Neue Studie zur Leistungsbereitschaft älterer Arbeitnehmer

»Silver workers«: Warum ihr Fachkräfte-Potenzial nicht genutzt wird

23. August 2010, 9:52 Uhr | Corinne Schindlbeck
© Tanja Rabl

Die Weiterbildung und –beschäftigung von älteren Arbeitnehmern gilt als einer der wichtigsten Hebel, um den demographisch bedingten Schwund von Fachkräften aufzuhalten. Eine neue Studie der Uni Bayreuth räumt jetzt mit dem Vorurteil auf, ältere Arbeitnehmer seien nur noch schwer für den Job zu motivieren. Dennoch bilden vor allem kleinere Betriebe Ältere oft nicht weiter, obwohl der Staat dies finanziell sogar seit Jahren fördert.

»Ältere Arbeitnehmer sind unmotiviert«, lautet ein weit verbreitetes Vorurteil, das jetzt sogar wissenschaftlich widerlegt wurde. Dr. Tanja Rabl, Wirtschaftswissenschaftlerin an der Universität Bayreuth, kommt in einer neuen Studie zu dem Ergebnis: Das Alter von Arbeitnehmern steht in keinem bedeutsamen Zusammenhang zu ihrer Leistungsbereitschaft. Älter zu werden geht nicht automatisch einher mit nachlassender Motivation und Wille zum Erfolg.

Woran liegt es dann, dass viele Ältere tatsächlich oft lieber heute als morgen in Rente gehen würden, obwohl sie in Zukunft als Fachkräfte dringend gebraucht werden? Die Weiterbildung von älteren Arbeitnehmern wird nicht ohne Grund vom Bund finanziell seit 2002 gefördert. Ein noch stärker auf Ältere maßgeschneidertes Programm, »WeGebAU« (Weiterbildung Geringqualifizierter und beschäftigter älterer Arbeitnehmer im Unternehmen), gibt es seit 2006 – doch es wird insgesamt, vor allem von kleinen und Kleinst-Unternehmen, die ohnehin meist keine systematische Personalentwicklung betreiben, zu wenig genutzt. Das hat das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in einer kürzlich veröffentlichten Analyse festgestellt.

Liegt es an dem Vorurteil, Ältere seien nur noch schwer zu motivieren? Sie weiterzubilden, sei folglich »rausgeschmissenes Geld«?

Nun, ganz so einfach ist es nicht. Es gibt, so hat Dr. Tanja Rabl herausgefunden, tatsächlich einen indirekten Zusammenhang zwischen Lebensalter und Motivation. Wenn die »silver workers« im Firmenalltag wiederholt erleben, dass sie allein wegen ihres Alters benachteiligt werden, verfestigt sich ihr Eindruck, ihre Arbeit sei der Firmenleitung nichts wert. Und das setzt eine Abwärtsspirale in Gang, eine »self fulfilling prophecy«: Die Neigung, Misserfolge eigener Initiativen für wahrscheinlich zu halten und zu fürchten, wächst. »Dies kann den leistungsorientierten Einsatz für das Unternehmen schwächen, und zwar unabhängig vom Lebensalter«, sagt Rabl. » Ältere Arbeitnehmer haben durchaus das Potenzial, eine hohe Arbeitszufriedenheit zu entwickeln, die dann auch ihre Leistungsmotivation stärkt.«

Fakt ist, die persönlich empfundene Altersdiskriminierung lässt die Bereitschaft zur tatkräftigen Mitarbeit schwinden; wenn Mitarbeiter sich benachteiligt fühlen, meiden sie Leistungssituationen, aus Angst zu versagen, um das Vorurteil nicht noch zusätzlich zu bestätigen. Das Vorurteil »Ältere Arbeitnehmer sind unmotiviert« wird so zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung.
Ein vernünftiger Ansatz, diesen Teufelskreis zu durchbrechen, liegt also in Maßnahmen gegen Altersdiskriminierung.  Wie immer müssen diese vor allem von der Firmenleitung beschlossen, begleitet und vorgelebt werden.

Dann aber, so wirbt Rabl, könnten Firmen nur profitieren und angesichts des demographischen Wandels sogar ihre Wettbewerbsfähigkeit stärken. 
Schon heute zeichne sich ab, dass Unternehmen in Deutschland zunehmend ältere Arbeitnehmer beschäftigen müssten, um der demographischen Entwicklung und dem Fachkräftemangel zu begegnen. »Deshalb sind die Betriebe gut beraten, wenn sie rechtzeitig geeignete Maßnahmen ergreifen, um die Motivation dieser Mitarbeiter aufrecht zu erhalten,« erklärt Rabl. »Die Studie macht deutlich, wie wichtig es in diesem Zusammenhang ist, offensiv gegen Altersdiskriminierung vorzugehen. Je seltener ältere Mitarbeiter mit dem Vorurteil konfrontiert werden, dass sie weniger leisten können und weniger leisten wollen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich mit unverminderter Leistungsorientierung für ihr Unternehmen einsetzen. Nachhaltige Maßnahmen gegen Altersdiskriminierung sind daher ein nicht zu unterschätzendes Instrument, mit dem Unternehmen ihre Position im Wettbewerb verbessern können.«

Im Rahmen ihrer Studie hat Rabl, Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Personalwesen und Führungslehre, rund 1.250 Arbeitnehmer in sechs großen Unternehmen in Deutschland befragt. Ungefähr die Hälfte gehörte der Gruppe der älteren Arbeitnehmer an (50 bis 64 Jahre), die andere Hälfte einer deutlich jüngeren Altersgruppe (30 bis 40 Jahre). Für die Befragung wurden Unternehmen aus sehr verschiedenartigen Branchen ausgewählt: der Automobilzulieferindustrie, der Elektroindustrie, der Versicherungswirtschaft, IT-Dienstleistungen sowie Handel und Abfallwirtschaft.
Im Vorfeld ihrer Untersuchung hat Rabl sich intensiv mit der internationalen Forschungsliteratur zum Thema »Motivation von Arbeitnehmern« auseinandergesetzt. Und dann ein eigenes Strukturmodell erarbeitet, in dem sie die folgenden Aspekte systematisch aufeinander bezieht:
das Lebensalter der Befragten, ihre persönlichen Erfahrungen mit Altersdiskriminierung, die Unterstützung, die sie seitens ihrer Unternehmen erfahren sowie die Leistungsmotive der Befragten, insbesondere Hoffnung auf Erfolg und Furcht vor Misserfolg.