Interview mit Anselm Bilgri

»Führungskräfte müssen lernen, für sich zu sorgen«

21. April 2017, 19:32 Uhr | Corinne Schindlbeck
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Bei vielen dominiert das Gefühl, ‘Ich bin nur noch am Laufen’.

Aber Führungskräfte sind doch auch nur Teil dieses Systems. Wie können sie ausbrechen?

Das macht eine Führungskraft aus, dass sie die Spielräume die er hat, erkennt und ausnutzt. Dann ist sie auch nicht getrieben. Entscheidungsfähigkeit, auch als Pflicht, kommt dazu. Und die Führungskräfte dürfen den Blick für den Menschen nicht verlieren im System, das sie am Laufen halten müssen. Erinnern wir uns: es geht gleichermaßen um Mitarbeiter, die Gesellschaft, um Kunden wie Lieferanten. Dann ist das System nachhaltig. 

Mit was für Sorgen und Nöten von Führungskräften bekommen Sie es denn aktuell zu tun?

Es geht viel um das Thema Zeit. Zeit zu haben, um über das, was man tut, auch nachzudenken. Bei vielen dominiert das Gefühl, ‘Ich bin nur noch am Laufen’.

Führungskräfte müssen lernen, für sich selbst zu sorgen. Erst dann können sie auch gut für ihr Unternehmen und seine Mitarbeiter sorgen. So hat übrigens auch schon Peter Drucker gesagt: Am Ende hat eine Führungskraft nur einen einzigen Menschen zu führen, nämlich sich selbst.

Hier sind wir beim Gebot der Nächstenliebe, auch in der Benediktsregel zu finden: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Wenn ich nicht fähig bin, vernünftig und gut zu mir zu sein, meine Bedürfnisse nicht mehr spüre, kann ich es auch nicht meinem Mitarbeiter gegenüber sein. Viele bewegt auch die Frage, wie sie ihre Mitarbeiter im Unternehmen begeistern und mitziehen können, so dass der Funke überspringt. 

Und wie lautet Ihr Rat? Nicht jeder ist in gleichem Maße motivierbar. 

Die beste Motivation geht über Wertschätzung und Erfolgserlebnisse, die man zulässt.
Führungskräfte müssen auch hier Zeit investieren. Wie sagte Benedikt: Die Aufgabe und Gabe des guten Abtes ist die der Unterscheidung: Ich muss die Mönche, respektive die Mitarbeiter, in ihrer Unterschiedlichkeit wahrnehmen. 

Kann man Führung lernen? 

Ich glaube ja! Und wenn man merkt, man kann nicht führen, dann muss man es lassen. Auch wenn das unserem Karrieredenken widerspricht.

Ein Problem ist, wie wir unsere Führungskräfte heranziehen. Führungskraft wird man, wenn man gut in seinem Fach ist, ein guter Techniker, Betriebswirt oder Ingenieur. Aber das ist nicht das Kriterium!  Solche Führungskräfte haben oft ein mechanistisches Bild von ihrem Unternehmen. Aber der Mensch ist ein lebendes Wesen, kein Apparat! Ein Zahlenmensch muss kein guter Menschenkenner sein.

Solche Fachkräfte muss man zur Führungskraft erst befähigen. Damit wechseln sie im Grunde ihren Beruf. 

Aufsteigen bedeutet in diesem Sinne nicht ein größeres Büro, ein neuer Dienstwagen, eine Sekretärin, zwei Sekretärinnen, ein ganzes Stockwerk für mich etc.. Auch wenn das unserem typischen hierarchischen Denken in unseren Unternehmen entspricht. 

Und schließlich die Gabe der Unterscheidung: Die Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit wahrnehmen und zu (be-)handeln, multorum moribus servire, der Abt hat der Eigenart vieler zu dienen. Das ist anspruchsvoll. Und es kostet Zeit und Liebe zu den Leuten. 

Die Menschen als Mittelpunkt im System: Zeigt die Finanz- und Bankenkrise nicht, dass dem nicht so ist? Wie soll man da umsteuern? 

Die Gier wohnt dem Menschen nun mal inne, wir müssen lernen, diese zu zähmen und zu zügeln. Das geht los bei den Managergehältern und geht weiter bei den Aktionären und ihrem Wunsch nach Dividende und Wertsteigerung. Die Prämien, die Mitarbeiter von Banken dafür erhalten, dass sie dem Kunden irgendeinen Unsinn verkaufen, den er gar nicht begreift.

Ich denke, ich bin als Unternehmen nur dann erfolgreich, wenn ich mit dem Kunden eine vertrauensvolle, auf Dauer angelegte Beziehung aufbaue. Und das geht mit Dingen nicht, die wenig nachhaltig sind. 

Kommen wir noch mal auf die gestiegenen Ansprüche: Manager hatten früher oft einen Wohlstandsbauch, heute haben sie fit zu sein. 

Ja, aber das ist schon wieder so verkrampft! Das ständig fitte, das ist eine Attitüde. Weil es alle machen, und weil es toll ist, und weil es zum heutigen Management-Bild dazu gehört.

Da war mir das In-sich-Ruhen eines Ludwig Erhards lieber. Aber zuviel schadet. Nur so viel, wie es der Gesundheit dient!

Wenn manche Manager statt Marathon zu laufen lieber ein paar mal in der Woche meditieren würde um runterzukommen, wäre das besser. 

Das rechte Maß finden, wie Benedikt sagte: Es ist die Aufgabe von uns Menschen, ein Leben lang an uns zu arbeiten und neu ein zu justieren. Unser Verhalten zu ändern. Uns selbst und anderen gegenüber. 


  1. »Führungskräfte müssen lernen, für sich zu sorgen«
  2. Bei vielen dominiert das Gefühl, ‘Ich bin nur noch am Laufen’.
  3. 'Können Sie Führungskräfte als Vorbilder empfehlen, denen man nacheifern kann?'

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