Um die Zielvorgaben hinsichtlich der Systemleistung erreichen zu können, verwenden die meisten seriellen Systeme mehrere Kanäle. Mit höheren Frequenzen und dem Anstieg der Datenraten auf mehr als 10 Gbit/s kann schon ein wenig Übersprechen das Jitter-Budget aufbrauchen und Timing-Probleme verursachen.
Übersprechen entsteht, wenn ein Signal durch ein räumlich benachbart geführtes Signal beeinflusst wird. Denn: Bei hohen Datenraten breitet sich ein Signal nicht wie ein einfacher Gleichstrom aus, sondern vielmehr wie eine geführte Welle. Die Welle wird zwar durch die Leiterbahn geführt, breitet sich aber auch wellenförmig durch das dielektrische Medium – in der Regel FR4 – aus. Sind mehrere Signale vorhanden, empfängt jede Leiterbahn (und das darin geführte Signal) elektromagnetische Beeinflussungen (Artefakte) von allen anderen Leiterbahnen. Üblicherweise wird hier davon gesprochen, dass ein Aggressorsignal ein Übersprechen am Opfersignal verursacht. Ein Übersprechen tritt auf, wenn das Signal eines Aggressors von dem Leiter erfasst wird, der das Opfersignal führt. Unvermeidliche Unterbrechungen in einer Schaltungsanordnung wie Steckverbindungen oder Drahtbrücken, an denen die kapazitive Kopplung am größten ist, bilden Schwachstellen, die beim Erzeugen des Übersprechens wie Antennen wirken.
Sowohl bei Echtzeit-Oszilloskopen als auch bei Sampling-Oszilloskopen kommen für die Separation der verschiedenen Jitter-Komponenten spektralbasierte Jitter-Analyseverfahren zum Einsatz. Bei Geräten mit Echtzeitabtastung, ohne Aliasing der Frequenzkomponenten, bilden die Jitter- bzw. Spannungsrauschspektren subharmonische Spitzen, die nicht als klare Linien angezeigt, sondern vielmehr breitbandig verschmiert werden. Bei Geräten mit Unterabtastung wie dem Sampling-Oszilloskop, bei denen das Spektrum einem Aliasing unterliegt, zeigt sich das Übersprechen als kontinuierliches Rauschen.
In beiden Fällen stellen diese spektralbasierten Jitter-Analyseverfahren, die den zufälligen Jitter (RJ) durch Integration des Rauschens im Spektrum messen, den RJ bei Anliegen von Übersprechen überhöht dar. Dies zieht eine Überbewertung des TJ nach sich. In Bild 4 ist eine Messung des Jitters per Oszilloskop dargestellt. In diesem Beispiel tritt bei dem Prüfling ein hohes Maß an Übersprechen auf.
Das Übersprechen wird vom Oszilloskop als begrenzter nicht-korrelierter Jitter (BUJ) erkannt, da es einer begrenzten statistischen Verteilung unterliegt. Diese Begrenzung wird jedoch durch die Komplexität des Datenmusters verschleiert. Durch die scheinbar zufällige Verteilung der Einsen und Nullen entsteht ein unterschiedlich starkes Spannungsrauschen, das mit jeder Flanke des Aggressorsignals übertragen wird.
Die Anfälligkeit für durch Übersprechen verursachten BUJ hängt von dem jeweils verwendeten Messsystem ab. Bei den von Oszilloskopen vorgenommenen Messungen bzw. Extrapolationen des Jitters wird pessimistisch der BUJ bzw. NP- (nicht periodisch) -BUJ dem RJ zuaddiert, woraufhin auch eine Überbewertung des TJ erfolgt. Die Jitter-Ergebnisse (RJ, TJ) hängen in entscheidendem Maße von der Komplexität des Aggressor-Bitmusters ab, wobei Testmuster nach PRBS31 (Pseudo-Random Binary Sequence) den schlechtesten Fall darstellen. Muster PRBS7 hingegen verursacht in der Regel keinen großen Fehler. Bei Echtzeit-Oszilloskopen hängen die RJ- und TJ-Ergebnisse auch von der Aufzeichnungslänge ab, wobei längere Aufzeichnungen mehr Abtastpunkte zur Verfügung stellen und somit die Separation besser dargestellt werden kann. Der genaue Mechanismus hängt auch von der jeweiligen Implementierung ab.
Lösungen für die BUJ-Messung
Für die Jitter-Analyse von Signalen, bei denen ein Übersprechen vermutet wird, werden gegenwärtig mehrere Konzepte verfolgt. Bei keinem ist es jedoch möglich, Ergebnisse per Knopfdruck zu erzielen, wie es bei der DDJ- und PJ-Analyse mit Oszilloskopen der Fall ist. Ein Anhaltspunkt ist, wenn der Jitter-Analysator einen unverhältnismäßig großen RJ-Messwert meldet. Es geschieht nur selten, dass thermische Einwirkungen als hauptsächliche Ursache für RJ einen größeren Trigger-Jitter als insgesamt 3 ps (effektiv) ausmachen. Ist der gemeldete RJ also größer als 3 ps, liegt es nahe, dass die Probleme durch Übersprechen verursacht werden.
Es gibt noch weitere Möglichkeiten, mit denen ein Übersprechen erkannt werden kann. Dafür muss jedoch jeweils der Aggressorkanal stärker beeinflusst werden. Wenn es beispielsweise möglich ist, das verdächtige Aggressorsignal abzustellen, lassen sich die RJ-Messwerte vergleichen, die einmal mit und einmal ohne Signal am Aggressor erfasst werden. Ist der RJ-Wert mit Aggressor größer als der RJ-Wert ohne Aggressor, ist das Problem auf ein Übersprechen zurückzuführen. Abhilfe kann geschaffen werden, indem der RJ-Messwert bei abgeschaltetem Aggressor und der DJ-Messwert (Dual-Dirac) bei eingeschaltetem Aggressor in einem Dual-Dirac-Modell verwendet wird, um einen Schätzwert für den TJ des Systems bei der fraglichen Bitfehlerrate zu erhalten. Das Problem bei diesem Konzept besteht darin, dass dabei die Aggressoren kontrolliert werden müssen, was jedoch nicht immer möglich ist.
Ein weiterer Punkt ist, dass es in nichtlinearen Systemen (um die es sich bei den meisten Sendern handelt) unwirksam ist und weniger Fehler erkannt werden, da ein Teil des Übersprechens unbegrenzt verteilt ist. Besser wäre es, Algorithmen für die Jitter-Analyse zu implementieren, welche den begrenzten unkorrellierten Jitter (BUJ) berück- sichtigen. Dafür wäre ein zusätzlicher Schritt in der Jitter-Analyse nach der Separation des DDJ und PJ, und zwar die Separation des NP-BUJ vom RJ, erforderlich (siehe Bild 5). Ein zentraler Vorteil dabei ist, dass diese Algorithmen für jedes Szenario geeignet sind, da einerseits kein Aggressor beeinflusst werden muss und andererseits ein nichtlinearer Sender kein Problem darstellt. Darüber hinaus würden unbegrenzte Übersprechkomponenten korrekt als solche erkannt werden. Der Nachteil bei diesem Konzept ist, dass die Ergebnisse weiterhin eine leichte Abweichung nach oben aufweisen.
Um zu prüfen, ob mit einem Jitter-Analyse-Algorithmus der BUJ korrekt von anderen Ursachen für zufälligen Jitter abgegrenzt werden kann, ist der in Bild 4 dargestellte Test zu wiederholen. Dabei sind in einem Messbeispiel zusätzlich die Ergebnisse eines Sampling-Oszilloskops unter Hinzuziehung eines Algorithmus für die BUJ-Jitter-Analyse verwendet worden. Das Ergebnis, das in Bild 6 mit einer gestrichelten Linie gekennzeichnet ist, zeigt eine leichte Erhöhung der Kurve gegenüber dem BERT-Ergebnis. Die mit Hilfe eines Echtzeit-Oszilloskops erzielten Ergebnisse sind nochmals etwas höher im Diagramm (Fehler größer). Dennoch ist die Genauigkeit der gemeldeten TJ-Fehlerwerte erheblich besser, was die Glaubwürdigkeit der mit Oszilloskopen erzielten TJ-Messwerte deutlich erhöht. Dies gilt besonders auch für Systeme, in denen Übersprechen als Fehlerquelle im Zusammenhang mit Jitter und Rauschen vermutet wird.
Fazit: Jitter ist ein nicht zu vernachlässigendes Phänomen
Mit dem Anstieg der Datenraten macht der Jitter inzwischen einen erheblichen Anteil des Verhältnisses von Übertragungsintervall zu Bitlänge aus. Dadurch wird es immer wichtiger, dass Entwickler die in ihren Designs vorkommenden verschiedenen Arten von Jitter und deren Ursachen genau kennen. Da in den meisten seriellen Hochgeschwindigkeitssystemen heutzutage mehrere Kanäle zum Einsatz kommen, ist das Übersprechen beinahe unvermeidlich geworden, was letztlich im Jitter-Budget berücksichtigt werden muss.
Bis in die jüngste Zeit war es extrem schwierig, die Auswirkungen von durch Übersprechen verursachtem Jitter bzw. von unbegrenztem, nicht korreliertem Jitter mit Hilfe von Jitter-Separationsverfahren zu messen. Da der BUJ in den Jitter-Algorithmen nicht berücksichtigt wurde, wurde er bisher dem RJ zugeschlagen, was zu überhöhten Werten für den totalen Jitter im Vergleich zu den mit dem Bitfehlerratentester erzielten Ergebnissen geführt hat.
In Erkenntnis über dieses zunehmend wichtigere Problem, das sich insbesondere bei Datenraten ab 10 Gbit/s zeigt, wurde das Jitter-Modell um eine BUJ-Komponente erweitert und entsprechende Algorithmen hinzugefügt. In Tests, bei denen ein hohes Maß an Übersprechen vorlag, haben sich die neuen Modelle bereits bewährt. Sowohl mit Echtzeit-Oszilloskopen als auch mit Sampling-Oszilloskopen wurden ähnliche TJ-Ergebnisse wie mit einem Bitfehlerratentester erzielt. Mit diesen neuen Modellen ist auch eine genauere Analyse von in einem System auftretenden Jitter-Problemen möglich, einschließlich des durch Übersprechen verursachten Jitters.
Der Autor
Dean Miles |
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ist als Senior Technical Marketing Manager bei Tektronix für das „High Performance Product“-Portfolio zuständig. In seinen über 20 Jahren Unternehmenszugehörigkeit hat Miles verschiedene Positionen im Unternehmen durchlaufen, so z. B. als Global Business Development Manager für Tektronix-HF-Technologien oder als Business Development Manager für den Geschäftsbereich „Optische Systeme“. |