Zu persönlich?

22. Juni 2012, 14:56 Uhr | Caspar Grote

Personalisierte Medizin, also eine bis ins Detail auf den individuellen Patienten abgestimmte Behandlungsmethode, klingt vielversprechend: Endlich ließe sich die Dosierung von Wirkstoffen tatsächlich für den Einzelfall optimieren und damit auch die unerwünschten Nebenwirkungen minimieren.

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Doch bei aller Euphorie gibt  es große technische und wirtschaftliche Hürden – nicht wenige Akteure im Gesundheitswesen räumen der personalisierten Medizin daher nur geringe Chancen ein. Dass Prof. Dr. Matthias Schwab, an der Universität Tübingen Lehrstuhlinhaber und Leiter des Dr. Margarete Fischer-Bosch Instituts für Klinische Pharmakologie, diese negative Bewertung für sachlich unbegründet hält, machte er in einem Vortrag im Rahmen des VDE-Arbeitskreises »Medizin und LifeScience Electronic» sehr deutlich. Sein Forschungsgebiet ist die Pharmakogenetik, also die Auswirkung individueller Genotypen auf die Wirkung von Arzneimitteln. Er führt an, dass Erbgutveränderungen die Verstoffwechselung von Medikamenten massiv beeinflussen können. So sorgen Enzyme dafür, dass Medikamente in der Leber relativ schnell abgebaut werden. Fehlen diese Enzyme genetisch bedingt, kann der Wirkstoffgehalt trotz eingehaltener Standard-Dosierung um ein Vielfaches zu hoch werden – mit der Folge enormer Nebenwirkungen und Toxizität. Mit einer etwa 2000 Euro teuren Erbgutanalyse ließen sich diese und andere Fehldosierungen vermeiden.

Doch nicht nur die hohen Kosten stehen einer breiten Anwendung der personalisierten Medizin im Weg, auch ethische Aspekte sind zu berücksichtigen: Wie lässt sich ein Missbrauch der durch Erbgutanalyse gewonnenen Informationen verhindern? Kann jeder behandelnde Arzt sich das enorme Fachwissen für die korrekte Interpretation der Analyseergebnisse aneignen? Wer trägt die Verantwortung für die jeweilige Medikamentierung? Wie gehen Arzt und Patient damit um, wenn aufgrund genetischer Merkmale keine Therapie angeboten werden kann? Entstehen neue, nach ihrer Genetik gestaffelte Patientenklassen?

Für den ethischen Umgang mit personalisierte Medizin sind unter anderem Regierungskomissionen eingerichtet worden. Was die Technik und vor allem die Elektronik dazu beitragen kann, dass personalisierte Medizin Wirklichkeit wird, ist eines der Themen auf dem Entwicklerforum »Electronics goes medical« im Oktober in München. Details finden Sie auf Seite 6 in dieser Ausgabe. Ich bin überzeugt, dass Entwickler die technischen Grundlagen für personalisierte Medizin schaffen werden. Und die Ethik kriegen wir dann auch noch in den Griff, meint Ihr

Caspar Grote
Chefredakteur, Dipl.-Ing. (FH)


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