Göttinger und Heidelberger Forscher entwickeln höchstauflösendes Mikroskopieverfahren zur Untersuchung von Schädigungen an Nervenzellen und deren Fortsätzen im Gehirn bei Multipler Sklerose. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Projekt mit 7,7 Mio Euro für drei Jahre.
Die Ursachen und Entstehungsmechanismen der vielfältigen körperlichen Beeinträchtigungen und Behinderungen im Verlauf der Multiplen Sklerose (MS) sind nicht genau geklärt. Dazu fehlt der Grundlagenforschung bislang die geeignete Bildgebung. Göttinger und Heidelberger Forscher wollen nun einen neuen Mikroskopieansatz entwickeln. Mit diesem Ansatz sollen kleinste, MS-typische Schädigungen an Nervenzellen und ihre räumlichen Zusammenhänge im Gehirn erstmals in 3D und in höchster Auflösung auf der Nanometer-Skala sichtbar werden.
Auch molekulare und immunologische Abläufe, die zur Schädigung von Nervenzellen und deren Fortsätzen bei der MS führen, hoffen die Forscher mit der neuen hochauflösenden Mikroskopie aufzudecken. Die Erkenntnisse sollen dazu beitragen, eine gezielte Diagnostik und neue therapeutische Ansätze zu entwickeln. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Projekt NanoPatho aus Mitteln des Programms Photonik mit 7,7 Millionen Euro für drei Jahre.
3D-Nanodiagnostik für die MS
Der neuartige Mikroskopieansatz verbindet die extrem hohe Auflösung moderner Elektronen-Mikroskopie mit der superhoch-auflösenden STED-Lichtmikroskopie, die vom Göttinger Nobelpreisträger Stefan Hell entwickelt wurde. Die STED-Mikroskopie dient als Navigationshilfe für die Erkennung erkrankter Regionen in Gewebeproben von Patienten, um eine gezielte Untersuchung mit dem Elektronenmikroskop zu erlauben.
»Wir brauchen dringend eine Bildgebung, die uns Erkenntnisse über die kleinsten Schädigungen in der grauen Substanz des Gehirns, insbesondere der Großhirnrinde bringt«, sagt Prof. Dr. Wolfgang Brück, Direktor des Instituts für Neuropathologie an der Universitätsmedizin Göttingen (UMG). Solche Schädigungen an den Nervenzellen sowie ihren Nervenfasern und Verbindungen stören die Kommunikation des Nervenzellnetzwerks. »Es gibt einen klaren Zusammenhang mit fortschreitender Behinderung und Veränderungen der grauen Substanz bei MS.« Die wichtige Bedeutung von Schädigungen in diesem Gehirnareal für den Verlauf der Krankheit wurde erst vor einigen Jahren entdeckt.
In der MS-Diagnostik werden bildgebende Verfahren wie die Magnetresonanztomographie (MRT) routinemäßig eingesetzt, um die Schädigungen und MS-Herde im Gehirn und Rückenmark sichtbar zu machen. Die Nervenschädigungen der Großhirnrinde sind jedoch mit gängigen radiologischen Verfahren kaum zu erfassen. Sie können nur durch die pathologische Untersuchung von Gewebeproben sichtbar gemacht werden. Viele Strukturen der Nervenzellen und ihre Veränderungen bei der MS sind jedoch für die gängige Mikroskopie zu klein. Sie bedürfen einer Auflösung auf der Nanometer-Skala und den Einsatz von höchstauflösenden Mikroskopen.
Hintergrund: Multiple Sklerose
Multiple Sklerose (MS) ist eine Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems. Sie schädigt die isolierende Schicht der Nervenfasern sowie die Nervenfasern im Gehirn und Rückenmark. MS ist der häufigste Grund für Behinderungen im jungen Erwachsenalter. Neben den seit langem bekannten und intensiv untersuchten Veränderungen in der weißen Substanz des Gehirns, zeigt auch die graue Substanz, insbesondere die Großhirnrinde, pathologische Auffälligkeiten. Schädigungen an den Nervenfasern und ihren Verbindungen stören die Kommunikation des Nervenzellnetzwerks. Die wichtige Bedeutung dieser Schädigungen für den Verlauf der Krankheit wurde erst vor einigen Jahren entdeckt. So gibt es einen klaren Zusammenhang dieser Veränderungen mit fortschreitender Behinderung. Aktuell gibt es weder gezielte Diagnostikverfahren, noch Behandlungsoptionen für Schädigungen in der grauen Substanz. (me)