Klimawandel und hohe Strompreise sorgen dafür, dass sich immer mehr Menschen an der Energiewende beteiligen wollen. Eine Möglichkeit hierfür sind Stecker-Solargeräte (=Balkonkraftwerke). Energieberater Tobias Sassmann erklärt deren Funktionsweise und gibt Tipps für Kauf und Inbetriebnahme.
Markt&Technik: Herr Sassmann, aus welchen Komponenten setzen sich Stecker-Solargeräte zusammen und wie funktionieren diese speziellen PV-Anlagen?
Tobias Sassmann: Mit Stecker-Solargeräten kann jedermann ganz einfach zum Stromerzeuger werden. Für diesen Zweck bestehen sie normalerweise aus ein bis drei Solarmodulen, sowie einer entsprechenden Befestigung für den gewünschten Aufstellort, zum Beispiel Balkon, Dach, Garten oder Hauswand. Dazu kommen noch ein Mikrowechselrichter mit derzeit 600 W Leistung, ein Kabelanschluss inklusive Stecker für die Steckdose und optional ein Energiemessgerät zur Kontrolle der Stromerzeugung.
Der Solarstrom wird in den Modulen als Gleichstrom erzeugt und vom Mikrowechselrichter in haushaltsüblichen Wechselstrom umgewandelt. Anschließend fließt der Strom über die Steckdose in den Haushaltsstromkreis. Dort sollte er im Idealfall direkt verbraucht werden. Überschüssig produzierter Strom fließt über den Haushaltszähler ins Stromnetz.
Markt&Technik: Worauf sollten Interessenten, die sich ein solches Gerät anschaffen wollen, achten?
Tobias Sassmann: Wenn Nutzer den Aufstellort der Anlage festgelegt haben, wissen sie auch, welche Befestigung nötig ist und wie viele Module dort Platz haben. In jedem Fall sollte man sich vorab Gedanken machen, ob die Größe der Anlage zu einem passt, beziehungsweise wie viele Modulen man einsetzen will. Dies hängt unter anderem vom Tagesstromverbrauch ab. In entsprechenden Online-Shops oder Läden gibt es eine große Auswahl an unterschiedlicher Optik, Material und Leistung der Module.
Anschließend muss die zum Zeitpunkt der Installation gültige gesetzliche Grundlage berücksichtigt werden. Eine gute Übersicht bekommt man auf der Homepage der Verbraucherzentrale. Diese wird stets aktuell gehalten.
Oft gibt es schon vorab konfigurierte Sets zu kaufen, die alle wesentlichen Bauteile beinhalten. Der Käufer kann dann noch die richtige Befestigungsart sowie Kabellänge, Stecker und Monitoring auswählen. Wichtig ist zu berücksichtigen, dass derzeit nur 600-W-Wechselrichterleistung erlaubt sind. Die vielfach schon im Raum stehenden 800 W müssen erst noch durch die in Arbeit befindliche VDE-Norm abgedeckt werden. Wir bei der Energieagentur Ebersberg-München gehen davon aus, dass diese ab Herbst 2024 gültig sein wird. Derzeit kann man aber auf 600 W gedrosselte Wechselrichter kaufen, die sich dann später einfach auf 800 W erweitern lassen.
Ist es sinnvoll, sein Balkonkraftwerk um einen zusätzlichen Batteriespeicher zu erweitern?
Ein Speicher ist für ein Stecker-Solargerät kritisch zu betrachten. Zum einen, weil sich die Kosten dafür sich erst spät amortisieren werden. Und zum anderen ist die geringe Leistung der PV-Module ein großes Manko. Je nachdem wie hoch der Hausverbrauch ist, sollte ein Großteil selbst verbraucht und nur ein geringer Teil eingespeist werden. An sonnigen Tagen könnte der Speicher gegebenenfalls voll werden. Aber an Tagen mit schlechten Wetterbedingungen lädt sich der Speicher kaum auf und hat dadurch aufs Jahr gesehen nicht so viele Volladezyklen. Ein Speicher macht daher meist nur bei größeren Anlagen Sinn, wenn auch ein entsprechender Nachtverbrauch im Haushalt vorhanden ist.
Regulatorische Anforderungen gibt es in Deutschland für so gut wie jedes technische Gerät. Welche sollten Nutzer beim Anschluss und Betrieb einer Stecker-Solaranlage berücksichtigen?
Derzeit darf die Leistung der Stecker-Solar-Wechselrichter nicht mehr als 600 W betragen; die Module dürfen 2.000 W Leistung haben. Die 800-W-Grenze muss wie schon erwähnt zuerst in der Norm geändert werden, bevor sie gilt. Außerdem muss derzeit der installierte Stromzähler vor der Inbetriebnahme eine Rücklaufsperre haben. Erst dann darf die Anlage offiziell in Betrieb genommen werden. Mit dem Inkrafttreten des neuen Solarpakets I soll dies nach der Anmeldung beim Marktstammdatenregister mit jeder Form des Zählers möglich sein. Der Netzbetreiber kümmert sich dann selbstständig um einen gegebenenfalls notwendigen Tausch des Zählers.
Die VDE-Norm empfiehlt darüber hinaus die Verwendung eines speziellen Energie-Steckers zum Einspeisen des Stroms in den Haushaltsstromkreis. Die Norm verbietet zwar den in der Praxis meistgenutzten Schuko-Steckers nicht konkret. Um aber die Sicherheit bei der Verwendung eines Schuko-Steckers zu gewährleisten, muss der Wechselrichter über einen integrierten NA-Schutz verfügen. Dies wird unter anderem im Sicherheitsstandard der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) aufgeführt. Für die Zukunft wird erwartet, dass der Schuko-Stecker durch die Norm (VDE 0126-95) freigegeben wird.
Ist es nötig, ein Stecker-Solargerät bei einer öffentlichen Stelle anzumelden? Wenn ja, wo muss man das tun?
Derzeit muss ein solches Gerät beim Netzbetreiber und beim Marktstammdatenregister angemeldet werden. Mit Inkrafttreten des Solarpakets I soll dann eine Anmeldung im Marktstammdatenregister ausreichen.
Balkonkraftwerke kann man mittlerweile in vielen Online-Shops und Läden einfach kaufen. Aber kann man sie auch leicht selbst anschließen oder muss das von einem Fachmann vorgenommen werden?
Der Grundgedanke ist, dass Stecker-Solargeräte via Plug&Play selbst angeschlossen werden können. Dabei ist es wichtig, auf die Normen und Vorgaben zu achten. Sollte man sich unsicher sein, so ist es besser, die Anlage von einer Fachkraft installieren zu lassen.
Macht es Sinn, die Leistung eines Stecker-Solargerätes zu überwachen?
Die Überwachung beziehungsweise das Monitoring der erzeugten Leistung macht sicher Sinn. Und zwar um zu sehen, ob die Anlage läuft und wann wie viel Strom erzeugt wird. Damit man möglichst viel Strom selbst verbrauchen kann, beispielsweise, indem man Geräte im Haushalt gezielt bei hoher Stromproduktion anschaltet. Dies ist zum Beispiel bei Spül- oder Waschmaschinen sinnvoll.
Mit welchem Ertrag können Betreiber eines Stecker-Solargeräts rechnen und wie macht sich das auf der Stromrechnung bemerkbar?
Der Ertrag einer Stecker-Solaranlage hängt sehr stark von der Ausrichtung der Module, der Neigung und der Verschattung ab. Wie sich das auf die Stromrechnung auswirkt, hängt insbesondere von der Höhe und dem Zeitpunkt des Stromverbrauchs ab. Um eine Auskunft für die jeweilige Situation zu bekommen, hat die HTW-Berlin einen Stecker-Solar-Simulator online gestellt, der diese Fragen individuell beantwortet
Es gibt Zeiten, in denen Betreiber einer Stecker-Solaranlage den erzeugten Strom nicht selbst nutzen können. Dürfen sie in dann ins öffentliche Stromnetz einspeisen? Und bekommen sie dafür eine Vergütung?
Der von der Anlage nicht selbst verbrauchte Strom kann ohne Weiteres über den Zähler in das öffentliche Stromnetz eingespeist werden. Üblich ist es jedoch, dass man diesen Strom ohne Vergütung einspeist. Grundsätzlich ist nach dem EEG-Gesetz aber eine Vergütung möglich. Dies hängt vom jeweiligen Netzbetreiber ab und ist in der Regel sehr aufwändig. Ob es sich lohnt, die Einspeisevergütung in Anspruch zu nehmen bezweifle ich stark.
Besteht Brandgefahr während des Betriebs einer derartigen PV-Anlage?
Bei Berücksichtigung der Regeln und Normen besteht keine erhöhte Brandgefahr durch ein Stecker-Solargerät. Die DGS meint hierzu, dass wenn nicht mehr als 800 W an einem Hausanschluss betrieben werden, die Energie nicht ausreicht, um eine normgerechte Elektroinstallation zu überlasten.
Die Bundesregierung macht sich ja sehr stark für den Einsatz erneuerbarer Energien. Welche Förderungen gibt es für Stecker-Solargeräte?
Seit dem 1. Januar 2023 fällt keine Mehrwertsteuer beim Kauf von Stecker-Solargeräten an. Daneben gibt es je nach Kommune eigene Förderprogramme. Dazu gibt es eine Übersicht zu kommunalen Förderprogrammen im Netz.
Auch rechtlich ist einiges zu beachten, wenn man ein Solarkraftwerk an seinem Balkon anbringt. Ich denke da zum Beispiel an Wohnungseigentümergesellschaften. Wie stellt sich die rechtliche Situation hier dar?
Eine Zustimmung durch die WEG-Miteigentümer ist notwendig, wenn dies die Teilungserklärung vorsieht. Das gilt meist bei der Anbringung von Modulen am Balkon oder auf dem WEG-Dach. Derzeit ist vom Bundesjustizministerium ein Gesetzesentwurf in der Abstimmung, welches die Privilegierung von Stecker-Solargeräten vorsieht. Dies macht immer noch die Einholung eine Zustimmung der WEG-Miteigentümer notwendig, erschwert aber die Verweigerung enorm. Die Verweigerung kann nur durch besondere Gründe im Einzelfall erfolgen. Wir empfehlen, in der WEG einen Beschluss zu fassen, um für alle Bewohner klare Vorgaben zu erarbeiten, wie Stecker-Solargeräte sicher und optisch ansprechend installiert werden können.
Das von der Bundesregierung geplante Solarpaket I sollte schon längst verabschiedet sein, nun soll es wohl in diesem Frühjahr in Kraft treten. Was genau ändert sich dann für Stecker-Solargeräte und ihre Besitzer?
Wie ich bereits erwähnt habe, soll die Leistung der Wechselrichter von 600 W auf 800 W erhöht werden, dies setzt aber zusätzlich die Änderung der VDE-Norm voraus. Es soll dann keine Anmeldung mehr beim Netzbetreiber notwendig sein, sondern nur noch beim Marktstammdatenregister. Zudem sollen sich Stecker-Solargeräte nach der Anmeldung beim Marktstammdatenregister zukünftig auch bei Zählern ohne Rücklaufsperre betreiben lassen, bis der Netzbetreiber den Zähler auswechselt.
Darüber hinaus werden Stecker-Solargeräte bei der Anlagenzusammenfassung (in Kombination mit größeren Dachanlagen) nicht mehr berücksichtigt, und mit Änderung der VDE-Norm soll der Betrieb mit herkömmlichen Schuko-Steckern grundsätzlich möglich sein.
Die oben erwähnte Änderung der Zustimmungspflicht in einer WEG ist nicht Teil des Solarpakets I, sondern des Gesetzentwurfs des Justizministeriums, wird aber häufig im gleichen Atemzug genannt.
Herr Sassmann, vielen Dank für das Gespräch und die interessanten Informationen rund um das Thema Balkonkrafwerke.
Tobias Sassmann
ist als Energieberater bei der Energieagentur Ebersberg-München für die Beratung zu Photovoltaik-Themen (von Stecker-Solargeräten über PV für Einfamilienhäuser bis hin zu großen PV-Aufdachanlagen) zuständig. Zusätzlich ist er als Gebäude-Energieberater zu den Themenfeldern Heizung, Dämmung und Fenstertausch tätig.