Wenn mit dem Digitalen Zwilling ein digitales Abbild der physikalischen Welt entsteht, wäre das über die Maschine und die Werkshalle hinaus nicht auch in unserem täglichen Leben vorstellbar?
Zum Teil gibt es das ja schon. Denken Sie nur an die Medizintechnik, etwa an ein Belastungs-EKG. Hier gibt es bereits etwas Ähnliches wie einen Digitalen Zwilling für menschliche Organe. Ebenfalls stark im Kommen sind Digitale Zwillinge im Bereich Smart Home. Als nächstes finden wir sie wahrscheinlich im Automobilbereich, beispielsweise wenn die Werkstätten einen Digitalen Zwilling Ihres Autos haben und Sie benachrichtigen, wenn der Ölstand zu niedrig ist. Aber bis diese virtuelle Welt unser tägliches Leben im großen Stil beeinflussen wird, wird es noch dauern.
Allgegenwärtig ist derzeit auch der Begriff „Künstliche Intelligenz“, kurz KI. Welchen Einfluss wird KI auf die deutsche Industrie – und speziell auf die Sensorikbranche – haben?
Künstliche Intelligenz ist derzeit noch ein nachgeordnetes Thema, aber es wird sicherlich wichtiger werden. Statt Künstlicher Intelligenz würde ich übrigens lieber den Begriff „selbstlernende Programme“ wählen. Denn KI ist im Grunde genommen nur Software. KI kommt bei uns zum Zuge, wenn Messdaten vorliegen, aus denen sie konkrete Schlüsse ziehen kann: Durch welche Werte kündigen sich Fehler an? Was führt zu welchen Schäden? Wodurch wird die Produktqualität gemindert? Um die Zusammenhänge zu erfassen – und zu erlernen – muss die Software exakt auf die Anforderungen eingestellt sein. Hier steht uns noch eine steile Lernkurve bevor. Doch egal, ob Digitaler Zwilling oder KI: Letztendlich will der Betriebsleiter wissen, was er machen muss, um die Endprodukte in guter Qualität hervorzubringen, gleichzeitig die geforderten Stückzahlen zu erreichen und dabei die Anlagen zu schonen.
Könnte das Sonderthema der Sensor+Test nächstes Jahr „Sensorik und Messtechnik im Zeichen der KI“ lauten?
Nein. Im nächsten Jahr lautet das vom Ausstellerbeirat beschlossene Messemotto „Sensorik und Messtechnik für die Prozessautomatisierung“. Der größte Teil unserer Aussteller setzt seine Produkte in diesem Bereich ein. Die Digitalisierung steht natürlich auch in der Prozessautomatisierung im Mittelpunkt. Sie sehen, das Thema begleitet uns auch hier wieder.
Mit all diesen Entwicklungen – digitale Transformation, Digitaler Zwilling, KI, etc.: Wo geht die Sensor+Test hin?
Aussteller mit Spezialsensorik und -messtechnik bleiben natürlich im Mittelpunkt der Messe, aber wir werden auch das Thema Software weiter verstärken. Letztendlich ist das Zusammenwirken zwischen Hard- und Software wichtig. Die Sensor+Test versteht sich als Plattform für die Verknüpfung zwischen Sensor- und IT-Spezialisten.
Hat sich das Ausstellerspektrum in dieser Hinsicht verändert? Anders gefragt: Haben Sie mehr IT-Spezialisten als Aussteller gewinnen können?
Bei weitem noch nicht genug. Die Vielfalt bei den IT-Spezialisten ist riesig und sie müssen natürlich ein passendes Profil für unser Aufgabenspektrum haben. Entsprechend schwierig ist die Ansprache.
Und wie ist es um die Akzeptanz der IT-Spezialisten unter den „traditionellen“ Ausstellern bestellt?
Nun, die Hersteller verstehen immer besser, dass Kunden nicht nur einen Sensor, sondern zukünftig vielleicht eher fertig aufbereitete Zustandsinformationen brauchen. Kann der Sensorhersteller das nicht liefern, braucht er einen Partner – also einen IT-Spezialisten. Wir müssen die Hersteller an die IT heranführen. Es gibt schon einige Sensorhersteller, die das aus eigener Kraft leisten können oder die Kooperationen eingegangen sind mit IT-Spezialisten. Und in diesen Partnerschaften zeigen sie sich auch auf der Sensor+Test.
Sprechen Sensorhersteller und IT-Spezialist die gleiche Sprache, wenn es um ein konkretes Projekt geht?
Meines Erachtens gibt es hier noch einigen Nachholbedarf. Vor allem eines muss im Vorfeld geklärt sein: Wer hat die Projektverantwortung? Sensorhersteller oder IT-Spezialist? Der Sensorhersteller muss sich als Spezialist darstellen, der auch das IT-Know-how hat. Er darf sich das Heft nicht aus der Hand nehmen lassen, sonst wird er möglicherweise zum nachrangigen Zulieferer. Wir sehen hier allerdings gute Entwicklungen, das Bewusstsein ist in der Sensorikbranche angekommen, das Verständnis wächst. Letztendlich profitiert davon der Kunde: Er bekommt nicht mehr nur Sensoren, sondern detaillierte Informationen über seine Anlage, seine Maschine, seine Produkte.