OTA-Messsysteme für Antennen lassen sich entsprechend dem Teil des gestrahlten Feldes klassifizieren, das gerade abgetastet wird. Bild 4 zeigt die Nah- und Fernfelder eines Antennen¬arrays einer Basisstation mit acht Patch-Antennen, gespeist über Mikrostreifenleitungen bei 2,7 GHz mit einheitlicher Erregung. Die Nahfeld- und Fernfeldbereiche sind durch den Fraunhofer-Abstand R = 2 × D2/λ definiert, wobei D die maximale Antennenapertur bzw. -größe ist und λ die Wellenlänge. Bei Abständen kleiner als R besteht das Nahfeld sowohl aus reaktiven als auch aus gestrahlten Komponenten; wogegen das Fernfeld einer Antenne nur die gestrahlte Komponente enthält.
Exakte Phasen- und Betragsmessungen über eine dreidimensionale Oberfläche, die das Messobjekt umgibt, sind für eine mathematische Transformation in den Fernfeldbereich erforderlich und ergeben 2D- und 3D-Antennenverstärkungsdiagramme. Eine Messung im Fernfeldbereich erfordert nur den Betrag der Empfangsleistung, um das Strahlungsdiagramm der Antenne zu berechnen, und kann bei Bedarf an einem einzigen Punkt im Raum gemessen werden.
Für kleine Messobjekte – in Bezug auf die Wellenlängen – wie Endgeräte wird die erforderliche Größe der Messkammer für Fernfeldbedingungen vorwiegend durch die bei der Messung verwendeten Wellenlänge bestimmt. Für größere Geräte wie Basisstationen, Antennenarrays und Massive MIMO steigt die erforderliche Größe der Messkammer möglicherweise stark an. Diese lässt sich aber deutlich reduzieren, solange das Messsystem die Phase und den Betrag des elektromagnetischen Feldes auf der gesamten umschließenden Oberfläche exakt abtastet.
Messungen im Fernfeldbereich erfordern eine direkte Leistungsmessung der ebenen Wellen. Die erforderlichen Messkammern sind im Allgemeinen ziemlich groß, wobei sich die Länge aus der Kombination der Größe des Messobjekts und den Messfrequenzen ergibt.
Obgleich das Fernfeld normalerweise mit einem geeigneten Abstand zum Messobjekt gemessen wird, kann man die elektromagnetischen Felder so manipulieren, dass sich eine Nahfeldkammer dazu verwenden lässt, um direkt die Beträge der ebenen Wellen zu messen. Es gibt zwei Techniken:
Messungen im Nahfeldbereich erfordern, dass in dem Bereich sowohl die Phase als auch der Betrag über eine geschlossene Oberfläche – kugelförmig, linear oder zylindrisch – abgetastet werden, um den Betrag des Fernfeldes mit Hilfe der spektralen Fourier-Transformation zu berechnen.
Diese Messung wird üblicherweise mit einem Vektornetzwerkanalysator wie dem R&S ZNBT20 (Bild 5) durchgeführt, wobei ein Messtor mit dem Messobjekt und das andere Messtor mit der Messantenne verbunden sind. Für aktive Antennen oder Massive MIMO existieren oftmals keine dedizierten Antennen- oder HF-Messtore, sodass das OTA-Messsystem in der Lage sein muss, die Phase zu ermitteln, um die Transformation in das Fernfeld abzuschließen. Für aktive Antennensysteme gibt es zwei Verfahren zur Ermittlung der Phase:
Bei der Wahl des Vektornetzwerkanalysators (VNA) sind vor allem bei Messungen mit gekoppelten Antennenelementen echte Multiport-VNAs wie der R&S ZNBT20 im Vorteil. Da mehrere Empfänger – anstelle der Verwendung von Schaltern – zur Verfügung stehen, um die Tests simultan durchzuführen, verkürzt sich die Testzeit. Zudem lassen sich mit mehreren Empfängern vollständige und aktive wechselseitige Kopplungsmessungen leichter durchführen.
Antennenarrays werden eine wichtige Rolle im zukünftigen Mobilfunk einnehmen. Aufgrund der Herausforderungen bei Entwicklung, Konstruktion und Produktion sind gründliche Tests unabdingbar, um eine optimale Leistung zu erzielen. Der Wegfall von HF-Messtoren und die Nutzung von Frequenzen im Zentimeter- und Millimeter-Wellenbereich machen OTA-Messungen zu einem idealen Werkzeug für die Charakterisierung der Leistungsfähigkeit – nicht nur von Massive-MIMO-Antennenarrays, sondern auch für die internen Transceiver. Dies wird eine große Nachfrage nach OTA-Messkammern und -Messtechnik nach sich ziehen, um Transceiver und die strikten Abstrahleigenschaften von Antennen testen zu können.
Hersteller mit einer breiten Palette an entsprechenden Absorberkammern, Messantennen und Messgeräten (Spektrumanalysatoren, Signalgeneratoren und Netzwerkanalysatoren) und dem nötigen Know-how können hierzu umfassende OTA-Messsysteme anbieten, ausgelegt für die zukünftigen Anforderungen des Marktes.
Die Autoren
Dr. Corbett Rowell
ist Senior Expert für OTA- und Antennenmesssysteme bei Rohde & Schwarz in München. Seit 1996 arbeitet er in der Antennen- und Funkbranche. Dr. Rowell begann als HF-Ingenieur bei Allgon in Schweden, wo er die ersten in Mobiltelefonen integrierten Antennen entwickelte. Danach gründete er zwei Unternehmen, arbeitete bei JP Morgan in der Wall Street und war fast ein Jahrzehnt lang F&E-Leiter des staatlichen Forschungsinstituts in Hongkong. Nach Hongkong entwickelte er für China Mobile in Peking neue Antennen und Funktechniken für 5G. Zudem war er als Professor an der Nazarbayev Universität in Astana (Kasachstan) sowie als außerordentliches Mitglied der Fakultät für Elektronik und Computer an der Universität Hongkong tätig und engagiert sich als Technical Program Co-Chair im Lenkungsgremium des International Wireless Symposium (IWS) der IEEE Microwave Theory and Techniques Society (MTT-S).
corbett.rowell@rohde-schwarz.com
Dip.-Ing. Reiner Stuhlfauth
studierte Nachrichtentechnik an der TU Kaiserslautern und ist seit Mitte 1999 bei Rohde & Schwarz in München tätig, zuerst als Trainingsingenieur für Mobilfunksysteme und seit 2013 als Technology Marketing Manager im Marktsegment Wireless. Dabei unterstützt er Kunden in technisch komplexen Themen aus den Bereichen Funkvernetzung und Mobilfunk, von 2G bis hin zu 5G.
reiner.stuhlfauth@rohde-schwarz.com