können sie interne Umweltmanagementsysteme gemäß den Standards der ISO 14001 implementieren und eine entsprechende Zertifizierung wie »Green Factory« oder »Green Building«, erlangen. Für die Vergabe des Zertifikats »Zero Carbon Factory« (Typ 1) werden zum Beispiel verschiedene Indikatoren bewertet. Dazu gehören Energie- und Ressourcenverbrauch, Umsetzung von Maßnahmen zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen, Implementierung intelligenter Informationsmanagementsysteme für Energie- und Kohlenstoffemissionen, Infrastruktur, Produktdesign und die Erfüllung von Compliance- und Managementanforderungen. Nur wenn strenge Anforderungen in Bezug auf diese Indikatoren erfüllt sind, wird die Zertifizierung verliehen. Trina Solar verfolgt seit seiner Gründung vor 25 Jahren das Ziel einer emissionsfreien Zukunft und treibt daher eine nachhaltige Entwicklung des Unternehmens voran. Dabei ist es uns wichtig, die Entwicklung und Fortschritte nachvollziehbar und belegbar zu machen – beispielsweise mittels Nachhaltigkeitsreports sowie durch das Erreichen von Zertifizierungen wie »Zero Carbon Factory«, die zeigen, dass wir bereits einige gesteckte Ziele erreicht haben.

Gibt es noch weitere Aspekte, die Sie für wichtig halten, um die Nachhaltigkeitsbemühungen voranzubringen?

Ich denke, dass die Einbindung unterschiedlicher Interessengruppen sowie die erwähnte Transparenz für eine nachhaltige Entwicklung unerlässlich sind. Daher gilt es, einen aktiven und offenen Dialog zu fördern. Darüber hinaus ist es wichtig, die Belegschaft rechtzeitig zu schulen, damit sie die Vorgaben, internen Zielsetzungen und Industriestandards verstehen und berücksichtigen können. Nachhaltigkeits- und CSR-Berichte bieten allen Stakeholdern die nötige Transparenz, um die erzielten Fortschritte zu überprüfen und fundierte Entscheidungen zu treffen. All dies trägt dazu bei, Innovationen hin zu einer kohlenstoffarmen und nachhaltigeren Industrie voranzutreiben, Wege zu finden, Herstellungs- und Geschäftsprozesse nachhaltiger zu gestalten und gleichzeitig Produktsicherheit und -qualität zu gewährleisten.

Herr de la Viña, vielen Dank für das Gespräch.

Die Fragen stellte Kathrin Veigel, Redakteurin Elektronik.


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