Digitalisierung und Umwelt

Beitrag der IKT zur Nachhaltigkeit

13. August 2023, 8:30 Uhr | Von Dr. Klaus Illgner
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Nachhaltigkeitsbeitrag der IKT

Bei der Analyse der IKT im Hinblick auf Nachhaltigkeit sollte nicht nur die IKT als solche betrachtet werden. Wie eingangs angerissen, ist die IKT essenziell, wenn es um die Digitalisierung geht, die mit hoher Intensität vorangerieben wird, um Prozesse effizienter und nachhaltiger zu gestalten. Oder etwas pointierter formuliert: Viele Nachhaltigkeitsprojekte sind ohne die IKT gar nicht realisierbar. Beispiele: »Klimakonforme Stadtplanung mit dem Digitalen Zwilling«, oder »Big- Data-Methoden zur Evaluierung von Politikinstrumenten in verschiedenen EU-Ländern« [5].

Daraus ergibt sich eine völlig neue Fragestellung: Wie bewertet man den Beitrag der IKT zu Nachhaltigkeitserfolgen in anderen Sektoren? Ein Ansatz, sich dieser Fragestellung zu nähern, könnte so aussehen, dass man den Ressourcenaufwand auf Seiten der IKT für eine konkrete Aufgabenstellung ermittelt. Diesen Aufwand müsste man dem Ressourcenaufwand der eigentlichen Aufgabenstellung zuweisen. Zugleich steht diesem Aufwand eine Nutzwirkung in Bezug auf eine Verbesserung der Nachhaltigkeit dieser Aufgabenstellung gegenüber. In Summe muss die – abziehbare – Nutzwirkung größer sein als der Aufwand durch den Einsatz der IKT. Parallel kann dann zumindest ein Teil dieses Aufwandes aus der Bilanz der IKT herausgenommen werden.

Die Kernaufgabe der IKT ist die Übertragung von Daten und deren Verarbeitung. Daher bietet es sich an, für diese beide Aspekte einfach zu ermittelnde Kriterien zu definieren, die die Nachhaltigkeit (Ressourcenbedarf) und den Energieaufwand abbilden. Um die Kriterien einfach und praktikabel zu gestalten, bedarf es einer starken Abstraktion.

Bezüglich der Übertragung könnte man jedem transportierten Bit einen »Nachhaltigkeitsindex« zuordnen, der aus den Nachhaltigkeitskriterien des LCA für die IKT insgesamt abgeleitet wird und zusätzlich den Energiebedarf für dessen Übertragung beinhaltet. Dieser wird für jedes übertragene Bit addiert. Dies ermöglicht abzubilden, dass die Übertragung sehr großer Datenmengen »teuer« ist und zugleich Nachhaltigkeitserfolge der IKT insgesamt sich wieder günstig auf die Bewertung auswirken.

Einen vergleichbaren Ansatz könnte man auch für die Verarbeitung der Daten wählen. Grundlage müsste hier die für die Lösung der Aufgabe aufzuwendende Rechenleistung sein. Ein belastbares Kriterium zu definieren, gestaltet sich schwierig, da der Rechenaufwand von vielen Faktoren abhängt. Dennoch sollten die »Operations per Second« zusammen mit der Ausführungszeit ein brauchbarer Indikator sein, wenn man diesem ergänzend einen Nachhaltigkeitsindex für die Rechenzentren zuordnet, in den auch der Energiebedarf eingeht.

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Es kommt auch auf die Software an

An dieser Stelle wird ein weiteres bedeutsames Element sichtbar: die Abhängigkeit der Nachhaltigkeit von der Softwareentwicklung. Software kann sehr ressourcenhungrig geschrieben werden, man kann beim Schreiben der Software aber auch auf Effizienz achten. Ein sehr einfaches Beispiel: ein Zwischenergebnis wird nicht immer wieder neu berechnet, sondern es wird nach der erstmaligen Berechnung im Speicher behalten. Hierzu gibt es be- reits Diskussionen und Fachbeiträge, z. B. [6], dennoch dürfte sich die Entwicklung an dieser Stelle noch in einem frühen Stadium befinden.

Beim Thema KI ergibt sich eine weitere neuartige Fragestellung. Um KI-Systeme nutzen zu können, müssen die Modelle für diese Systeme zunächst trainiert werden. Das Trainieren von KI-Modellen kann sehr umfangreich werden, gerade wenn große Datenmengen verarbeitet werden, weil die Modelle z. B. sehr viele Parameter beinhalten. Selbst leistungsstarke Server rechnen hier durchaus mehrere Tage – mit entsprechendem Energiebedarf. Wem rechnet man diesen Energiebedarf und Ressourcenbedarf sowie eine anteilige »Lebenszeit« an der Infrastruktur zu? Werden KI-Modelle überwiegend für spezifische Anwendungen trainiert, bietet es sich an, diesen Aufwand ebenfalls der Anwendung bzw. der Aufgabenstellung zuzuordnen. Diesem Aufwand steht eine erwartete Nachhaltigkeitsverbesserung bei der Aufgabenstellung gegenüber.

Klimaschutzziele trotz Wachstum erreichen

Auch die IKT-Infrastruktur muss nachhaltig und klimaneutral werden. Die wachsenden Volumina in der Datenübertragung und Datenverarbeitung erfordern große Anstrengungen, um effizienter zu werden. Zugleich stellen Elektronikbaugruppen hohe Anforderungen an die Nachhaltigkeit. Über den Ansatz des »Life Cycle Assessments« setzen die Unternehmen der Branchen Maßnahmen zur Erreichung der Nachhaltigkeits- und Klimaneutralitätsziele um.

Zugleich spielt die IKT eine immer wichtigere Rolle, um in anderen Sektoren die Nachhaltigkeit zu verbessern. Hierfür sind Kriterien zu entwickeln und zu implementieren, die es erlauben, den Beitrag der IKT zur Erreichung der Nachhaltigkeits- und Klimaschutzziele zu erfassen.

Für beide Aspekte gibt es keine fertige Lösung, vielmehr sind noch viele Fragestellungen offen, insbesondere im Hinblick auf die Erfassung und Bewertung der Kennzahlen. Schließlich muss im Hinblick auf die Nachhaltigkeit auch die Frage erlaubt sein, was jeder einzelne durch sein Verhalten zur Nachhaltigkeit der IKT beitragen kann. Die IKT stellt die Infrastrukturen und Nutzungsmöglichkeiten bereit. Bedeutsam ist aber, wofür diese Infrastruktur genutzt wird. Wenn beispielsweise global mehr als 50 % des Datenverkehrs Videostreaming ist, sollte z. B. die Frage erlaubt sein, ob wirklich jedes Video gestreamt werden muss und ob 4K wirklich immer notwendig ist. Es ist auch unser aller individuelles Verhalten, das die Nachhaltigkeit der IKT verbessern kann.

 

Die Informationstechnische Gesellschaft des VDE (ITG) erarbeitet derzeit ein Positionspapier zum Thema GreenIT. Anregungen und Beiträge sind willkommen.

Ansprechpartner sind der Vorstand der ITG-Fachgesellschaft, Prof. Dr.-Ing. Hans D. Schotten (schotten@eit.uni-kl.de) oder auch der Autor.

 

 

Literatur
 
[1] Bieser, J.; Hintemann, R.; Beucker, S.; Schramm, S.: und Hilty, L.: Klimaschutz durch digitale Technologien – Chancen und Risiken. Bitkom e.V., Kurzstudie, 2020, www.bitkom.org/sites/default/files/2020-05/2020-05_bitkom_klimastudie_digitalisierung.pdf
[2] Emissionshandel im Luftverkehr. Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) im Umweltbundesamt, Factsheet, Mai 2023, www.dehst.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/Factsheet_LV.pdf?__blob=publicationFile&v=4
[3] ETSI ES 203 199 V1.3.1 (2015-02): Environmental Engineering (EE); Methodology for environmental Life Cycle Assessment (LCA) of Information and Communication Technology (ICT) goods, networks and services.
[4] Commission Recommendation of 16.12.2021 on the use of the Environmental Footprint methods to measure and communicate the life cycle environmental performance of products and organisations. EU-Kommission, 16.12.2021, https://environment.ec.europa.eu/ publications/recommendation-use- environmental-footprint-methods_en.
[5] Digital Sustainability Summit 2023, Bitkom e.V., 19. April 2023.
[6] Meißner, G.: Green Software Engineering: Erste Schritte. Informatik aktuell, 17. Mai 2022, https://www.informatik-aktuell.de/management-und-recht/ digitalisierung/green-software-engineering-erste-schritte.html.


Der Autor

Dr.-Ing. Klaus Illgner
studierte an der RWTH Aachen Nachrichtentechnik und promovierte dort auf dem Gebiet der Bildverarbeitung. Nach Stationen in verschiedenen Branchen, u. a. bei Texas Instruments und Siemens, ist er heute CTO des jungen Unternehmens K|Lens, das Lösungen für die bildgestützte KI- und 3D-basierte Qualitätskontrolle in der Industrieautomation entwickelt. Er engagiert sich mit seinen sektorübergreifenden Erfahrungen und interdisziplinärem Interesse u. a. in der ITG zu aktuellen Fragen technischer Entwicklungen.
klaus.illgner-fehns@k-lens.de


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