Jürgen Laur, Global Head of Marketing LC & DPM, bei Merck Electronics und Mitglied im Vorstand des DFF (Deutsches Flachdisplay Forum), kennt die Display-Branche seit über 20 Jahren. Er war dieses Jahr auf der Display Week und berichtet im Interview von seinen Eindrücken.
Auf der Display Week 2024 in San Jose zeigte die globale Display-Industrie neue Produkte und woran in den Entwicklungsabteilungen gearbeitet wird. Welche neue Technik den Sprung in die Serienproduktion schafft und auch erfolgreich vermarktet werden kann, bleibt allerdings noch ein großes Fragezeichen. Nach zwei Jahren schrumpfender Absätze erwartet der Markt in diesem Jahr ein Wachstum bei den Display-Umsätzen. Die Display-Branche kämpft mit einer Überkapazität in der Produktion, verbucht Verluste und sucht den nächsten Gamechanger.
? Herr Laur, welchen Eindruck haben Sie von der Display-Branche und welche Stimmung war auf der Display Week zu spüren?
! Jürgen Laur: Die Display-Industrie ist eine globale Industrie, die stark mit der gesamtwirtschaftlichen Situation korreliert. Die wirtschaftlichen Folgen der weltweiten geopolitischen Entwicklungen beeinflussen die Nachfrage nach Consumer-Elektronik negativ. Neue Trends wie AI (Artifizielle Intelligenz) lassen auf einen neuen Kaufanreiz für Consumer-Produkte hoffen und in Autos, insbesondere in E-Autos, wird eine vermehrte Anwendung von Displays erwartet. China ist inzwischen der weltweit größte Display-Hersteller. Dies hat sich auf der Display Week deutlich in der Standgröße der chinesischen Hersteller sowie der Anzahl und dem Umfang ausgestellter Produkte widergespiegelt.
? Wie hat sich der Display-Markt im letzten Jahr verändert?
! Laur: SDP (Sakai Display Products) wird dieses Jahr die weltweit erste LCD-Megafab für GEN 10 Glass schließen. Auch in Taiwan schließen kleinere LCD-Fabriken. In Korea werden neue OLED-Fabriken gebaut, in China geht die Kapazitätserweiterung sowohl für LCDs, also auch OLED-Displays, weiter. China dominiert die Produktionskapazität für LC-Displays- und schließt auch im OLED-Bereich zum dominierenden Korea auf.
Die Verkäufe im Consumer-Bereich (TV & IT) liegen hinter den Erwartungen, wie wir es auch aus der Halbleiter-Industrie kennen. Die Nachfrage-Erholung wird in 2025 erwartet. Inwieweit das Thema AI kurzfristig die Nachfrage ankurbelt, beobachtet die Displaybranche mit großer Spannung.
? Welche neuen technischen Entwicklungen sind Ihnen dieses Jahr auf der Display Week aufgefallen?
! Laur: Neben den etablierten und kontinuierlich weiterentwickelten LCD- und OLED-Displays für TV, Notebooks und Smartphones waren an vielen Ständen mini- und microLED-Displays (Bild 1), beispielsweise für Automotive-Anwendungen, zu sehen. Weiterhin wurden erstmals aus Quantenpunkten hergestellte Displays in einer ansprechenden Qualität gezeigt. Dies zeigt, dass einige Unternehmen die Idee des Druckens von Displays weiterverfolgen, obwohl diese Produktionstechnik in der Vergangenheit deutliche Rückschläge erlitten hat. Die neuen Quantenpunkte müssen sogar gedruckt werden (Bild 2).
Die etablierten Display-Technologien haben ein sehr hohes technisches Level. Gleichzeitig ist hier ein Kostenniveau erreicht, das für jede neue Technologie eine hohe Eintrittsbarriere darstellt. Insofern bleibt abzuwarten, ob neue Technologien bisher unerreichte Eigenschaften besitzen, welche in Endanwendungen einen signifikanten Mehrwert erzielen.
Ein weiteres heißes Thema waren in AR-Brillen integrierte Weiterentwicklungen von optischen Gittern, Lichtleitern und micro-Displays. Diese Brillen sind kaum noch von einer normalen Brille zu unterscheiden. Ein solches Gerät eröffnet ein zusätzliches, neues Geschäftsfeld mit großem Potenzial.
? Welche Anwendungen/Branchen treiben aktuell und zukünftig die Display-Entwicklung voran?
! Laur: Die VR-Technologie treibt die Miniaturisierung von Anzeigen und die Entwicklung zugehöriger optischer Elemente wie Gitter und Lichtleiter voran.
Displays für Automotive-Anwendungen sind ein wachsender und diverser Markt (Bild 3). Aufgrund der unterschiedlichen Einbauorte im Auto müssen sie verschiedenste Anforderungen erfüllen, schaltbare Privacy Screens und HUD (Head-up-Display) sind nur ein Beispiel. Weiterhin ließ sich der Trend zu Touch-Screens, also knopflosen Bedienkonzepten, Lösungen mit haptischen Interfaces, erkennen.
Das Thema AI (Artifizielle Intelligenz) beeinflusst nicht nur die Prozessoren, sondern auch die Displays. Aufgrund der erhöhten Leistungsaufnahme bei den AI-ICs wird in IT-Geräten (Phones, NBPC, Tablet) an Energieeinsparungen bei anderen Komponenten wie Displaymodulen gearbeitet. Eine auf der Messe vorgestellte Möglichkeit ist die reduzierte und variable Bildwiederholrate sowie die Optimierung und Effizienzsteigerung der Backlight-Units, beispielsweise durch verbesserte optische Filme (Bild 4).
? Vor welchen Herausforderungen steht die gesamte Wertschöpfungskette der Display-Industrie – und die Anwender-Branchen?
! Laur: Verschiedene Analysten haben in den vergangenen Jahren immer wieder darauf hingewiesen, dass die Displayhersteller ihre Displays teilweise unterhalb der Herstellungskosten verkauft haben (Bild 5). Dies kann mittelfristig zu einer Marktverzerrung führen, wie wir es aktuell in anderen Industrien, z.B. Photovoltaik (PV), sehen. Eine weitere Herausforderung ist die geopolitische Lage. Gleichzeitig eröffnen sich dadurch neue Chancen für eine differenziertere, breiter aufgestellte Display-Lieferkette.
Ein Thema, das uns alle angeht, ist Nachhaltigkeit. Folgerichtig wurde dies auf der SID Display Week von vielen Herstellern aufgegriffen (Bild 6) und erstreckt sich von der CO2-neutralen Produktion bis zum Recycling wesentlicher Komponenten und Rohstoffe. So hat zum Beispiel BOE einen Monitor präsentiert, der zu über fünfzig Prozent aus recycelten Materialien besteht.
? Vielen Dank für das Interview.
Jürgen Laur
ist seit 2018 als Senior Director – Global Head of Marketing LC & DPM bei Merck Electronics für den Bereich Flüssigkristall- und Strukturierungs-Materialien verantwortlich. Er kam 2009 zu Merck, startete im Bereich Marketing LC, OE and LED-Phosphors und übernahm 2015 als Global Head of Sales & Marketing die Verantwortung für den OLED-Bereich.
Laur hat an der Universität Karlsruhe Elektrotechnik studiert und startete seine berufliche Karriere 1997 als Entwicklungsingenieur für Fahrerinformationssysteme bei Valeo Electronics. Dem Thema Displays blieb er seitdem treu, bei autronic-Melchers, DuPont und Merck sowie als Konferenzbeirat der electronic displays Conference. Seit 2001 engagiert sich Laur im DFF, seit 2019 ist er im Vorstand aktiv.