Green IT wird zur Querschnittsaufgabe

Wie Programmieren zum Umweltschutz beiträgt

3. November 2025, 7:30 Uhr | René Princz-Schelter / ak
Programmierer bei der Arbeit: Green Coding wird zu einem immer wichtigeren Thema.
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Je stärker die Digitalisierung voranschreitet, desto wichtiger ist es, dass sie möglichst »green« vonstattengeht, denn sonst wirkt sie dem Klimaschutz entgegen. Vor allem KI-Anfragen benötigen viel Energie. Die Programmierung kann aber durch »Green Coding« ihren Teil zu einer »grünen« IT beitragen.

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Spricht man von Green IT, so bezieht man sich meist auf den Energieverbrauch von Rechenzentren oder die Nachhaltigkeit von Geräten über ihren gesamten Lebenszyklus. Code, APIs und Softwarearchitektur bleiben hingegen oft unterschätzt. Dabei beginnen die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Umwelt schon viel früher als allgemein angenommen. Dies sollten Entwickler verstehen – und entsprechend handeln.

Die Organisation »The Shift Project« schätzt, dass die Digitalisierung heute 3,5 bis 4 Prozent der weltweiten Treibhausgase verursacht. Zum Vergleich: Deutschland insgesamt trägt 1,5 bis 2 Prozent bei. Hauptverursacher sind Server, Endgeräte und Netzwerke. Doch auch Software, Architekturen und Code beeinflussen den CO2-Fußabdruck der digitalen Welt erheblich. Jeder Klick auf eine Website belastet die Umwelt.

Auch virtuelle Prozesse hinterlassen Spuren: Jede Codezeile und jede Anfrage an einen Server wirkt sich real auf unseren Planeten aus und kann den ökologischen Fußabdruck eines digitalen Dienstes vergrößern oder verkleinern.

Der Report »Green Coding – Mit stromsparender Software zu einer nachhaltigeren Digitalisierung« der Deutschen Energie-Agentur (dena, https://www.dena.de/fileadmin/dena/Publikationen/PDFs/2024/REPORT_Green_Coding.pdf) zeigt, dass Green Coding den Stromverbrauch und die Emissionen des Sektors erheblich senken kann. Mit anderen Worten: Rein softwarebezogene Entscheidungen können die Umweltbelastung eines Dienstes vervielfachen, ohne dass sich dessen Wert für die Endnutzer verändert.

Vernetztes Denken ist bereits in der Entwicklungsphase wichtig

Ist die Netzwerkinfrastruktur nicht optimal programmiert, so führt dies zu häufigen API-Aufrufen, unnötigen Anfragen, fehlender Zwischenspeicherung und unkomprimierten Inhalten. Dies verursacht reale Energiekosten, auch wenn sie in einer Konsole nicht sichtbar sind. Eine API-Anfrage an einen Cloud-Dienst verbraucht je nach Häufigkeit, Datenmenge und Art des Netzwerks (4G, WLAN, Glasfaser) zwischen 0,02 und 0,1 gCO₂e (Gramm Kohlendioxidäquivalent). Dies geht aus einigen Modellrechnungen hervor. Das mag nach wenig klingen, doch multipliziert mit tausenden, zehn- oder hunderttausenden Nutzern, die mehrmals täglich darauf zugreifen, steigt dieser Verbrauch exponentiell an.

Die »All Electric Society« ist nur dann klimaneutral, wenn sie mittels erneuerbarer Energien wie hier der Solarenergie versorgt wird.
Die »All Electric Society« ist nur dann klimaneutral, wenn sie mittels erneuerbarer Energien wie hier der Solarenergie versorgt wird.
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Die gute Nachricht: Es gibt konkrete Ansätze, um etwas zu bewirken. So lässt sich die Größe der Payloads in API-Antworten verringern, um unnötige Rückläufe zu vermeiden. Daten können bei Bedarf clientseitig zwischengespeichert werden. Auch die systematische Nutzung von HTTP-Komprimierung bietet Potenzial. Ständige »Pings« zur Synchronisierung selten geänderter Daten lassen sich vermeiden, indem man die Aufrufhäufigkeit optimiert. Alternativ helfen eine »Offline-First«-Logik oder Edge-Computing, die Zahl der Cloud-Anfragen zu senken. All das sind einfache Maßnahmen, die oft schon bekannt sind. Entwickler müssen sie nur gezielt umsetzen.

Tools für die Zusammenarbeit: das verborgene Gewicht der »digitalen Produktivität«

Eine weitere Grauzone sind Kommunikations- und Kollaborationstools, die oft als »virtuell« betrachtet werden, aber sehr konkrete Auswirkungen haben. Laut der Internationalen Energieagentur verbraucht eine Stunde HD-Videokonferenz je nach Auflösung und Verbindungsqualität bis zu 1 kWh. Messaging-, Video- oder IP-Telefoniedienste begrenzen zwar die mit Reisetätigkeit verbundenen Emissionen, sind letztlich aber nicht neutral.

Entwickler solcher Tools müssen »standardmäßig sparsame« Modi einbauen: etwa die automatische Kameraabschaltung bei Nichtgebrauch, die intelligente Anpassung der Auflösung an das Netzwerk, optimierte Audio- und Videokomprimierung oder benutzerfreundliche Energiesparoptionen wie den Audio-only- oder Standby-Modus. Doch nicht nur die Technik zählt. Auch die Nutzung – überflüssige Besprechungen, doppelte Nachrichten, ständiger Datenstrom – verlangt kollektive digitale Disziplin. Ressourcenschonendere Tools fördern so zugleich einen verantwortungsvolleren Umgang.

Auf dem Weg zu Green DevOps?

Green IT liegt meist in den Händen der IT-Abteilung oder der Infrastrukturteams. Doch auch die Entwicklungsabteilungen sollten diese Aufgabe entschlossen angehen. In CI/CD-Ketten – also in den automatisierten Abläufen, die Softwarecode kontinuierlich erstellen, testen und bereitstellen – erscheinen bereits erste Werkzeuge.

Zu nennen sind hier unter anderem folgende Tools, die teilweise Open Source sind:

• EcoCode – diese SonarQube-Erweiterung identifiziert »Green Code Smells«, also Code-Strukturen, die den Energieverbrauch erhöhen, ohne einen funktionalen Mehrwert zu bieten,

• GreenFrame bewertet den Fußabdruck einer Customer Journey,

• Skaphander misst den Energieverbrauch von Prozessen,

• Cloud Carbon Footprint misst den CO₂-Fußabdruck im Zusammenhang mit der Nutzung von AWS-, Azure- und GCP-Clouds,

• das Tool Green Metrics bewertet die Umweltauswirkungen einer Website oder Anwendung auf den Verbrauch von Treibhausgasen, Wasser und anderen Ressourcen.

Entwickler verfügen zudem über Tools wie Lighthouse + EcoIndex, das »grüne« Pendant zu Googles Lighthouse, und andere.

Princz-Schelter Rene von ALE Deuschland
René Princz-Schelter, ALE Deutschland GmbH: »Den CO2-Fußabdruck zu verringern, gelingt nur, wenn man die ökologischen Herausforderungen des Software-Lebenszyklus vollständig einbezieht.«
© ALE Deutschland

Das Umweltbundesamt hat vor einigen Monaten eine Workshopreihe »Green Coding« für Softwareentwickler und Softwarearchitekten durchgeführt. Dabei ging es besonders um Skills zur nachhaltigen Softwareentwicklung. Daraus ist ein Booklet zum Download hervorgegangen (https://www.bmuv.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Digitalisierung/das_green_coding_booklet_bf.pdf), das reichhaltige Informationen und direkt anwendbare Tipps rund um das Thema liefert.

Seit der Schaffung des Bundesministeriums für Digitales und Staatsmodernisierung, das die Digitalisierung in Deutschland vorantreiben soll, gibt es nun erstmals ein Ressort auf Bundesebene, das Kompetenzen aus sechs Ressorts bündelt. Zu erwarten ist, dass in den nächsten Monaten in dem Ministerium auch an Initiativen zu Green IT, zur Verringerung des ökologischen Fußabdrucks digitaler Technologien und zu Standards für technologische Nachhaltigkeit gearbeitet wird. Ein Anhaltspunkt dabei dürfte die europäische Verordnung über die umweltgerechte Gestaltung nachhaltiger Produkte sein, die einen Rahmen für das Ökodesign von Produkten schafft. Die Energieeffizienz von Software wird darin zwar nicht ausdrücklich erwähnt, sie trägt aber wesentlich dazu bei.

Ökologische Zukunft der Digitalisierung mit umweltbewusstem Code

Den CO2-Fußabdruck zu verringern, gelingt nur, wenn man die ökologischen Herausforderungen des Software-Lebenszyklus vollständig einbezieht. Wie Sicherheit, Leistung oder Barrierefreiheit zählt auch digitale Sparsamkeit zu den unentbehrlichen Kriterien. Code belastet. Deshalb muss man die Werkzeuge nutzen, um ihn zu optimieren.

Der Autor

René Princz-Schelter, VP Technical Sales & Service Germany, ALE Deutschland GmbH (Alcatel-Lucent Enterprise)


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