Helge Weinberg: Die Ansprüche an die Recruiter wachsen deutlich. Früher galt der Grundsatz „Post and Pray“ im Sinne von „Anzeigen schalten und auf passende Bewerber warten“. Recruiting lief nebenher mit in der HR-Abteilung, es galt als eine Aufgabe unter vielen. Unter dem Stichwort Recruiter 2.0 / Recruiter Next Generation zeichnet sich ein eigenständiges und anspruchsvolles Berufsbild ab.
„Recruiting ist heute ein hochkomplexer, spezialisierter und letztlich einer der erfolgskritischsten Prozesse im gesamten Talentmanagement und sogar Personalmanagement“, sagte ein ausgewiesener Experte, der es wissen muss. Ich stimme dieser Aussage zu. Meine Meinung: Recruiting wird zukünftig eine der Schlüsselfunktionen im Personalmanagement sein.
Fast 60 Prozent der Unternehmen haben heute keine Recruiting-Strategie, mindestens ein Drittel hat keine HR-Strategie. Das wird nicht mehr lange so bleiben können. Von Recruitern sind zukünftig „Kommunikationskompetenz, Technikaffinität, crossmediales Denken, Kenntnisse im Netzwerken und im Storytelling“ gefordert. Hier zitiere ich meinen Blogger-Kollegen Robindro Ullah, der sich intensiv mit diesem Thema befasst. Auch Marken- und Marketingexpertise sind gefragt, nicht zuletzt aber auch das Denken eines Vertrieblers.
Mobile Recruiting wird die Kommunikation mit den Bewerbern noch einmal deutlich beschleunigen und Erwartungen der Bewerber in schnelle und kompetente Reaktionen seitens der Unternehmen erhöhen.
Als Social Recruiter muss ich meine Zielgruppen genau kennen.
Ich muss wissen, wie sie kommunizieren, welche Sprache sie sprechen, was ihnen wichtig ist, in welcher Form ich ihnen Geschichten über mein Unternehmen erzählen kann – und über welche Kommunikationskanäle ich sie erreichen kann. Social Recruiter sollten wie PR-Leute denken und agieren. In der Ansprache von potenziellen Bewerbern sollten sie die Fähigkeiten eines Vertrieblers haben. Hier hat HR ganz erheblichen Nachholbedarf. Darüber werde ich gerne mehr schreiben, so über „Active Sourcing“ per Social Media oder über Mitarbeiterempfehlungsprogramme.
Peer Bieber: Für mich bietet Mobile Recruiting die Möglichkeit, als Empfehlungsmarketing auf Social Media Kanälen genutzt zu werden. Die Nutzer können unmittelbar Jobanzeigen weiterleiten und empfangen. Dieser Trend wird in den nächsten Jahren zunehmen und bietet die besten Chancen, Bewerber für eine Unternehmen zu erhalten.
Unternehmen müssen jedoch auf eine Trennung zwischen privaten Netzwerken wie Facebook und Karriere-Netzwerke wie Linkedin und Xing achten. Die besten Erfolge lassen sich über die Karriere-Netzwerke erzielen.
Bernhard Rauscher: Das ist eine Frage, die man nur subjektiv beantworten kann. Ich glaube, dass die Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses in gewissen Bereichen weg geht von der klassischen Bewerbung.
Ich kann mir z.B. folgendes Szenario vorstellen: Zwei Bekannte treffen sich zufällig auf einem Konzert. Sagt der eine, seine Firma sucht gerade genau so jemand wie den anderen.
Schickt am nächsten Tag einen Link via E-Mail. Der Interessent findet's ganz gut, chattet noch kurz auf dem Weg zum Flughafen mit seinem Bekannten in „WhatsApp“ darüber, fragt auch einen anderen Freund (da er in Facebook sieht, dass der auch dort arbeitet) und bewirbt sich anschließend mit Link auf sein Xing-Profil während er auf das Boarding wartet.
Über den Xing-Mailservice meldet sich zwei Tage später eine Personalerin und auf der Rückreise fährt unser Interessent bereits zum Erstgespräch schnell mal vorbei.Ohne Mobile? Unmöglich.
In manchen Brachen, etwa bei freischaffenden Kreativen wie Fotografen, Visagisten, Kameraleuten etc., läuft das bereits so.