Der Rechenzentrumsmarkt in Deutschland boomt. Zuletzt hat die große KI-fizierung den Bedarf enorm angekurbelt. Doch mit neuen Regularien, Nachhaltigkeitsvorschriften und dem allgegenwärtigen Fachkräftemangel stehen auch große Herausforderungen im Raum.
Die Analysten von IDC prognostizieren für das Jahr 2027 einen jährlichen Datenverkehr von 284 Zettabyte. Das entspräche 500 Milliarden Stunden an HD-Videos. Für die Datacenter-Branche kann das Fluch und Segen zugleich werden. Einerseits treibt es Bedarf an Rechenleistung und Infrastruktur immens an, andererseits stehen die Betreiber unter Zugzwang, um Regularien zu Energieverbrauch und nachhaltigem Betrieb zu erfüllen.
Laut der Studie »Datacenter Outlook Germany 2024/25« der German Datacenter Association (GDA) werden vor allem Technologien wie Künstliche Intelligenz, Machine Learning und 5G den RZ-Bedarf ankurbeln. Vor allem KI-Workloads sind ein wesentlicher Faktor, da sie oftmals enorme Rechenleistungen beanspruchen und wesentlichen Speicherplatz benötigen. Herausforderungen entstehen für die Betreiber vor allem in den Bereichen Energieversorgung und Nachhaltigkeit.
Zwischen Künstlicher Intelligenz und der Rechenzentrumsbranche herrscht eine sehr aktive Wechselwirkung. KI treibt den Bedarf an Rechenzentren und viele leistungsfähige Rechenzentren fördern gleichzeitig die KI-Entwicklung. »Für den Wirtschaftsstandort Deutschland, dessen Erfolg maßgeblich von der Innovationskraft seiner Unternehmen abhängt, sind Rechenzentren damit ein zentraler Treiber für digitale Innovationen«, sagt Béla Waldhauser, Sprecher der Allianz zur Stärkung digitaler Infrastrukturen im Eco-Verband. »Die Bedeutung von Rechenzentren für die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands kann damit kaum überschätzt werden.«
Doch in der Frage der Stromversorgung könnte das RZ-Wachstum auf kurz oder lang an seine Grenzen stoßen. So hat beispielsweise der Finanzdienst Bloomberg berichtet, dass die ChatGPT-Entwicklerfirma OpenAI in Gesprächen mit der US-Regierung stehe, um den Bau von riesigen Rechenzentren zu verwirklichen, die jeweils fünf Gigawatt Strom verbrauchen würden – so viel wie eine ganze Stadt. Das könnte den Energiesektor jedoch in Bedrängnis bringen.
Ähnliche Probleme bahnen sich auch in Deutschland an. Vor allem in den wichtigen Ballungsräumen wie Frankfurt am Main – dem zweitwichtigsten RZ-Standort Europas – steht der regionale Energieversorger Mainova vor der Mammutaufgabe, den wachsenden IT-Workload zu ermöglichen. Laut der GDA-Studie bilden allein die Colocation-Rechenzentren in Deutschland eine IT-Leistung von 1,3 GW, davon sind 745 MW allein im Raum Frankfurt. Aktuell sind hier zudem 542 MW bereits im Zubau und 383 MW IT-Leistung sind bereits geplant. Im »Data Center Impact Report Deutschland 2024« der GDA gaben 72 Prozent befragter Colocation-Betreiber in Frankfurt an, die ausreichende Stromversorgung als größte Herausforderung der nächsten drei Jahre zu sehen.
Doch eine sichere Stromversorgung ist mittlerweile nicht mehr ausreichend für einen modernen RZ-Betrieb. Das große Schlagwort Nachhaltigkeit überblickt die Rechenzentren – und zwar nicht als Marketing-Buzzword wie in vielen anderen Bereichen. Denn mit dem Energieeffizienzgesetz (EnEfG) sind die RZ-Betreiber verpflichtet, ein gewisses Maß an Nachhaltigkeit und Energieeffizienz zu erfüllen. Darunter fallen nicht nur Richtlinien zum Energieverbrauch der Infrastruktur und dem ökologischen Fußabdruck der Technik, sondern auch Vorgaben zur Abwärmenutzung. Laut dem Impact Report der GDA nannten 67 Prozent der befragten Frankfurter Colocation-Betreiber die Einhaltung der immer strengeren nationalen Gesetze und Vorschriften als eine der größten Herausforderungen der nächsten drei Jahre. Dementsprechend wird auch zu vielen Punkten Kritik aus der Branche laut. So gäbe es Unstimmigkeiten zwischen nationalen Gesetzen und EU-Vorschriften. Zudem seien die vorgegeben Richtwerte zur Energieeffizienz teils für viele Rechenzentren nicht erreichbar, sollten sie nicht konstant vollständig ausgelastet sein.
Vor allem in puncto Abwärmenutzung sehen die RZ-Betreiber Probleme. Der grundsätzliche Wille hierzu ist vorhanden, schließlich kann sich dadurch ein wirtschaftlicher Mehrwert ergeben, wenn Wärme für ein Entgelt abgegeben werden kann, anstatt sie nutzungsfrei buchstäblich in die Luft zu pusten. Hierzu gibt es auch immer wieder hervorragende Innovationsprojekte, die zeigen, wie Rechenzentren Wohnquartiere oder Industrieanlagen beheizen können. Doch ein großes Manko in der Gesetzgebung besteht darin, dass die RZ-Betreiber zwar dazu verpflichtet sind, ihre Abwärme abzugeben, aber Wärmenetzbetreiber oder Immobilienbesitzer nicht, diese Wärme abzunehmen. Dadurch ist einer solchen Verpflichtung nur schwer nachzukommen.
Gleichzeitig treiben vor allem die technologischen Innovationen das Nachhaltigkeitsbestreben voran. Zwar ist der jährliche Energiebedarf von Rechenzentren in Deutschland in zwölf Jahren von 10,4 Milliarden kWh (2010) auf 17,9 Milliarden kWh (2022) gestiegen. Im gleichen Zeitraum hat sich aber auch die installierte Rechenkapazität pro verbrauchter Kilowattstunde versechsfacht (Bitkom-Studie »Rechenzentren in Deutschland: Aktuelle Marktentwicklungen – Update 2023«). Dass sich die eingesetzte Technologie immer weiterentwickelt und effizienter wird, ist auch jetzt mit der KI-Revolution wieder der Fall. Denn die massiven Rechenleistungen von Künstlicher Intelligenz sorgen schnell dafür, dass der Energiebedarf der Racks die Möglichkeiten von Luftfühlung übersteigt. So braucht ab 30 kW pro Rack eine Flüssigkühlung – optimalerweise direkt am Chip. Mittlerweile entstehen schon die ersten Racks mit 150 kW Kapazität. Neue GPUs generieren so viel Wärme, dass OEMs diese bereits mit direkter Flüssigkeitskühlung als Standard designen. Beispielsweise waren im ersten Quartal 2024 noch 80 Prozent der verkauften Nvidia-Chips für Luftkühlung konzipiert. Im ersten Quartal 2025 sollen bereits 85 Prozent der verkauften Chips für Flüssigkühlung bereit sein. Durch solche Veränderungen können IT-Workloads effizienter verarbeitet werden und neue Konzepte zur Abwärmenutzung erschlossen werden.
Der Bedarf an Rechenleistung ist groß. Und er soll noch weiter wachsen. Laut GDA sollen die aktuellen 1,3 GW IT-Leistung der Colocation-Betreiber bis 2029 auf 3,3 GW ansteigen. Dahinter stehen zudem geschätzte Investitionen von etwa 24 Milliarden Euro, um die Kapazitäten auszuweiten. Doch wie in vielen anderen Branchen, schlägt auch in Rechenzentren der Fachkräftemangel zu. So sind im deutschen Datacenter-Sektor etwa 65.000 Personen beschäftigt. Gleichzeitig haben fast zwei Drittel der befragten Colocation-Betreiber angegeben, dass der Fachkräftemangel eine der größten Herausforderungen für ihr Unternehmen ist.
Eine zentrale Erkenntnis der GDA-Studie ist, dass das aktuelle Ausbildungssystem nicht ausreichend auf die Anforderungen des RZ-Sektors abgestimmt ist. Akademische und technische Studiengänge sowie die dualen Ausbildungsberufe sind zu wenig auf die Anforderungen der Rechenzentren zugeschnitten. Zwar hat sich in vielen Ausbildungsberufen der IT und Klimatechnik der Praxisbezug in der Ausbildung verbessert, dennoch reicht die Anzahl des beruflichen Nachwuchses nicht aus, um den Fachkräftebedarf in Rechenzentren und anderen konkurrierenden Bereichen zu decken.
Forderungen der GDA beinhalten, dass die Branche verstärkt Aufklärung und Werbung für den beruflichen Nachwuchs betreiben soll und auch das Interesse an technischen Berufen steigern und mehr junge Menschen für entsprechende Ausbildungswege gewinnen soll. Um die Stärke der Rechenzentrumsbranche in Deutschland zu erhalten, braucht es eine enge Zusammenarbeit zwischen Gesetzgebern, Industrieführern und Innovatoren. Diese müssen politische Weitsicht zeigen und neue Talente generieren, um den aktuellen Herausforderungen zu begegnen.