Messtechnik & Sensorik

Der Inhalator denkt mit

28. Februar 2023, 11:35 Uhr | Von Dr. Andreas Alt, Sensirion
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Fortsetzung des Artikels von Teil 2

Nachrüstung ohne erneute Zertifizierung

Inhalatoren durchlaufen wie alle zugelassenen Medizinprodukte behördliche Freigabeverfahren. Diese sind zeit- und kostenintensiv. In einem ersten Schritt wäre es demzufolge einfacher, bereits zertifizierte Inhalatoren mit entsprechender Elektronik und Konnektivität auszustatten. Unternehmen wie Propeller Health oder Adherium haben diesen Weg eingeschlagen. Sie haben eine Reihe von intelligenten Modulen entwickelt, die auf bereits vorhandene Inhalatoren aufgesteckt werden können. Diese sogenannten Clip-ons werten neben Datum und Uhrzeit der Inhalatoranwendung auch Signale von integrierten Beschleunigungs- oder Kraftsensoren aus. Die präzise Messung des Durchflusses durch den Inhalator stellte in der Vergangenheit jedoch ein ungelöstes Problem dar. Es gab schlichtweg keine Sensoren, die robust, sensitiv und klein genug für eine solche Anwendung waren. Um die behördliche Zulassung des Inhalators nicht zu verlieren, ist es zudem zwingend nötig, dass der Flusssensor außerhalb des Inhalators in einem Clip-on angebracht wird, um den Einatemwiderstand und damit letztlich den Strömungspfad durch den Inhalator unverändert zu lassen. Nur so kann sichergestellt werden, dass die in klinischen Studien nachgewiesene Funktionalität des zugelassenen Inhalators nicht kompromittiert wird.

Um zu demonstrieren, wie sich präzise Inhalationsflussmessungen trotz all dieser Herausforderungen realisieren lassen, hat Sensirion einen funktionsfähigen Clip-on mit integriertem Flusssensor entwickelt. Bild 6 zeigt den 3D-Druck des Clip-on-Gehäuses. Die auf engem Raum verbaute Elektronik umfasst den SDP3x-Durchflusssensor von Sensirion, ein Bluetooth-Modul sowie eine Batterie. Erwähnenswert ist, dass der Clip-on an das Inhalatorgehäuse angepasst wurde und die Durchflussmessung rein auf dem Venturi- bzw. Bernoulli-Prinzip an der Einströmungsöffnung beruht. Somit musste der Inhalator selbst in keiner Weise verändert oder angepasst werden. Der auf die Geometrie des Inhalators hin kali­brierte Luftstrom zeigt eine ausgezeichnete Übereinstimmung mit Referenzmessungen. Alle in diesem Artikel gezeigten Flussprofile wurde auf diese Art gemessen.

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Bild 6: Im 3D-Druck hergestellter Inhalator-Clip-on mit dem Durchflusssensor SDP3x von Sensirion. Die Seitenansicht (links) zeigt den Clip-on in grün auf der Rückseite des MDI, das garantiert den ungehinderten Strömungsweg durch den Inhalator.
© Sensirion

Sensirion’s innovativer, MEMS-basierter Durchflusschip im SDP3x ermöglicht extreme Sensitivität bei kleinsten Flüssen. Nur deshalb ist es überhaupt möglich, ausserhalb des Inhalatorgehäuses ein stabiles Flusssignal abzugreifen. Die zugrundeliegende Technologie bedient sich des mikrothermischen Durchflussprinzips und kann somit als Weiterentwicklung und Miniaturisierung der klassischen Hitzdrahtanemometer verstanden werden. Die patentierte Durchflusschip-Technologie CMO Sens wird bereits seit Jahrzehnten in vielen medizinischen Geräten, z. B. Beatmungsgeräten erfolgreich eingesetzt.

Zu den Vorteilen dieser in der Medizin bereits bewährten Messmethode zählen eine sehr hohe Sensitivität bis hin zu Hundertsteln eines Pascals, eine hohe Genauigkeit und zeitliche Auflösung des Druck- bzw. Flusssignals sowie eine starke Robustheit gegenüber Erschütterungen und selbst Ultraschall-basierten Schweißverfahren. Der 2-Port-Aufbaus ist ebenfalls robust gegenüber externen Druckstörungen und die Sensorik verbraucht im Batteriebetrieb nur wenig Energie. Die Miniaturisierung ermöglicht den damit kleinsten massentauglichen Durchflusssensor der Welt. Der SDP3x-Durchflusssensor eignet sich aufgrund dieser Vorteile für präzise Durchflussmessungen in Inhalationsgeräten.

Langzeitvorteile intelligenter Inhalatoren

Intelligente Inhalatoren mit integrierter Durchflussmessung eröffnen neue Möglichkeiten in der Behandlung von Asthma und COPD. Sie können zum einem frühzeitig bei unzulänglicher Inhalationstechnik warnen und somit vor verminderter Wirksamkeit schützen. Patienten werden aktiv geschult und immer wieder an die korrekte Verwendung erinnert. Zum anderen können intelligente Inhalatoren mit integrierten Durchflussmessungen den Gesundheitszustand des Patienten über die Dauer der Behandlung messen und regelmäßig Rückmeldung erteilen. Dies wird zweifellos dazu führen, Behandlungserfolge zu steigern und Gesundheitskosten nachhaltig zu senken.

Folglich wird die robuste und präzise Durchflussmessung – in ihrer heute bereits verfügbaren Form – eine wichtige Funktion im Hinblick auf ein besseres Krankheitsmanagement bei Asthma und COPD übernehmen. Die große Anzahl an Patienten, die ihren Inhalator derzeit falsch verwenden, ist ein starker Treiber für Innovationen auf diesem Gebiet. Der Trend in Richtung personalisierte Behandlung und Unterstützung der Patienten ist auch bei den Inhalatoren immer stärker im Kommen, und intelligente Inhalatoren mit Durchflusssensoren sind imstande hier anzusetzen. Sie erinnern, schulen, informieren und sind damit auf dem Weg von einem einfachen medizinischen Hilfsmittel zu einem persönlichen Begleiter auf dem Weg der Genesung zu werden. (uh) ■


  1. Der Inhalator denkt mit
  2. Die Messung des Luftflussprofils
  3. Nachrüstung ohne erneute Zertifizierung

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