Der Markt mit Wireless Power (WP) bzw. kabelloser Ladetechnik wird derzeit vom induktiven Qi-Standard von WPC dominiert.
Dr. Sanjay Gupta, President und Chairman of the Board in der AirFuel Alliance, zeigt sich im Gespräch mit der Markt&Technik überzeugt, dass der Markt jetzt mit AirFuel Resonant auf die zweite WP-Generation wechselt.
Markt&Technik: Bislang dominiert der Qi-Standard am Konsumgüter-Markt, laut Ihrer Aussage die erste Generation drahtloser Ladetechnik. Jetzt findet Ihrer Meinung nach der Wechsel auf die zweite Generation mit AirFuel resonant statt. Warum?
Dr. Sanjay Gupta: Der größte Unterschied zwischen Qi und AirFuel Resonant ist die Frequenz, mit der der Transmitter arbeitet. Die induktive Technik nutzt eine Frequenz von 100 bis 300 kHz, AirFuel Resonant arbeitet mit 6,7 MHz. Die geringe Frequenz von Qi hat mehrere Nachteile: Sie macht zum Beispiel eine genaue Positionierung des Smartphones auf der Ladefläche notwendig, damit die zwei Spulen im Sender und Empfänger möglichst genau übereinander liegen. Selbst kleinste Verschiebungen führen dazu, dass die Effizienz der Energieübertragung deutlich nach unten geht, bis zu dem Punkt, dass überhaupt kein Laden mehr möglich ist.
Und das ist der größte Nachteil von Qi, der Konsument will diese Einschränkung nicht, das ermöglicht keine gute Nutzererfahrung. Konsumenten sind WiFi und Mobilfunk gewohnt, beides Kommunikationstechnologien, die die Freiheit der Konsumenten deutlich erhöht haben, und dann soll eine drahtlose Ladetechnik akzeptiert werden, die keine Freiheit liefert? Hinzu kommt noch, dass ein 50-W-Laptop nicht auf einem Qi-System für Smartphones geladen werden kann. Das heißt, dass für jede Anwendung ein kundenspezifisches Design notwendig ist, auch das will keiner. Das ist auch für die Infrastrukturanbieter schwierig, denn dann müssten sie für unterschiedliche Leistungsklassen unterschiedliche Ladesysteme anbieten. In der Summe lässt sich sagen: Der Wechsel von der ersten auf die zweite Generation findet statt, weil Qi nicht die Bedürfnisse der Konsumenten erfüllt hat.
Und mit der zweiten Generation bzw. AirFuel Resonant lassen sich diese Nachteile überwinden?
Für die zweite Generation stehen zwei vielversprechende Technologien zur Verfügung: magnetische Resonanz mit einer Frequenz von 6,7 MHz, also AirFuel Resonant, und AirFuel RF mit einer Frequenz von 900 MHz und mehr.
AirFuel Resonant, kurz: AR, ermöglicht eine räumliche Freiheit und es können mehrere Geräte auch mit unterschiedlichen Leistungsniveaus geladen werden. Derzeit decken wir den Bereich zwischen 1 bis 100 W ab, wir arbeiten aber auch an höheren Leistungen. Noch ein Punkt, der gegen Qi spricht: Qi ist viel langsamer als das Laden mit Kabel. Das heißt, wenn ein Kunde es eilig hat, muss er bei einem Smartphone mit Qi das Kabel nutzen. Mit AR geht eine schnelle und drahtlose Ladung. Darüber hinaus können die Ladesysteme auch versteckt beispielsweise unterhalb einer Tischplatte angebracht werden, auch das ist mit Qi unmöglich, weil die Spulen sehr eng gekoppelt werden müssen.
Und AirFuel RF? Lassen Sie es mich so erklären: AirFuel Resonant könnte man als zweidimensionales Laden bezeichnen, HF ermöglicht ein dreidimensionales Laden. Allerdings liegt die maximale Leistung, die mit HF übertragen werden kann, unter 1 W, denn in dem Fall muss natürlich vermieden werden, dass irgendetwas in der Umgebung mit einer zu hohen Energie geschädigt werden würde.
Was kann man mit weniger als 1 W machen?
Viel. Stellen Sie sich einen Supermarkt vor, in dem die Regale mit digitalen Preisschildern versehen sind. Bislang sind diese Preisschilder mit Batterien ausgestattet. Mit HF können diese Preisschilder mit einem geringen Strom versorgt werden, sodass die Batterien weggelassen werden können. Mitglieder der Airfuel Alliance haben bereits Partnerschaften mit Retailern geschlossen, in deren Rahmen an Konzepten für die drahtlose Versorgung dieser digitalen Preisschilder gearbeitet wird.
Diese Technologie eignet sich aber auch hervorragend für viele IoT-Anwendungen, in denen beispielsweise ein Temperatursensor oder Feuchtigkeitssensor, der wenig Leistung braucht, drahtlos geladen werden kann, sodass keine Batterie mehr notwendig ist. Damit könnten solche Systeme zehn und mehr Jahre laufen, ohne dass nur ein einziges Mal die Batterie ausgewechselt werden muss. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass sich das HF-Laden für alles eignet, was nur wenig Leistung braucht und irgendwo im Raum geladen werden muss.
Wir reden über 10 Mrd. IoT-Sensoren, die alle Strom brauchen, und Batterien sind keine gute Lösung, denn sie müssen gewechselt werden und sie stellen auch eine Belastung für die Umwelt dar. Hier ist eine drahtlose Stromversorgung die deutlich bessere Lösung.
Steht die drahtlose Ladetechnik mit NFC dann in direkter Konkurrenz zum HF-Laden?
Eigentlich nicht, weil, wie gesagt, die Frequenz der entscheidende Parameter bei der drahtlosen Ladetechnik ist. Die NFC-Frequenz ist mit 13,56 MHz doppelt so hoch wie bei AirFuel Resonant; von diesem Standpunkt aus betrachtet ist NFC ähnlich wie AirFuel Resonant, allerdings wird mit NFC eine deutlich geringere Leistung übertragen. Das heißt, in Hinblick auf die übertragbare Leistung ist NFC mit AirFuel RF zu vergleichen. Wobei NFC auch den Nachteil aufweist, dass damit aufgrund der In-Band-Kommunikation nur ein Gerät geladen werden kann. NFC würde ich aber zu den Technologien der zweiten Generation zählen, einfach weil deutlich höhere Frequenzen zum Einsatz kommen, und das ist für ein besseres Nutzererlebnis zwingend erforderlich.