Künstliche Intelligenz für MedTech

Lang und gesund leben mit KI

30. Juni 2023, 12:59 Uhr | Von Martin Weis, Infosys Consulting
© top images | stock.adobe.com

Möglichst alt werden: Neue Produkte, Software und Dienste für »Longevity« sollen mit persönlichen Daten wie DNA-Tests und tragbarer Sensorik helfen, die eigene Fitness und Gesundheit zu tracken. Mit KI-basierten Vorhersagen können gezielte Maßnahmen ergriffen werden, um länger gesund zu leben.

Diesen Artikel anhören

Das Ziel der Longevity-Branche ist es, die Gesundheitsspanne – also den Zeitraum, den ein Mensch bei guter Gesundheit und hoher Lebensqualität verbringt, bevor altersbedingte Krankheiten auftreten – bis ins hohe Alter zu verlängern. KI hilft dabei, die Lebensqualität zu verbessern – etwa durch KI-unterstützte Molekülforschung, um interzelluläre Prozesse zu verstehen und Zellalterung zu bremsen. Außerdem ermöglicht der gezielte Einsatz von KI, personalisierte Gesundheitsdaten zu sammeln, auszuwerten, das Auftreten von altersbedingten, v. a. chronischen Erkrankungen vorauszusagen und mit individualisierten Interventionen möglichst zu vermeiden. Auch seltene Krankheiten könnten mithilfe künstlicher Intelligenz günstiger und besser diagnostiziert werden. Dabei gilt: je personalisierter die Analyse, desto besser die medizinische Behandlung.

Anbieter zum Thema

zu Matchmaker+

Länger gesund leben mit KI

Ob in der medizinischen Krankheits- und Wirkstoffforschung, in der klinischen Behandlung, bei der Prävention oder auf anderen gesundheitsrelevanten Feldern: In allen Bereichen, in denen Daten eine wesentliche Rolle spielen, unterstützt KI Fachleute dabei, schnell Fortschritte zu erzielen. Statt etwa standardisierte Medikamente und Supplemente einnehmen zu müssen, können Patienten wahrscheinlich bald individualisiert hergestellte Wirkstoffkombinationen einnehmen. Unterstützt durch spezielle KI-Anwendungen – u. a. Nvidia forscht derzeit daran – können diese Wirkstoffe so abgestimmt werden, dass Nebenwirkungen und Kreuzeffekte beim Einnehmen unterschiedlicher Medikamente drastisch verringert werden – etwa bei chronischen Krankheiten.

Lernzusammenhänge herstellen
Auch bei der Analyse von Biomarker-Daten von Probanden in klinischen Studien spielt KI eine wichtige Rolle. Mit ihrer Hilfe stellen Forschende einen Zusammenhang zwischen beispielsweise der individuellen Genetik und weiteren persönlichen Gesundheitsmarkern her.

Diese werden u. a. aus dem Blutbild abgeleitet oder von Wearables im Alltag gemessen, etwa Elektrokardiogramm-Daten (EKG), der Blutzuckerspiegel oder die körperliche Leistungsfähigkeit. Parallel können Smart Devices wie intelligente Waagen oder Blutdruckmessgeräte an die Gesundheitsplattformen angeschlossen werden sowie gesundheitsrelevante Daten in Echtzeit erfassen und übermitteln. Aus dem Zusammenspiel der gemessenen Faktoren lassen sich Trends zur gesundheitlichen Entwicklung und Risikofaktoren des jeweiligen Patienten ableiten. Die Analyseergebnisse dienen Medizinern dazu, verschiedene Interventionen zu entwickeln, etwa zur Optimierung der Ernährung und des Lebensstils.

Die möglichen Datenerfassungs- und KI-Analyseprozesse umfassen auch genetische Auswertungen über die KI-Plattform. Aus Blut- und Stuhlproben gewonnene Biomarker werden via KI-gestützter Prozesse analysiert. Im Ergebnis zeigt sich individualisiert für jede Person, wie weit die Zellalterung fortgeschritten ist, wie Betroffene diese Alterungsprozesse verlangsamen und damit ihr biologisches Alter verringern können.

Dabei zeigt sich auch der große Einfluss von Ernährung auf die Gesundheit. Statt mühsamem Tagebuchführen über die verzehrten Lebensmittel, ermöglichen KI-basierte Algorithmen das Erfassen, Analysieren und Verbessern der Ernährung einer Person auf Basis von Fotos der Mahlzeiten auf dem Teller.

Longevity-Analysen für Ärzte
Immer weiter automatisierte Datenanalysen gepaart mit Fachwissen und menschlichem Gespür ermöglichen immer bessere Auswertungen und Behandlungen. So hilft die KI Ärzten etwa, schneller und präziser Anamnesen und Diagnosen zu erstellen, indem sie das aktuelle Fachwissen aus Hunderttausenden von jährlich erscheinenden Studien leichter zugänglich macht, als es einer einzelnen Person manuell jemals möglich wäre. Dazu verknüpft sie Informationen aus verschiedenen Fachquellen und Datenbanken, wodurch Ärztinnen und Ärzten mehr Zeit für die individuelle Behandlung bleibt.

Algorithmus-basierte Vorwarnsysteme unterstützen ebenso medizinische Entscheidungsprozesse, sodass bestimmte Krankheiten sehr frühzeitig diagnostiziert werden können. Durch die Erfassung von Datenserien über jeden Patienten wird zudem die Wirksamkeit von Interventionen wie Ernährungsanpassungen, Nahrungsergänzungsmitteln und Sport sichtbar gemacht und sie können individuell optimiert werden.

All diese Schritte dienen dazu, den zugrunde liegenden KI-Algorithmus mit Informationen zu füttern. Allmählich stellt das KI-System dann selbst Zusammenhänge her zwischen der individuellen Genetik, den Gesundheitsdaten aus Biomarkern und den Interventionen. Dadurch kann das System mit sehr hoher Genauigkeit voraussagen, wie wahrscheinlich es ist, dass jemand ein erhöhtes Risiko für neurodegenerative Erkrankungen wie Parkinson, Alzheimer oder metabolische Erkrankungen wie Diabetes hat und was getan werden kann, um dem entgegenzuwirken.

Technische Longevity-Infrastruktur

Um Longevity-Analysen durchführen zu können, bedarf es technischer Infrastrukturen wie digitaler Gesundheitsplattformen, welche Datenanalysen mit personalisierten Empfehlungen zur Optimierung der Gesundheit kombinieren. Basierend auf den neuesten wissenschaftlichen und medizinischen Errungenschaften sollen dadurch so viele Menschen wie möglich Zugang zu einem längeren und gesünderen Leben erlangen. Auf Plattformen wie Biolytica Nexus des Schweizer Longevity-Start-ups Biolytica kann medizinisches Fachpersonal den individuellen Gesundheitszustand all ihrer Patienten überwachen und im Idealfall einschreiten, noch bevor Krankheiten entstehen.

Solche hochkomplexen, KI-basierten Longevity-Plattformen ermöglichen es, verschiedenste Daten sicher zu sammeln und in Kombination zu analysieren – wie etwa Biomarker aus Blut- und Mikrobiomtests, genetischen Tests, Ernährungsinformationen und individuellem Leistungszustand. Das Zusammenführen dieser Daten aus vielerlei Quellen ermöglicht präzise personalisierte medizinische Behandlungen, die bisher nicht möglich waren.

 

Daten ohne Diskriminierung

Die digitale Gesundheitsplattform von Biolytica wurde u. a. in Zusammenarbeit mit Infosys erstellt
Die digitale Gesundheitsplattform von Biolytica wurde u. a. in Zusammenarbeit mit Infosys erstellt
© Biolytica

Für einen detaillierten und transparenten Überblick über Gesundheits- und Leistungsindikatoren werden KI-basierte Data-Analytics-Plattformen so nah wie möglich an den Datenquellen integriert. Datenexperten strukturieren, standardisieren, normalisieren die zahlreichen Daten so, dass sie für Ärzte oder Gesundheits-Coaches leicht auszuwerten sind. Neue Erkenntnisse aus aktuellen internationalen Studien werden mittels KI-Anwendungen automatisiert ausgelesen, ausgewertet und einsortiert, was mit der Zeit zu einem immer intelligenteren Anamnesesystem mit wachsendem Diagnosenutzen führt.

Synthetische Verschlüsselung und Unlabeling sind nur zwei von vielen Methoden, um Datensätze zu entdiskriminieren und Biases im Algorithmus zu vermeiden. Indem Daten entkategorisiert werden und entpersonalisiert verarbeitet werden, vermeiden moderne KI-Plattformen diskriminierende Effekte wie adverse Selektion; diese Negativauslese würde zu Informationsasymmetrien zum Nachteil Einzelner führen. Divers zusammengesetzte Entwicklerteams reduzieren einseitige kulturelle Vorprägungen. Anonymisierte, entpersonalisierte Daten bilden die Grundlage für problemspezifische Algorithmen, und Datensätze werden so durchmischt, dass keinerlei Rückschlüsse auf einzelne Personen gezogen werden können.

Vom Lifestyle-Trend zur Präventivmedizin

Die Longevity-Forschung bereitet den Weg für eine individuell abgestimmte Gesundheitsvorsorge, die langfristig die medizinische Grundversorgung in der Breite verbessern und positiv zur gesundheitlichen Grundversorgung in der Gesellschaft beitragen kann. Klinische Studien und die Anzahl benötigter Laborversuche und Testzyklen werden durch den Einsatz moderner KI-Plattformen massiv reduziert, indem Algorithmen bereits heute Ursache-Wirkungs-Prinzipien simulieren. Wie bei so vielen Innovationen sinken auch für die KI-basierte personalisierte Medizin die Gesamtkosten mit der Zeit.

Durch einen gewissenhaften Umgang mit den Daten überwiegen die gesellschaftlichen Vorteile personalisierter Medizin. Moderne KI-Plattformen unterstützen medizinisches Fachpersonal und ermöglichen ihnen effektivere Beratungen und Behandlungen. Die künstliche Intelligenz wird menschliches Fachpersonal immer besser unterstützen. Das schafft Freiraum für die persönliche, zwischenmenschliche Beratung und eröffnet langfristig einen besseren Zugang zu präventiven medizinischen Behandlungen – damit immer mehr Menschen länger leben und gesund altern können.


Lesen Sie mehr zum Thema


Das könnte Sie auch interessieren

Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!