Wie lange wird die Qualifizierung der SiC-MOSFETs noch dauern?
Prof. Lorenz: Eine gute Frage. Die Asiaten, Rohm vorneweg, behaupten, dass sie mit ihrer neuen Double-Trench-Struktur bereits qualifiziert sind, da hier eben das Feld nicht an das Oxid kommt. Allerdings gibt es viele Skeptiker. Ich würde sagen, in den nächsten ein bis eineinhalb Jahren werden viele Tests laufen, man wird die Schwachstellen erkennen, wenn eine da ist, und dann wird es erst losgehen.
Sind die Japaner mittlerweile die Vorreiter in der Leistungselektronik, zumindest bei den Bauelementen?
Prof. Lorenz: Im Moment würde ich das so sehen. Ich möchte Infineon nicht schmälern: Das Unternehmen macht sehr viel im Bereich SiC und forscht auch im Bereich GaN, doch tut sich das Unternehmen schwer, mit seinen Bausteinen auf den Markt zu gehen, ohne Daten für die Qualifizierung in der Hand zu haben. Man muss jedoch auch sehen, dass Infineon vor etwa zehn Jahren eine negative Erfahrung mit den SiC-Schottky-Dioden gemacht hat: Hier waren sie ganz vorne dran, allerdings gab es nach rund zwei Jahren im Feldeinsatz zu viele Ausfälle bei den Stromversorgungen. Die Bausteine mussten zurückgeholt werden. Schlimmer als die daraus resultierenden Zahlungen war jedoch das Einbüßen der Reputation. Vielleicht basierend auf dieser Erfahrung ist Infineon mit der Markteinführung neuer Schalter basierend auf Wide-Bandgap-Material vorsichtiger geworden.
Auf der PCIM wurden erste Stimmen laut, dass sich GaN durchaus auch für 1.700-V-Anwendungen eignen würde.
Prof. Lorenz: Bei GaN gibt es allerdings noch einige Probleme, z.B. die Querleitfähigkeit und die Tatsache, dass sich der On-Widerstand beim Wiedereinschalten verändern kann. Neben diesen Phänomenen stellt sich natürlich vor allem bei Hochvolt-Bauelementen die Materialfrage: GaN auf Si oder GaN auf SiC. SiC hätte den Vorteil der sehr guten Wärmeleitfähigkeit, aber es ist sehr viel teurer und auch die Wafer-Durchmesser sind kleiner. GaN auf SiC ist aber ein hervorragender Ansatz! Man muss jedoch die unterschiedlichen Materialien - insbesondere die Verschiebung der Kristallstrukturen - beherrschen. Spätestens bei 1.700 V müsste man jedoch in die Vertikale gehen, da bei der horizontalen Struktur die hohe elektrische Feldstärke an der Oberfläche des Bauteils abgebaut werden müsste. Den GaN-Transistor als vertikales Bauelement zu designen ist noch eine Herausforderung.
Welche Herausforderungen ergeben sich für die Zukunft?
Prof. Lorenz: Leistungshalbleiter auf Si-Basis haben noch ein hohes Weiterentwicklungspotenzial in Richtung niedrigeres FOM (Figure of Merit), d.h. niedrigere Verluste, schnelleres Schalten, hohe Robustheit, höhere Arbeitstemperatur etc., und werden noch in den nächsten ein bis zwei Dekaden bestimmend sein. Neue Halbleiterschalter basierend auf Wide Bandgap (WB) werden jedoch kommen und strategisch wichtige Anwendungsfelder besetzen. Diese neuen Schalter - Si-, aber vor allem WB-Bauteile - haben eines gemeinsam: Sie haben ein kleineres Chip-Volumen und schalten damit schneller. Die Bewertung der WB-Devices kann nur im Gesamtsystem erfolgen, da sie über lange Zeit teurer sein werden. Die große Herausforderung ist die Beherrschung der sehr kleinen Chip-Flächen und extrem kurzen Schaltzeiten. Es ist eine neue Packaging-Technologie notwendig; diese beinhaltet Chip-Kontaktierung, Isolation bei gleichzeitig guter Wärmeabfuhr, Materialien mit angepassten thermischen Ausdehnungskoeffizienten sowie Design mit extrem niedrigen verteilten Streuinduktivitäten, Kapazitäten und ohmschen Widerständen.
Darüber hinaus ist ein neuer Ansatz im Schaltungsdesign, der Beherrschung von EMI und Verschiebungsströmen durch Koppelkapazitäten zu berücksichtigen. Im gesamten Bereich der Leistungselektronik sind in Zukunft applikationsspezifische Lösungen, z.B. hochfrequent getaktete Teilsysteme in Submodulen integriert, Voraussetzung für den nächsten Technologiesprung. Nur wer die Bauelemente-Technologien, die Expertise im applikationsspezifischen Moduldesign schneller Schalter gepaart mit dem Systemwissen und dem Know-how der Schaltungstechnik hat, wird im Markt erfolgreich sein. Aus diesem Grunde etablieren Halbleiterfirmen wie Infineon Technologies „Engineering Teams“, die sich auf dem Gebiet des System-Engineering Know-how aufbauen. Nur wer die kleinen Chip-Volumina und ultraschnellen Schalter störsicher und mit hoher Zuverlässigkeit im System beherrscht, wird in der Zukunft wettbewerbsfähig sein. Dieser Teil ist das Rohmaterial für zukünftige Systeme und die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt.
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