Vereinfachtes Messgerätedesign

Spannungsqualität standardkonform messen

28. Oktober 2023, 14:00 Uhr | Von Jose Mendia, Analog Devices
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Das Design eines normgerechten Spannungsqualitätsmesssystems ist eine knifflige Aufgabe. Die Experten von Analog Devices zeigen, wie sich mit nur wenigen Komponenten eine integrierte Lösung realisieren lässt, die den Entwicklungsaufwand für ein Spannungsqualitäts-Messgerät deutlich verringert.

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Zum Einstieg in das Thema lohnt die Betrachtung einiger der größten Herausforderungen bei der Implementierung einer Spannungsqualitäts-Messlösung.

Bild 1 zeigt, aus welchen Hauptbestandteilen ein Instrument zum Messen der Spannungsqualität aufgebaut ist. Die verwendeten Strom- und Spannungswandler müssen den Messbereich des Instruments abdecken und die Eingangssignale an den Dynamikbereich des ADC-Eingangs anpassen.

 Hauptbestandteile eines Instruments zur Messung der Spannungsqualität
Bild 1. Hauptbestandteile eines Instruments zur Messung der Spannungsqualität.
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Da die traditionellen Messumformer bereits die erste Quelle von Messungenauigkeiten darstellen, ist die richtige Wahl hier von großer Bedeutung. Als nächstes gelangt das Signal an den ADC, dessen Eigenschaften (z. B. Nullpunkt-, Verstärkungs- und Linearitätsfehler) die zweite Ursache von Ungenauigkeiten im System sind. Die Wahl des richtigen ADC für ein Spannungsqualitäts-Messgerät ist somit durchaus anspruchsvoll. Abschließend müssen verschiedene Signalverarbeitungsalgorithmen ausgearbeitet werden, damit aus den Eingangssignalen aussagefähige Elektrizitäts- und Spannungsqualitäts-Messwerte extrahiert werden können.

Spannungs- und Stromwandler

Genauigkeitsanforderungen der Norm IEC 61000-4-7 für Spannungs-, Strom- und Leistungsmessungen. Dabei sind: INOM: Nomineller Strombereich des Messinstruments; UNOM: Nomineller Spannungsbereich des Messinstruments; UM, IM und PM: Gemessene Werte
Tabelle 1. Genauigkeitsanforderungen der Norm IEC 61000-4-7 für Spannungs-, Strom- und Leistungsmessungen. Dabei sind: INOM: Nomineller Strombereich des Messinstruments; UNOM: Nomineller Spannungsbereich des Messinstruments; UM, IM und PM: Gemessene Werte
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Abhängig von seiner Anordnung und Anwendung wird das Spannungsqualitäts-Messgerät mit unterschiedlichen Nennspannungen (UNOM), Nennströmen (INOM) und Frequenzen konfrontiert. Ungeachtet der nominellen Werte, die das Instrument zu messen hat, verlangt die Norm IEC 61000-4-7 jedoch auch, dass Spannungsqualitäts-Messgeräte die in Tabelle 1 aufgeführten Genauigkeiten erreichen.

Die verwendeten Messumformer müssen deshalb so gewählt werden, dass das Instrument diese Genauigkeitsvorgaben erfüllt.

Die Norm IEC 61000-4-7 gibt die Empfehlung, die Eingangsschaltungen für die folgenden Nennspannungen (UNOM) und Nennströme (INOM) auszulegen [1]:
Für 50-Hz-Systeme: 66 V, 115 V, 230 V, 400 V, 690 V
Für 60-Hz-Systeme: 69 V, 120 V, 240 V, 277 V, 347 V, 480 V, 600 V
0,1 A, 0,2 A, 0,5 A, 1 A, 2 A, 5 A, 10 A, 20 A, 50 A, 100 A
Darüber hinaus dürfen sich die Eigenschaften und die Genauigkeit der Spannungs- und Strom-Messumformer nicht ändern, wenn dauerhaft das 1,2-Fache von UNOM und INOM angelegt wird. Außerdem darf ein Signal, das dem Vierfachen der Nennspannung entspricht, höchstens 1 kV ausmacht und für 1 Sekunde an das Instrument angelegt wird, keinerlei Schäden hervorrufen. Keine Beschädigungen darf schließlich auch ein eine Sekunde andauernder Strom mit dem zehnfachen Wert von INOM verursachen.

Analog/Digital-Wandler

Auch wenn die Norm IEC 61000-4-30 keine Mindestanforderungen an die Abtastrate des A/D-Wandlers vorgibt, muss diese doch so hoch sein, dass etwaige oszillatorische oder kurzzeitige Spannungsqualitätsphänomene erfasst werden können. Bei unzureichender Abtastrate könnte es sonst passieren, dass ein Spannungsqualitätsereignis falsch klassifiziert oder gar überhaupt nicht detektiert wird. Die Norm IEC 61000-4-30 besagt, dass die im Instrument verwendeten Spannungs- und Stromwandler für Frequenzen bis 9 kHz geeignet sein sollten. Die Abtastrate des ADC ist somit gemäß den Regeln der Signalanalyse so zu wählen, dass Frequenzkomponenten bis einschließlich 9 kHz gemessen werden können. Die Konsequenzen einer unzureichenden Abtastrate gehen aus Bild 2 hervor.

Auswirkungen der ADC-Abtastrate auf die Spannungsqualitäts-Messungen
Bild 2. Auswirkungen der ADC-Abtastrate auf die Spannungsqualitäts-Messungen.
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Das Signal oben links enthält 64 Signalproben pro 10 Zyklen (200 ms), während es oben rechts 1024 Signalproben à 10 Zyklen sind. Wie die Abbildung zeigt, ist oben links zwar ein Spannungseinbruch erkennbar, aber erst der Graph oben rechts lässt erkennen, dass dieser Einbruch auf Transienten zurückzuführen ist.

Weil die IEC-Norm für ein- und dreiphasige Systeme gilt, muss der gewählte ADC in der Lage sein, die erforderliche Anzahl an Spannungs- und Stromkanälen gleichzeitig abzutasten. Wenn zeitgleich Messwerte sämtlicher Spannungs- und Stromkanäle des Instruments vorliegen, lassen sich alle Parameter untersuchen, um bei einem Spannungsqualitätsereignis sofort Alarm zu geben.

Digitale Signalverarbeitung

Schon das Auswählen der richtigen Messumformer und ADCs für Spannungsqualitätsmessungen ist eine höchst umfangreiche Aufgabe. Der größte Zeit- und Ressourcenaufwand beim Design eines Spannungsqualitäts-Messinstruments entfällt jedoch auf das Entwickeln der Algorithmen zum Aufbereiten der rohen ADC-Messwerte. Um ein normgerechtes Instrument zu implementieren, gilt es zunächst die richtige DSP-Hardware (Digital Signal Processing) auszuwählen. Anschließend geht es an das Entwickeln und Testen der Algorithmen, mit deren Hilfe die Parameter der Spannungsqualität aus den Signalproben errechnet werden. Der Standard verlangt allerdings neben den reinen Berechnungen, dass auch verschiedene zeitabhängige Aggregationen mit zeitlichen Genauigkeiten von weniger als ±1 Sekunde pro 24 Stunden (Klasse A) bzw. weniger als ±5 Sekunden pro 24 Stunden (Klasse S) erstellt werden. Diese Algorithmen werden für die Analyse der Oberschwingungen verwendet. Zusätzlich stützen sich Spannungsqualitätsparameter wie der Oberschwingungsgehalt, Zwischenharmonische, Netzsignalspannungen und Schieflasten auf FFT-Analysen (Fast Fourier Transformation), die nicht einfach zu implementieren sind. Zur Durchführung von FFT-Analysen müssen die Wellenformen mit mindestens 1024 Signalproben je 200 ms (10 Zyklen) abgetastet werden. Das Resampling der Roh-Wellenformen aus dem ADC auf die erforderliche Rate erfordert ein sorgfältiges Vorgehen, um Oberschwingungsverzerrungen und Aliasing zu vermeiden.

Übersicht der wichtigsten Funktionen eines DSP-Systems für Spannungsqualitätsmessungen
Bild 3. Übersicht der wichtigsten Funktionen eines DSP-Systems für Spannungsqualitätsmessungen
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Sind die Algorithmen entwickelt, verlangt die IEC-Norm eine umfangreiche Liste von mehr als 400 Tests, die das Instrument für seine vollständige Zertifizierung bestehen muss.
 
Bild 3 zeigt eine Übersicht über die wichtigsten Funktionen, die ein DSP-System für Spannungsqualitätsmessungen bieten muss.

Lösungen von Analog Devices zur Messung der Spannungsqualität
Angesichts der Anforderungen, die bei der Entwicklung eines Spannungsqualitäts-Messinstruments gemäß Klasse A an die Genauigkeit, die Zahl der Kanäle und die Abtastrate gestellt werden, sind die Produktfamilien AD777x und AD7606x – Mehrkanalige, simultan abtastende ADCs für IEC 61000-4-30, Klasse A – für die A/D-Wandlung zu empfehlen. Allerdings ist zu beachten, dass diese Lösungen lediglich die un- bearbeiteten digitalen Daten aus den Eingangssignalen bereitstellen. Um zertifizierte Spannungsqualitätsmessungen zu erhalten, muss also ein DSP-System entwickelt werden.


  1. Spannungsqualität standardkonform messen
  2. Die Sigma-Delta-ADCs der AD777x-Familie

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