Energy Harvesting sollte die Welt vor Batteriemüll retten. Der Euphorie folgte Ernüchterung. Nun werden die Chancen realistischer betrachtet. Prof. Dr. Marcel Meli von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften erwartet, dass Energy Harvesting vom aktuellen LPWAN-Boom profitieren wird.
Viele von uns können sich an die ersten Energy-Harvesting-Jahre erinnern, voller Aufregung und großer Erwartungen. Energy Harvesting sollte einen neuen Bereich von Wireless Embedded Systems eröffnen. Knoten werden (fast) überall installiert und laufen jahrelang ohne Batteriewechsel. Diese Autonomie würde wiederum dazu beitragen, die langfristigen Wartungskosten zu senken.
Einige Jahre später kann man sagen, dass sich diese frühen Visionen (noch) nicht in dem Maße verwirklicht haben, wie man es erwartet hatte. Mehrere frühe, neu gegründete Unternehmen, mit vielversprechenden Techniken zur Energiegewinnung, sind verschwunden. Andere Jungunternehmer haben einfach ihre Ausrichtung geändert. Einige etablierte Unternehmen, die Komponenten zur Energiegewinnung anbieten, mussten ihre Erwartungen überprüfen und ihre Planungen entsprechend anpassen. Die frühe Aufregung war der Ernüchterung gewichen – und die Welt bewegte sich zum nächsten Hype.
Wo ist Energy Harvesting heute? Hat die Technik ihren Tiefpunkt erreicht? Ist sie an den Rand exotischer Techniken gedrängt worden? Nein. Energy Harvesting erklimmt jetzt den »Pfad der Erleuchtung«.
Die schwierigen Jahre nach dem Hype um Energy Harvesting trugen dazu bei, die Realität von der Fiktion zu trennen – und diese Jahre hatten einige gute Auswirkungen.
In harter Arbeit wurden weiter die wirklichen Probleme bestimmt, zumindest für diejenigen, die noch über Ressourcen und genug Kraft verfügten, um weiterzumachen. Die Gebäudeautomation und einige spezielle industrielle Anwendungen setzen weiterhin Geräte ein, die mit Energie aus einem Mikrogenerator betrieben werden. Sie boten und bieten ein Umfeld für die weitere Entwicklung und Vermarktung der Energy-Harvesting-Technik.
In den letzten Jahren, nach der Suche nach praktikablen Energy-Harvestern und der Suche nach geeigneten Märkten, hat sich ein stabiles Bild für Energy-Harveting-Anwendungen entwickelt. Die Verbesserung von Schlüsselkomponenten, die für Low-Power-Schaltungen benötigt werden, und eine bessere Verfügbarkeit dieser Komponenten haben wesentlich zu einer Renaissance beigetragen. Zum Beispiel:
Energy Harvesting beim Wireless Congress |
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Mit der Verbreitung der Low Power Wide Area Netzwerke wächst das Interesse an Energy-Harvesting-Konzepten zur autarken Versorgung von Funkknoten. Die Überwachung landwirtschaftlich genutzter Flächen mit Funksensoren oder das Tracken von Waren und Investitionsgütern sind nur zwei Anwendungsbeispiele bei denen ein autarker Betrieb über viele Jahre hinweg gewünscht wird. Im Programm des 15. Wireless Congress wird sich eine ganze Vortragsreihe dem Thema Energy Harvesting widmen. Auch Prof. Dr. Marcel Meli wird referieren: »Harvesting Energy from Trees in Order to Power LPWAN IoT Nodes«. Vorträge über LPWANs sind in einer übergreifenden Session »LPWAN« zusammengefasst und auch thematisch gebündelt in den Sessions zu LoRa und Sigfox. Darüberhinaus spielt die Low-Power-Thematik auch in der Mobilfunk-Session und in den Tutorials des Wireless Congress 2018 eine wichtige Rolle. |
Es gibt aber auch Bereiche, in denen es noch wichtige Herausforderungen zu bewältigen gilt.
Im Einklang mit den Entwicklungen im Internet der Dinge haben mehrere junge Unternehmen neue Low-Power-Komponenten oder -Produkte angekündigt, die Energie aus einem HF-Feld gewinnen. In den meisten Fällen sind die Details nicht öffentlich bekannt. Die verfügbaren Finanzmittel deuten jedoch darauf hin, dass einige Investoren gute Gründe haben, diese Start-ups zu unterstützen.
Ausgehend von diesen Veränderungen und den positiven Entwicklungen auf der Anwendungs- und Marktseite lässt sich sagen, dass Energy Harvesting langsam aber sicher seinen Platz unter der Sonne einnimmt.
Elektronik-Experte Prof. Dr. Marcel Meli
ist Dozent für Computertechnik und Schwerpunktleiter für Wireless Systems an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, ZHAW, Institute of Embedded Systems, InES.
Seine wissenschaftlichen Interessen richten sich auf Low-Power Embedded-Systeme, hier vor allem auf Low Data Rate Wireless Communications, Mikrocontroller, Power-Management und auf Komponenten, welche nötig sind, um solche Systeme zu realisieren.
Prof. Dr. Meli wirkt regelmäßig an Veranstaltungen wie der Embedded World Conference und dem Wireless Congress mit und engagiert sich im Programmkomitee des Wireless Congress.
mema@zhaw.ch